»So was kommt immer noch vor? Ach, natürlich tut es das. Vermutlich gab’s das schon, als die echten persischen Esel Lärm gemacht haben.«
Es war wieder einmal Zeit für eine Flottenkonferenz. Sie waren Geary längst nicht mehr so zuwider wie zu Beginn, aber er hatte auch nicht vergessen, dass einige der virtuell anwesenden Offiziere hinter seinem Rücken Pläne gegen ihn schmiedeten. Allerdings machten die meisten Teilnehmer einen gut gelaunten Eindruck, da nach dem letzten Sieg einer Heimkehr nichts mehr im Weg zu stehen schien.
Bedauerlicherweise würde er mit der neuesten Feststellung des Geheimdienstes dieser guten Laune ein jähes Ende bereiten. »Ich habe Lieutenant Iger vom Geheimdienst gebeten, bei dieser Konferenz anwesend zu sein, damit er Sie alle über etwas unterrichten kann, was er bereits mit mir besprochen hat.« Er deutete auf Iger und setzte sich hin. Da er wusste, was der Lieutenant zu berichten hatte, konzentrierte er sich stattdessen darauf, die Reaktionen der anderen Offiziere zu beobachten.
Die gute Laune verwandelte sich in Unglauben, dann folgte Wut.
Captain Armus fasste die Stimmung als Erster in Worte: »Wie kann sich unser Geheimdienst so völlig irren?«
»Wie Lieutenant Iger bereits erklärt hat«, antwortete Geary, »war diese Reserveflotte so weit vom Allianz-Gebiet entfernt stationiert, dass wir keine Hinweise auf ihre Existenz feststellen konnten.«
»Wieso?«, warf der befehlshabende Offizier der Daring ein. »Das sind sehr viele Schiffe, und ich weiß, dass die Syndiks sie in der Vergangenheit bei vielen Gelegenheiten hätten einsetzen können. Warum halten sie sie so weit weg in einem entlegenen System an der gegenüberliegenden Grenze zurück?«
»Über die Gründe können wir nur spekulieren«, erwiderte Geary. Genau genommen war das auch die Wahrheit, denn alles, was die Aliens auf jener Seite des Syndik-Systems anging, war die reine Spekulation. »Tatsache ist, dass sich die Flotte dort aufhielt, und jetzt sieht es so aus, dass sie den Befehl erhalten hat, uns zu stoppen.«
»Und wo ist die Flotte jetzt?«, wandte sich der Befehlshaber der Dragon an Iger.
»Wir glauben, dass sie sich in einem System aufhält, das ein oder zwei Sprünge von Heradao entfernt ist.«
Geary vergrößerte das Sternendisplay, um diese Region anzeigen zu lassen. »Als wir Heradao erreicht hatten, da haben Captain Desjani und ich uns gewundert, warum die hier wartende Syndik-Flotte uns den Weg nach Kalixa freihält. Wären wir nach Kalixa geflogen, dann wären sie uns gefolgt, und wir hätten uns zwischen ihnen und der Reserveflotte wiedergefunden.«
»Ein typischer Syndik-Trick«, meinte Captain Badaya. »Wie lange werden die bei Kalixa auf uns warten?«
Desjani zeigte auf das Display. »Nachdem wir die Flotte hier geschlagen hatten, hat sich ein Syndik-Jäger sofort auf den Weg nach Kalixa gemacht. Ein weiterer Jäger wartet in der Nähe des Sprungpunkts, um zu sehen, welche Richtung wir einschlagen. Und natürlich warten zwei weitere Jäger nahe dem Sprungpunkt nach Padronis.«
Nachdem er sich das Display genauer angesehen hatte, nickte Badaya. »Atalia. Sie erfahren es, wenn wir nach Padronis springen. Sie wissen, dass wir von Padronis nicht nach Kalixa kommen, also werden sie Kurs auf Atalia nehmen und versuchen, uns dort zu stoppen, weil wir den Sprung in dieses System machen müssen.«
»Eine gute Einschätzung«, stimmte Geary zu. »Zu diesem Schluss sind Lieutenant Iger und ich auch gekommen.«
»Wir scheinen hier über einige grobe Fehlleistungen hinwegzusehen«, wandte Captain Kila in einem sanften Tonfall ein, der im Widerspruch zu ihren Worten stand. »Jemand hat eine Syndik-Flotte übersehen, die unter anderem aus zwanzig Schlachtschiffen und zwanzig Schlachtkreuzern besteht?« Lieutenant Iger, der sich sichtlich unbehaglich fühlte, setzte zu einer Erwiderung an, aber sie redete weiter: »Nein, Lieutenant, ich will mir keine Ausflüchte anhören. Wären Sie ein Frontoffizier, dann würde man Sie jetzt wegen Pflichtverletzung vom Dienst …«
»Captain Kila.« Gearys Tonfall ließ Kila abrupt innehalten. »Lieutenant Iger dient unter mir, nicht unter Ihnen. Ohne seine Anstrengungen und die seiner Untergebenen wüssten wir jetzt noch immer nicht, dass diese Flotte existiert.«
Kila drehte sich zu ihm um. »Nur damit es keine Missverständnisse gibt, Captain Geary. Sie halten es nicht für richtig, Leute für ihr Fehlverhalten zur Verantwortung zu ziehen?«
Ihr Tonfall ließ ihn die Beherrschung verlieren. »Würde ich das machen, Captain Kila, dann würde ich Sie wegen des Verlustes des Schlachtkreuzers Opportune zur Verantwortung ziehen.«
Totenstille machte sich breit.
