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Nachdenklich trommelte Geary mit den Fingern auf die Armlehne seines Sessels. »Ich nehme an, diese Unruhen werden noch eine Weile anhalten. Aber wir haben keine Zeit zu vergeuden. Lieutenant Iger, ich muss in erster Linie wissen, welche Seite das Gebiet rund um das Arbeitslager kontrolliert, und ich benötige von Ihnen eine möglichst präzise Einschätzung, welche Bedrohungen uns auf dem Planeten erwarten könnten. Ferner muss ich wissen, welche orbitalen und landgestützten Verteidigungsanlagen existieren, die erst noch ausgeschaltet werden müssen, bevor wir da reingehen können.«

»Jawohl, Sir.« Iger salutierte hastig, dann verschwand sein Bild.

Geary tippte auf eine andere Taste, und Colonel Carabali tauchte in dem Fenster auf. »Colonel, ist Ihnen bereits zu Ohren gekommen, was sich derzeit in diesem System und vor allem auf dem dritten Planeten abspielt?«

Carabali nickte. »Nach allem, was ich gehört habe, muss da unten der Teufel los sein, Sir.«

»Richtig. Trotzdem müssen wir die Allianz-Angehörigen aus diesem Arbeitslager befreien. Wir versuchen, derzeit jemanden zu finden, mit dem wir über die Freilassung unserer Leute verhandeln können, aber es spricht vieles dafür, dass auf Ihre Marines eine schwierige Aufgabe wartet.«

»Dafür hat diese Flotte schließlich ihre Marines, Sir. Wir kümmern uns um die schwierigen Aufgaben.« Carabali salutierte. »Ich arbeite einen Plan aus und gehe erst einmal davon aus, dass sich außerhalb des Lagers Unruhen abspielen und dass die Wachen im Lager Widerstand leisten.«

»Danke. Die Flotte wird Ihnen den Weg freimachen, selbst wenn wir das ganze Gebiet rund um das Lager mit Bombenkratern überziehen müssen.«

Desjani seufzte. »Bodenkämpfe, igitt. Mir sind Raumschlachten wirklich lieber.«

»Mir auch, aber hier bleibt uns nichts anderes übrig.« Wieder betrachtete er sein Display. »Kommen Sie, wir teilen die Flotte auf. Wir lassen genug Schiffe hier zurück, die die Schiffe beschützen können, die derzeit repariert werden, der Rest macht sich auf den Weg zum dritten Planeten. Madam Co-Präsidentin, sobald der Geheimdienst jemanden gefunden hat, mit dem Sie über das Arbeitslager und die Kriegsgefangenen reden können, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie die Unterhandlungen beginnen könnten.«

»Ich werde mein Bestes tun«, erwiderte Rione. »Angenommen, wir finden tatsächlich jemanden, der da unten etwas zu sagen hat, und er will nichts von einer Freilassung der Gefangenen wissen – was dann?«

»Dann werden Colonel Carabalis Marines bei dem Lager anklopfen, und dann möchte ich nicht derjenige sein, der versucht, ihnen den Zutritt zu verwehren.«

Gut vierundzwanzig Stunden später war Geary mit den jüngsten Statusberichten der Flotte befasst, als Rione ihn in seinem Quartier aufsuchte. »Es ist uns gelungen, direkten Kontakt mit dem Arbeitslager aufzunehmen. Die Wachen fürchten sich vor uns, und genauso fürchten sie sich vor den Rebellen vor ihrem Lager«, berichtete sie ihm. »Sie sehen in den Gefangenen das einzige As, das sie in der Hand haben, und sie wollen daraus möglichst viel Kapital schlagen. Außerdem fürchten sie sich vor den Syndik-Behörden.«

»Obwohl alles um sie herum zerfällt und die Syndik-Flotte so gut wie ausgelöscht worden ist?«

»Da Leute auf dieser Ebene nichts davon wissen, welche Verluste die Syndik-Flotte hat hinnehmen müssen, ist das für sie ohne Bedeutung. Captain Geary, für sie ist die Gleichung eine ziemlich einfache: Wenn sie sich gegen uns wehren, dann müssen sie womöglich sterben. Wenn sie sich nicht wehren und die Syndiks erlangen die Kontrolle über das System zurück, dann müssen nicht nur sie mit dem Tod rechnen, sondern auch ihre Familien.«

»Also werden sie kämpfen.«

»Das war ihre Aussage.«

Er schaute auf das Display, das über dem Tisch schwebte. »Glauben Sie, wir können sie irgendwie umstimmen? Mit Drohungen? Mit Versprechungen?«

