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Tatsächlich? »Danke, Captain Desjani. Ich habe jedes Wort so gemeint, wie ich es gesagt habe.« Er fragte sich, ob der Satz wie eine Rechtfertigung geklungen haben mochte.

Desjani schien das wohl so aufgefasst zu haben. »Aber natürlich. Das weiß jeder von uns, und Sie haben es bewiesen. Wir alle haben mehr als genug Erfahrung darin, uns lange Reden anhören zu müssen. Ich hatte dabei immer das Gefühl, wenn die Redner wirklich an das glaubten, was sie uns erzählten, dass sie es auch mit weniger Worten hätten ausdrücken können.«

»Damit könnten Sie recht haben.«

»Damit hat sie sogar recht«, warf Rione überraschend ein.

Ohne sich umzudrehen legte Desjani die Stirn in Falten, dann schaute sie zu Geary und bedeutete allen auf der Brücke, ruhig zu sein.

Er bekam davon kaum etwas mit, da er sich viel zu sehr auf die Bewegungen der feindlichen Flotte konzentrierte, die näher und näher kam. Die Steuersysteme ließen einen empfohlenen Countdown ablaufen, aber Geary verließ sich lieber auf seine Erfahrung und sein Gefühl, das ihm sagte, wann der richtige Moment gekommen war, die Steuerbefehle umzusetzen. Dabei berücksichtigte er auch die Zeit, die erforderlich war, um den Befehl an seine Schiffe zu senden, die das Datenpaket mit den automatischen Manövern alle längst erhalten hatten.

Noch immer ließen die Syndiks keine Änderung ihrer Taktik erkennen. So waren sie bei Cavalos auch vorgegangen. Womöglich war dem Befehlshaber der feindlichen Flotte bekannt, dass Geary in jenem System damit Probleme bekommen hatte. Jedenfalls wandte er die gleiche Strategie an, um Geary bis zur letzten Sekunde zu ärgern.

Noch eine Minute bis zum empfohlenen Beginn der Flugmanöver. Er nahm den Countdown mit einem leichten Stirnrunzeln zur Kenntnis, da der Ablauf seiner Meinung nach zu knapp bemessen war. Er musste das richtig abpassen, auch wenn er die ganze Zeit über keine Ahnung hatte, wie der Syndik-CEO handeln würde. Allerdings hatte er inzwischen oft genug mit den Syndiks gekämpft, um sich auf seinen Instinkt verlassen zu können, wann der richtige Moment gekommen war. Also wartete er ab.

Und wartete.

Zehn Sekunden vor dem empfohlenen Zeitpunkt zuckte sein Daumen wie von selbst gelenkt vor und öffnete die Komm-Leitung. »Formation Indigo zwei, Formation Indigo drei, führen Sie sofort Befehlspaket eins aus.« Er wartete, dann wandte er sich wieder an die Flotte: »Formation Indigo eins, führen Sie sofort Befehlspaket eins aus.« Abermaliges Warten. Sekunden verstrichen, in denen sich der Bug der Dauntless nach oben bewegte. »Formation Indigo vier, Formation Indigo fünf, führen Sie sofort Befehlspaket eins aus.«

Auf dem Display konnte Geary sehen, wie die kleineren Unterformationen unterhalb und oberhalb der Hauptformation ihre Form verloren und in die Hauptformation zu stürzen schienen, die sich ihnen näherte, um sich mit ihnen zusammenzuschließen. Die Kriegsschiffe verließen ihre Position, als sie den Kurs änderten.

Der Syndik-CEO würde das alles mit ein paar Minuten Verzögerung auf seinem Display sehen können, da die Flotten noch immer weit voneinander entfernt waren. Er würde glauben, dass die Allianz-Flotte entweder über die Syndik-Kastenformation hinwegfliegen wollte, um sie von oben unter Beschuss zu nehmen, oder dass sie an der Spitze der Syndik-Flotte vorbeijagen würde. Der CEO wusste, dass ihm nur Minuten blieben, um zu entscheiden, ob er den Kurs seiner Schiffe auch leicht nach oben ausrichten sollte.

Womit er nicht rechnen würde, war eine erneute Kurskorrektur der Allianz-Flotte, um geradewegs auf das Zentrum der Syndik-Flotte zuzuhalten. Das war die Art von kopfloser Attacke, die auf beiden Seiten Einzug gehalten hatte, als zunehmend blutiger werdende Schlachten dafür sorgten, dass die Fähigkeiten in Vergessenheit gerieten, die notwendig waren, um komplexere Manöver zu fliegen. Befehlshaber, die nur diese Methode kannten, wandten auch nur diese Methode an und verließen sich dabei ganz auf den »Kampfgeist«, um die eigene Unterlegenheit und die feindliche Feuerkraft doch noch irgendwie zu überwinden. Mut und Ehre waren die Schlagwörter, die entsetzliche Gemetzel möglich machten, bei denen die eine oder andere Seite irgendwann den Sieg davontrug, dafür aber teuer mit Schiffen und Personal bezahlte.

