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»Und warum sagen die anderen Gefangenen uns dann nicht, was vorgefallen ist? Sie waren alle im gleichen Lager, warum sollen die übrigen Gefangenen dann nicht in der Lage gewesen sein …« Er unterbrach sich und nahm Kontakt mit Colonel Carabali auf. »Colonel, sind Sie im Arbeitslager diesen drei Senioroffizieren der Allianz begegnet?«

Carabali sah vom jüngsten Einsatz mitgenommen aus, ihre Uniform war durchgeschwitzt. Während sie antwortete, straffte sie die Schultern. »Zwei Captains und ein Colonel? Ja. Die kamen uns entgegen, als wir gelandet sind. Ich glaube, wir haben sie mit dem ersten Shuttle rausgeflogen. Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern, dass ich sie nach der Begegnung noch mal gesehen habe. Ich weiß, dass andere Gefangene nach ihnen gesucht haben.« Carabali machte eine kurze Pause. »Allerdings habe ich ihre Quartiere gesehen. Abgesondert von den anderen Unterkünften. Die hatten was von einem Bunker an sich. Vor den Quartieren muss ein Syndik-Posten Wache gehalten haben, aber als wir eintrafen, hatte der bereits die Flucht ergriffen. Es war eigenartig, aber mir blieb keine Zeit, um mich näher damit zu befassen, Sir.«

»Verstanden, Colonel. Vielen Dank.« Geary beugte den Kopf nach vorn und versuchte nachzudenken. »Wie bekommen wir Antworten, Tanya, bevor irgendetwas passiert?«

Sie hatte ebenfalls konzentriert überlegt und lächelte ihn flüchtig an. »Vielleicht sollten wir beide uns unter sechs Augen mit Commander Fensin unterhalten.«

»Fensin?« Er musste daran denken, wie entgegenkommend und hilfsbereit der Mann gewirkt hatte. Und er neigte dazu, das auszusprechen, was ihm gerade durch den Kopf ging. »Das könnte funktionieren, wenn wir Rione dabeihaben, damit sie ihm gut zuredet.«

»Muss das sein? Ach, vermutlich haben Sie recht. Sie können wir gebrauchen, falls er den Mund nicht aufmachen will.«

»Sie hören sich an, als wüssten Sie schon, was los ist«, meinte Geary.

»Ich weiß es nicht, Sir, aber ich fürchte, dass ich es wissen könnte, und wenn Commander Fensin nicht reden will, dann könnte ich in der Lage sein, ihn zum Reden zu bringen.« Sie tippte auf ihr Komm-Pad. »Brücke, stellen Sie fest, wo sich Co-Präsidentin Rione und Commander Fensin aufhalten. Sie sollten zusammen unterwegs sein, vermutlich auf der Krankenstation. Captain Geary und ich müssen sofort mit den beiden im Konferenzraum reden.«

Zögerlich gab der Wachhabende zurück: »Sollen wir Co-Präsidentin Rione den Befehl erteilen, sich in den Konferenzraum zu begeben?«

Desjani warf Geary einen mürrischen Blick zu, während sie antwortete: »Nein, informieren Sie sie, dass Captain Geary dringend darum bittet, mit ihr und Commander Fensin im Konferenzraum zu reden. Das dürfte wohl diplomatisch genug sein.«

Commander Fensin lächelte, als er im Konferenzraum Platz nahm. Rione saß neben ihm und zeigte keine Regung, beobachtete aber ganz genau, wie Desjani die Luke schloss.

Geary kam sofort auf den Grund für die Unterredung zu sprechen. »Commander Fensin, was hat es mit diesen drei Senioroffizieren auf sich, die zu den befreiten Gefangenen gehören?«

Das Lächeln verschwand von den Lippen des Mannes, auf dessen Gesicht sich alle möglichen Gefühlsregungen abzeichneten, ehe er sich in den Griff bekam. »Was soll es mit ihnen auf sich haben?«

»Wir wissen, es gibt Probleme. Welchen Grund haben die drei, sich vor ihren Mitgefangenen zu fürchten?«

»Ich verstehe nicht, was Sie von mir wollen.«

»Vielleicht verstehen Sie ja ein anderes Wort besser«, mischte sich Desjani ein. »Wie wäre es mit ›Verrat‹?«

Fensin saß plötzlich reglos da, dann schaute er Desjani an. »Wie haben Sie davon erfahren?«

»Ich bin Befehlshaberin eines Schlachtkreuzers«, entgegnete sie. »Was genau haben die drei gemacht?«

»Ich habe einen Eid abgelegt …«

»Lange davor haben Sie einen Eid gegenüber der Allianz abgelegt, Commander«, fiel sie ihm ins Wort. »Als Ihr vorgesetzter Offizier erwarte ich, dass Sie einen umfassenden Bericht erstatten.«

Geary wurde bewusst, dass Desjani die Kontrolle über das Verhör an sich gerissen hatte, aber da sie offenbar auf dem besten Weg war, dem Mann Antworten zu entlocken, gab es für ihn keinen Grund zu protestieren.

