Desjani machte eine nachdenkliche Miene. »So viele Minen dürften sie eigentlich gar nicht mehr haben. Allerdings könnten sie alle Bestände von den anderen Kriegsschiffen auf diese kleinere Flotte umverteilt haben.«
»Wenn wir in ein Minenfeld geraten, lässt sich nicht abschätzen, welche Schiffe getroffen werden«, ergänzte Geary. »Und die höhere Geschwindigkeit würde die Sprengkraft der Minen noch erhöhen.«
Rione schaute einen Moment lang an ihm vorbei, die Stirn in Falten gelegt. Er musste nicht aussprechen, dass es auch die Dauntless sein konnte, die von einer solchen Mine getroffen wurde, und die Dauntless musste unbedingt nach Hause zurückkehren. »Und wie sieht Ihr Plan aus?«
»Ich habe noch keinen.«
»Ihnen war klar, dass wir sehr wahrscheinlich auf Syndiks stoßen würden, wenn wir hier eintreffen. Da werden Sie ja wohl irgendwas geplant haben.«
Geary verspürte einen allzu vertrauten Kopfschmerz, während Desjani neben ihm so die Augen verdrehte, dass Rione davon nichts sehen konnte. »Madam Co-Präsidentin, ich wusste, wir würden hier wahrscheinlich auf Syndiks stoßen, aber ich konnte nichts darüber wissen, in welcher Stärke sie vertreten sein und wo sie sich aufhalten würden. Hätten sie unmittelbar vor dem Sprungpunkt auf uns gewartet, wären wir sofort zum Angriff übergegangen. In allen anderen Fällen war mir klar, dass ich einen Plan erst ausarbeiten konnte, wenn ich ein Bild von der Situation bekam.«
»Und wie lange wird das dauern?«, hakte Rione nach.
»Madam Co-Präsidentin, hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie manchmal sehr anstrengend sein können?«
Sie reagierte mit einem gespielt süßlichen Lächeln. »Danke für das Kompliment, aber wir reden im Moment über Ihren Plan, nicht über mich.«
»Ich werde Sie wissen lassen, wenn es so weit ist. Wir haben noch Zeit zum Nachdenken, und die will ich nicht sinnlos vergeuden.« Er stand auf und nickte Desjani zu. »Wir bleiben auf Kurs zum Sprungpunkt nach Padronis. Ich muss mal ein paar Schritte gehen, um in Ruhe nachzudenken. Wenn Ihnen irgendwas einfällt oder wenn sich da draußen was tut, dann rufen Sie mich.«
»Jawohl, Sir.«
Geary musterte sie argwöhnisch, aber in diesem Fall schien ihr »Jawohl, Sir« nichts anderes zu bedeuten.
Er spazierte durch die Korridore der Dauntless und reagierte fast gedankenverloren, wenn ihm ein Matrose salutierte oder ihn grüßte. Das Grundproblem bestand darin, dass die Syndiks von seinen Taktiken gelernt und sich daran angepasst hatten. Er konnte nicht länger darauf hoffen, dass sie blindlings auf das Zentrum seiner Flotte zuhielten, was ihn in die Lage versetzt hatte, sie mühelos unter Beschuss zu nehmen.
Natürlich gab es Mittel und Wege, die Syndiks zu verwirren und ihnen auszuweichen, aber das würde die Brennstoffzellen seiner Schiffe noch schneller aufbrauchen. Eine Flotte sollte sich nicht in einer solchen Situation wiederfinden, aber wie bei so vielen Dingen, die nicht so sein sollten, wie sie waren, musste er sich auch in diesem Punkt damit abfinden, dass er sich an die realen Umstände halten musste.
Sein Weg führte ihn durch viele Korridore, vorbei an Wohnbereichen und an Höllenspeer-Batterien, aber die Eingebung wollte sich einfach nicht einstellen. Auch hörte er nichts von Desjani, was bedeutete, dass ihr auch keine Lösung in den Sinn gekommen war. Er fand, dass sie in gewisser Weise viel zu sehr darauf baute, Black Jack Geary werde mit der Hilfe der lebenden Sterne schon etwas einfallen, um genau dann ein Kaninchen aus dem Hut zu zaubern, wenn dieses Kaninchen am dringendsten gebraucht wurde.
Schließlich blieb er stehen, orientierte sich kurz und machte sich dann auf den Weg zu jenem Ort, an dem er vielleicht auf weise Worte stoßen würde.