Geary hatte das nie getan. Er hatte aus einem anderen Jahrhundert das Wissen mitgebracht, wie man komplexe Schlachten in den Weiten des Alls führte. Er wusste noch wie man die Bewegungen verschiedener Formationen auf die Sekunde genau aufeinander abstimmte, auch wenn aufgrund ihrer Entfernung die Kommunikation um Sekunden, Minuten oder sogar Stunden verzögert wurde. Trotz des anfänglichen Widerstands hatte sich die Flotte schließlich seiner Denkweise angeschlossen; zumindest der größte Teil der Flotte. Nur einmal hatte er einen direkten Angriff auf den Feind befohlen, nachdem bei Lakota eine ganze Serie von Manövern die Syndiks so in Verwirrung gestürzt hatte, bis ihre Formation derart weit auseinandergezogen worden war, dass das Zentrum geschwächt und keine Flanken vorhanden waren, die zum Schutz hätten herbeieilen können.

Nein, die Syndiks wussten: Geary eröffnete kein Gefecht damit, dass er seine Schiffe mitten in die feindliche Formation fliegen ließ. Sie wussten, dass von allen verfügbaren Optionen er niemals zu dieser greifen würde.

Und genau deshalb machte er das jetzt.

Die Hauptformation und die beiden oberen Formationen lösten sich weiter auf und verschmolzen zusehends miteinander. Jedes Schiff gab dabei seine relative Position zur Dauntless auf und vollzog eine ganze Serie von Geschwindigkeits- und Vektorenwechseln, während sich der Rumpf mal nach oben und dann wieder nach unten bewegte. Die Hauptantriebseinheiten des Schlachtkreuzers erwachten kurz zum Leben und bremsten das Schiff ab, sodass andere Allianz-Kriegsschiffe auf der Seite in Position gehen konnten, die dem herankommenden Feind am nächsten war.

Unterhalb der Dauntless hatten sich die beiden anderen Unterformationen ebenfalls aufgelöst. Ihre Schiffe stiegen nun auf, um zur Hauptgruppe zu stoßen und dort eine neue Position einzunehmen.

»Bekommen wir das wirklich noch vor dem Kontakt hin?«, wollte Desjani mit tonloser Stimme wissen.

»Ich will es hoffen.«

»Warum glauben Sie, dass die Syndik-Flotte ihren Kurs nach oben ändern wird, um sich Ihrer scheinbaren Flugbahn in den Weg zu stellen?«, fragte Rione.

Gearys Blick war weiter auf die Bewegungen der Schiffe konzentriert, während er antwortete: »Das ist ein natürlicher menschlicher Instinkt. Wenn jemand Anstalten macht, sich vor uns aufzubauen, dann bauen wir uns ebenfalls auf, um auf gleiche Höhe zu gelangen oder um ihn noch zu überragen.« Selbst Menschen, die ausschließlich im All aufgewachsen waren, legten ein solches Verhalten an den Tag, obwohl die Frage danach, wo oben und unten war, nichts weiter als eine Vereinbarungssache ist. Was sich oberhalb der Ebene eines Sternensystems befindet, ist oben, alles darunter ist unten. »Wenn der CEO-Syndik sich von seinem Instinkt leiten lässt, dann haben wir ihn.«

Während die übrigen Schiffe der Flotte abbremsten, schoben sich die Allianz-Schlachtschiffe mit ihren gewaltigen Rümpfen zwischen ihnen hindurch, um eine leichte gewölbte Wand zu bilden, die die Flotte anführte und dabei von Schwärmen aus Zerstörern und Schweren Kreuzern umgeben war.

Rings um die Dauntless gingen weitere Schlachtkreuzer in Stellung, deren Befehlshaber erst jetzt erkannten, dass sie sich ein ganzes Stück hinter den Schlachtschiffen befanden. Geary konnte sich gut die Entrüstung vorstellen, die auf diesen Kreuzern losbrach, aber keiner hatte vor dem Feindkontakt noch genug Zeit, um etwas dagegen zu unternehmen.

Gleich hinter den Schlachtkreuzern fanden sich die vier Hilfsschiffe, die ihrerseits von den vier am schwersten beschädigten Schlachtkreuzern, anderen in Mitleidenschaft gezogenen Kriegsschiffen und allen Schweren Kreuzern vor dem Feind abgeschirmt wurden.