Ganz im Gegensatz zu Rione. »Ich hätte gerne eine Erklärung für diese Vorgehensweise. Commander Fensin hat seine medizinische Untersuchung noch nicht einmal abgeschlossen.«

»Ich denke«, warf Geary ein, »Sie bekommen eine Erklärung, wenn Commander Fensin Captain Desjanis Fragen beantwortet.«

Fensin hatte Desjani schweigend angesehen, nun sank er in sich zusammen und rieb mit beiden Händen über sein Gesicht. »Mir hat das sowieso nie gefallen. Sollten wir es irgendwie schaffen, aus dem Lager rauszukommen, dann würden alle den Mund halten, bis wir die drei zu fassen bekommen; so lautete die Übereinkunft. Als wären wir eine Gangsterbande und nicht Angehörige des Allianz-Militärs. Je mehr Zeit verstrich, umso überzeugender wurde es aber, so zu verfahren. Wir würden niemals gerettet werden. Wir würden niemals wieder in Freiheit gelangen. Wir würden tun müssen, was getan werden musste, damit Gerechtigkeit geschieht. Uns als wir gerettet wurden, änderten sich die Regeln nicht. Wir waren uns einig, es zu tun, sobald sich die Gelegenheit dazu ergab.«

Rione griff nach Fensins Hand. »Was war geschehen?«

»Was nicht hätte geschehen dürfen.« Fensin starrte das gegenüberliegende Schott an, sein Blick war in die Ferne gerichtet. »Sie haben uns verraten, Vic. Diese drei haben uns verraten.«

»Und wie?«, wollte Geary wissen.

»Es gab einen Plan. Wir wollten ein Versorgungsshuttle der Syndiks kapern, zum Raumhafen fliegen und dort ein Raumschiff in unsere Gewalt bringen. Nur gut zwanzig Leute hätten es schaffen können, aber sie hätten der Allianz jede Menge Informationen mitbringen können. Wer im Lager ist, was wir über die Situation im Syndik-Gebiet wissen und so weiter.« Fensin schüttelte den Kopf. »Vermutlich war es eine völlig verrückte Idee. Die Chancen standen vielleicht eins zu einer Million, wenn überhaupt. Aber einige von uns fanden, dass das immer noch besser war als ein Leben im Arbeitslager. Diese drei Offiziere sagten uns, wir sollten das sein lassen. Wir aber wiesen auf den Befehl der Flotte hin, im Fall einer Gefangennahme jeden erdenklichen Widerstand zu leisten. Also erzählten sie es den Syndiks. Sie sagten, das sei der einzige Weg, um diesen Plan zu verhindern, weil die Syndiks sonst die restlichen Gefangenen dafür büßen lassen würden. Schließlich hätten sie sich einverstanden erklärt, uns in Zaum zu halten, weil die Syndiks dann allen im Gegenzug gewisse Privilegien gewähren würden. Ha! Privilegien! Genug Essen, medizinische Versorgung – also nur das, wozu die Syndiks aus humanitärer Notwendigkeit ohnehin verpflichtet waren!«

Fensin kniff die Augen zu. »Als die Syndiks von dem Plan erfuhren, verhörten sie uns so lange, bis sie zehn Gefangene identifiziert hatten, die das Shuttle entführen wollten. Alle zehn wurden daraufhin erschossen.«

»War das ein einzelner Vorfall?«, fragte Geary. »Oder ein typisches Verhaltensmuster?«

»Es war ein Verhaltensmuster, Sir. Ich könnte den ganzen Tag hier sitzen und ein Beispiel nach dem anderen liefern. Sie machten das, was die Syndiks verlangten, und dann erzählten sie, sie würden das für uns tun. Seid ruhig, verhaltet euch unauffällig, und ihr werdet dafür belohnt. Leistet Widerstand, und die Syndiks werden auf euch einprügeln.«

Desjani machte ein Gesicht, als wollte sie angewidert ausspucken. »Die drei haben sich nur auf einen Aspekt ihrer Mission konzentriert, auf das Wohlergehen ihrer Mitgefangenen. Aber alle übrige Verantwortung haben sie einfach vergessen.«

Fensin nickte bestätigend. »Das ist richtig, Captain. Manchmal konnte ich es sogar fast nachvollziehen. Immerhin waren die drei zusammengerechnet schon mehr als ein Jahrhundert Kriegsgefangene.«