Aus dem Augenwinkel bemerkte Geary Desjanis warnenden Blick. Er wusste sofort, was sie am liebsten laut ausgesprochen hätte: Sie können keinem Offizier dieser Flotte einen Vorwurf daraus machen, dass er zu aggressiv handelt. Keiner Ihrer Offiziere wird das akzeptieren – auch jetzt noch nicht.
Kila schien noch nach der passenden Erwiderung zu suchen, doch bevor sie etwas sagen konnte, ging Captain Caligo dazwischen: »Wir müssen uns auf das konzentrieren, was vor uns liegt, nicht auf die Vergangenheit. Nicht die Kameraden sind unsere Feinde, sondern die Syndiks.«
Die Bemerkung sagte eigentlich etwas ganz Selbstverständliches aus, aber sie bewirkte, dass die Anspannung sich legte.
»Caligo hat recht«, erklärte der Captain der Warspite. »Es ist völlig egal, woher diese Reserveflotte kommt. Tatsache ist, dass wir bei Atalia auf sie treffen werden, und das ist das Einzige, was mich interessiert.«
Geary atmete tief durch. »Ganz genau. Bevor wir von Padronis nach Atalia springen, werden wir unsere endgültige Gefechtsformation einnehmen. Im schlimmsten Fall müssen wir bei Verlassen des Sprungraums sofort kämpfen, aber es sieht so aus, als hätten die Syndiks diese Taktik aufgegeben. Sobald wir Gelegenheit hatten, ihre Position und Formation zu analysieren, werden wir vorrücken und ihnen wehtun.«
»Der Bestand unserer Brennstoffzellen wird sehr niedrig sein«, gab Tulev zu bedenken. »Der Verlust der Goblin ließ sich nicht verhindern, aber das hat die Lage nur noch ernster gemacht.«
»Ich weiß. Das bedeutet, dass wir dieser logistischen Problematik zum Trotz gewinnen müssen.« Das mochten zwar anfeuernde Worte sein, aber letztlich waren sie völlig nutzlos. Dennoch wollte ihm nichts Besseres einfallen.
»Wir sind besser als die Syndiks«, meldete sich Desjani zu Wort. »Wir können härter und klüger kämpfen als sie.« Einzelnen Offizieren ringsum am Tisch schienen diese Aussagen Mut zu machen, und Badaya nickte ihr zustimmend zu, auch wenn Desjani das nicht zu bemerken schien. Kila sah sie verächtlich an, doch das ignorierte sie ebenso. »Wir werden wieder gewinnen, weil diese Flotte einen Befehlshaber hat, mit dem es kein Syndik aufnehmen kann.«
Das kam ausgesprochen gut an und entlockte sogar Tulev ein flüchtiges Grinsen. »Ich kann Captain Desjani nicht widersprechen. Ich habe vollstes Vertrauen in Captain Geary. Seine bisherige Bilanz im Kampf gegen den Feind spricht Bände.«
»Vielen Dank«, sagte Geary. »Nun wissen Sie alle, was uns erwartet. Wir werden uns diese Syndik-Flotte vornehmen, wie wir es mit all ihren Vorgängern auch gemacht haben. Ich halte die Chancen, dass die Reserveflotte schon bei Padronis auf uns wartet, für sehr gering, dennoch werden wir auch gefechtsbereit sein, wenn wir dort eintreffen. Bei Padronis sehe ich Sie alle wieder.«
Als alle virtuellen Teilnehmer verschwunden und Lieutenant Iger erleichtert über das Ende der Konferenz aus dem Raum gestürmt war, wandte sich Geary zu Desjani um und zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Tut mir leid. Ich weiß, bei Kila ist mein Temperament mit mir durchgegangen.«