Hier unten, so tief im Inneren der Dauntless wie kein anderes Abteil und ebenso gut geschützt, befanden sich jene kleinen Räume, in denen man Trost und Führung finden konnte. So ganz genau wusste Geary nicht, warum er hergekommen war, doch es konnte nie schaden, wenn die Besatzung den Flottenkommandanten sah, wie der eine angemessene Pietät zur Schau stellte. Dennoch hatte er sich schon immer an allem gestört, was man als öffentliche Zurschaustellung von Anbetung hätte auslegen können. Außerdem konnte so ein Versuch nach hinten losgehen, wenn man in der Flotte den Schluss zog, dass er nicht gläubig, sondern verzweifelt auf der Suche nach einem Ratschlag war. Vor allem, weil da etwas Wahres dran war.
Geary schloss die Tür und setzte sich in einem der winzigen Räume auf die traditionelle Holzbank. Den Blick hielt er auf die flackernde Kerze gerichtet, die er angezündet hatte, um den Geistern seiner Vorfahren Wärme zu spenden. »Soweit ich weiß«, sprach er schließlich laut, »war keiner von euch ein legendärer Befehlshaber des Militärs. Ich weiß noch immer nicht, wie ich eigentlich an diesen Titel geraten bin. Die Chancen stehen hier gegen uns. Die Brennstoffvorräte der Flotte sind so niedrig, dass ich mir keine großen Tricks leisten kann, um die Syndiks in eine Falle zu locken. Außerdem hat sich der Feind sehr genau angesehen, was ich im Gefecht mache, und jetzt versucht er, darauf zu reagieren. Ich fürchte, im besten Fall wird es hier zu einem Gemetzel kommen, aus dem diese Flotte als Sieger, aber auch erheblich dezimiert hervorgehen wird. Im schlimmsten Fall …«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich benötige etwas Neues, etwas Unerwartetes. Das Einzige, was mir einfallen will und was unsere logistische Situation hergibt, ist ein Angriff in der Art, an den sich diese Flotte gewöhnt hat, nämlich mit aller Macht mitten in die Syndik-Flotte hinein. Aber selbst wenn das funktionieren würde, wäre der Preis dafür viel zu hoch. Meine Schlachtkreuzer sind bereits so in Mitleidenschaft gezogen, dass sie ein solches Gegenfeuer nicht überstehen. Außerdem habe ich nicht genug Schlachtschiffe, um einen Schild vor den Schlachtkreuzern aufzubauen.«
Eine Zeitlang saß Geary da und schaute zu, wie die Kerze herunterbrannte. »Zu schade, dass ich nicht einfach ein paar Schlachtschiffe auf die Syndiks hetzen kann, aber selbst die benötigen bei dieser feindlichen Feuerkraft irgendwelche Unterstützung von anderen Schiffen. Die Schlachtkreuzer müssten an ihrer Seite sein, auch wenn es keinen Sinn ergibt, sie in ein solches Wespennest zu schicken. Allerdings habe ich bereits miterlebt, dass die Captains meiner Schlachtkreuzer so etwas entgegen meinen Befehlen dennoch machen, weil sie glauben, dass die Ehre das von ihnen verlangt. Ich muss verhindern, dass die Schlachtkreuzer unmittelbar auf den Feind losstürmen. Ich muss die Syndiks mit meinen Schlachtschiffen treffen. Schließlich muss ich dafür sorgen, dass die Syndiks weiterhin raten müssen, was ich als Nächstes machen werde. Aber wie soll ich das alles gleichzeitig bewerkstelligen, ohne die Schlacht dabei so kompliziert zu machen, dass ich sie nicht länger kontrollieren kann? Bei Cavalos habe ich die Übersicht verloren, und ich konnte zu lange keine Entscheidung treffen, weil das Gefecht zu komplex geworden war. Wenn mir das hier noch mal passiert, könnten die Folgen um einiges schlimmer sein. Ich muss das Ganze aus einer anderen Richtung angehen.«
Eine andere Richtung, aber welche sollte das sein? Welche Vorteile hatte er gegenüber dem Feind? Nicht die Zahl der Schiffe, nicht die Feuerkraft, nicht die Munition und auch nicht der Bestand an Brennstoffzellen. Keine uns freundlich gesinnten Raumbasen, die wir anfliegen könnten. Schiff für Schiff betrachtet, waren die Syndik-Kriegsschiffe in etwa mit denen der Allianz vergleichbar, auch wenn die Syndik-Jäger deutlich kleiner und leistungsschwächer waren als die Zerstörer der Allianz. Aber die Syndiks verfügten üblicherweise über eine überlegene Anzahl an Jägern, weil die kleiner und in der Produktion viel billiger waren. Die Kriegsschiffe der Allianz waren mit erheblich besseren Möglichkeiten zur Schadenskontrolle und Reparatur ausgestattet, aber selbst das kostete Zeit, die irgendwie herausgeholt werden musste, bevor die Syndiks ein schwer beschädigtes Allianz-Schiff erneut beschossen.