»Ich habe beides versucht«, sagte sie kopfschüttelnd und wirkte müde. »Normalerweise verbringe ich viel Zeit damit herauszufinden, was sich hinter dem verbirgt, das ein Syndik sagt. Meint er es ehrlich, oder will er mir eine Falle stellen? Das einzig Gute an unserer Situation ist, dass ich fest davon überzeugt bin, dass die Wachen die Wahrheit sagen.«

»Aber wie heftig werden sie sich tatsächlich zur Wehr setzen?«, fragte sich Geary. »Wird das ein Alibi-Widerstand oder eine Verbrannte-Erde-Schlacht werden? Oder irgendetwas dazwischen?«

Rione legte nachdenklich die Stirn in Falten. »Mein Instinkt sagt mir, dass es auf jeden Fall deutlich mehr als ein Alibi-Widerstand werden wird. Die Wachen sind in großer Sorge, wie die Syndik-Behörden ihr Verhalten beurteilen werden. Aber auch wenn sie sich jetzt ins Zeug werfen, glaube ich trotzdem nicht, dass sie bereit sind zu sterben.«

»Also irgendwas dazwischen. Danke. Colonel Carabali wird mich in etwa einer Stunde über den Angriffsplan für die Marines informieren. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihr Ihre Beurteilung der Situation mitteilen könnten, damit sie Ihre Einschätzung in die Planung einbeziehen kann.«

»Tut mir leid, dass meine Einschätzung nicht besser ausgefallen ist.« Sie deutete auf das Display. »Irgendwelche erfreulichen Neuigkeiten?«

»Ja, zum Teil. Commander Lommand von der Titan hat mich wissen lassen, dass er zuversichtlich ist, die Incredible weitestgehend instand setzen zu können, damit sie der Flotte folgen kann. Allerdings haben die Ingenieure bei der Begutachtung der Intagliata so schwere strukturelle Mängel festgestellt, dass wir diesen Leichten Kreuzer ebenfalls werden sprengen müssen.«

»Und die Versorgung mit Brennstoffzellen ist nach wie vor kritisch, nehme ich an?«

»Ja. Wenn wir alle Brennstoffzellen von den Hilfsschiffen und von allen Wracks geborgen und verteilt haben, bewegt sich die Flotte im Durchschnitt bei einer Reserve von knapp siebenunddreißig Prozent. Wir werden davon noch etwas verbrauchen, wenn wir in einen Orbit um den dritten Planeten eintauchen und wenn wir danach mit den befreiten Gefangenen den Orbit verlassen. Das heißt, wenn wir Heradao verlassen, werden wir uns irgendwo kurz vor dreißig Prozent bewegen.«

»Können wir mit einer solchen Reserve nach Hause kommen?«, fragte Rione leise.

Geary zuckte mit den Schultern. »Was die vor uns liegende Strecke angeht, ist das kein Problem. Bis nach Varandal sollten wir auch keine weiteren Gefechte mehr austragen müssen.«

»Und falls doch?«

»Dann wird es kritisch werden.«

Sie sah auf das Display. »Es ist meine Pflicht, Sie einmal mehr auf Ihre Optionen für diesen Fall hinzuweisen.«

»Ich weiß.« Er war bemüht, sich nicht über ihre Bemerkung zu ärgern. »Wir können einige Schiffe aufgeben, die Besatzungen umverteilen und die Brennstoffzellen für die verbliebenen Schiffe verwenden. Aber das werde ich nicht machen. Wir sind auf jedes Schiff angewiesen. Die Allianz ist auf jedes Schiff und jeden Matrosen angewiesen.«

»Die Allianz ist auf dieses Schiff angewiesen, Captain Geary. Die Allianz benötigt den Hypernet-Schlüssel, der sich an Bord der Dauntless befindet.«

»Das werde ich niemals vergessen, Madam Co-Präsidentin. Wissen Sie, wir könnten unseren Bestand an Brennstoffzellen auch deutlich schonen, indem wir uns nicht um die Kriegsgefangenen auf dem dritten Planeten kümmern.«

Sie warf ihm einen stechenden Blick zu. »Ich schätze, das habe ich jetzt wohl verdient. Sie wissen, nicht mal ich würde vorschlagen, diese Leute sich selbst zu überlassen. Also gut, Captain Geary, tun Sie, was Sie für das Beste halten, und lassen Sie uns beten, dass die lebenden Sterne uns auch weiterhin bewachen. Ich werde mit Colonel Carabali Kontakt aufnehmen und ihr meinen Eindruck von der Haltung der Syndik-Wachen mitteilen. Und ich werde ihr sagen, dass ich jederzeit zur Verfügung stehe, wenn sie möchte, dass ich mit ihnen nochmals in Verbindung trete.«