Auf dem Display waren die beiden Zerstörer zu sehen, die hilflos durchs All trieben. »Wie lange kann die Notversorgung die Lebenserhaltungssysteme versorgen?«, wollte Geary wissen.
»Zwölf Stunden«, antwortete Desjani sofort. »Ich dachte mir bereits, dass wir das würden wissen wollen. Bis dahin sollte dieses Gefecht beendet sein.«
»Ganz bestimmt.« Er befahl seinen Schiffen zu wenden. Dabei konnte er beobachten, wie eine wachsende Zahl an Zerstörern und Leichten Kreuzern auf ihrer bisherigen Flugbahn aus der Formation davontrieb. Sie hatten keine Energie mehr, um zu manövrieren.
Er spürte, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren, und er musste gar nicht erst auf die Statusanzeige schauen, weil er auch so wusste, wie es um den Bestand an Brennstoffzellen auf seinen Schiffen bestellt war. Die zahlenmäßige Überlegenheit der Allianz-Flotte würde schon bald keine Rolle mehr spielen, weil dann fast alle Schiffe reglos im All treiben würden.
Die Syndiks befanden sich jetzt zwischen den Schlachtkreuzern und den Schlachtschiffen der Allianz, die Schlachtkreuzer wiederum hielten sich zwischen der Syndik-Flotte und dem Hypernet-Portal auf. Trotzdem nahmen die Syndiks keine größere Kursänderung vor, sondern versuchten nur, die Kastenformation wiederherzustellen, nachdem deren eine Seite zerschmettert worden war.
»Denen muss klar sein, dass uns die Brennstoffzellen ausgehen«, murmelte Desjani.
»Bislang haben sie nur gesehen, dass die Eskortschiffe keine Energie mehr haben. Wir müssen sie in dem Glauben lassen, dass unsere großen Schiffe damit noch lange kein Problem haben.« Geary betätigte seine Kontrollen. »Formation Indigo eins, drehen Sie sofort nach links eins neun null Grad, nach oben eins zwei Grad, und beschleunigen Sie auf 0,6 Licht.« Die Struktur der Dauntless ächzte, als das Schiff das geforderte Manöver auf so engem Raum ausführte, wie es die Trägheitskompensatoren aushielten. Ringsum folgten die verbliebenen Schlachtkreuzer ihrem Beispiel und richteten sich auf die Seite der Syndik-Kastenformation aus, die noch immer Lücken aufwies. »Konzentrieren Sie das Feuer auf die vorderen Syndik-Schiffe!«
Sie jagten am Rand der Formation vorbei, und wieder schauderte die Dauntless bei den Treffern, die die Syndiks landeten. »Die Valiant meldet schwere Schäden, die Daring hat bis auf Höllenspeer-Batterie Bravo und den Null-Feld-Generator alle Waffen verloren. Die Implacable hat die Antriebs- und Steuerkontrolle verloren.«
Geary blickte weiter aufmerksam auf sein Display, das die Ergebnisse der jüngsten Salve anzeigte. Eines der überlebenden Syndik-Schlachtschiffe war in einen Trümmerhaufen verwandelt worden, und der einzelne Schlachtkreuzer am Rand der Formation existierte ebenfalls nicht mehr.
Die Allianz-Schlachtschiffe drehten bei, und auf Gearys Display leuchteten immer mehr Warnungen auf, was den Bestand an Brennstoffzellen auf seinen Schiffen betraf. Doch sie erweckten von außen den Eindruck, als wären sie unverändert bereit, wieder und wieder auf die Syndiks einzuschlagen. Die Allianz-Schlachtkreuzer, die sich jetzt auf der gleichen Seite der Syndiks befanden wie die Schlachtschiff-Formation, näherten sich weiter diesen Schlachtschiffen, während mehr und mehr Leichte Kreuzer und Zerstörer hinter ihnen zurückfielen, weil sich ihre Hauptantriebe nach und nach abschalteten. Die Dreadnaught, die Dependable und die Intemperate waren nur zwei Lichtminuten entfernt, aber auch wenn sie noch über genügend Energiereserven verfügten, hatten sie bei den vorangegangenen Gefechten mit den Syndiks schwer gelitten.
Abermals blinkte ein Warnlicht auf seinem Display auf. »Allianz-Schiffe am Sprungpunkt von Atalia. Wir können soeben sehen, dass die Illustrious-Eingreiftruppe eingetroffen ist.« Er sah zu den Syndiks und wartete darauf, wie sie reagieren würden.
Die drehten sich ein kleines Stück weit nach rechts und beschleunigten, während die beschädigten Schiffe zurückblieben und Rettungskapseln ausstießen. »Sie ergreifen die Flucht.« Desjani grinste ihn an. »Sie haben die Schiffe gesehen, die die Illustrious begleiten, aber sie haben nicht überprüft, in welchem Zustand die sich befinden. Sie haben nur weitere Allianz-Schiffe eintreffen gesehen, und da wir ihnen den Weg zum Hypernet-Portal versperren und so aussehen, als hätten wir den längeren Atem, treten sie die Flucht an.«
Geary konnte nicht glauben, dass das wahr sein sollte, und ließ das Display nicht aus den Augen. Jeden Moment rechnete er damit, dass sie doch noch umkehrten. Doch die entfernten sich immer weiter und beschleunigten, so schnell sie konnten. Sieben Syndik-Schlachtschiffe und zwei Schlachtkreuzer mitsamt den überlebenden Eskortschiffen rasten wie vom Teufel besessen in Richtung Sprungpunkt nach Atalia davon.
»Das Zehnte Leichte Kreuzergeschwader und das Dritte Zerstörergeschwader melden, dass die Brennstoffzellen aufgebraucht sind. Das Gleiche gilt für den Schweren Kreuzer Camail.«
Plötzlich begann Desjani schallend zu lachen, Geary sah sie verwundert an.
Sie zeigte auf die Anzeige für die Brennstoffzellen ihres eigenen Schiffs, die zwischen ein und zwei Prozent schwankte. Genauso plötzlich verstummte Desjani, schien ihm um den Hals fallen zu wollen, hielt sich aber davon ab und ballte stattdessen eine Faust, um Geary gegen die Schulter zu boxen. »Sie haben’s geschafft! Bei den lebenden Sternen, Sie haben’s geschafft!«
»Wir haben es geschafft«, berichtigte er sie und rieb sich die Schulter. Mit einem Mal fühlte er sich versucht, ebenfalls in hysterisches Gelächter auszubrechen. »Jeder in dieser Flotte hat es geschafft.« Er hörte, dass überall auf der Dauntless Jubel zu hören war. Die Crew feierte die Heimkehr.
Einen Moment lang merkte Geary, wie sich wieder die Erinnerungen an die letzten Minuten der Merlon regten. Er hatte den Schweren Kreuzer nicht retten können, und es war ihm auch nicht gelungen, dessen Besatzung nach Hause zu bringen. Ganz gleich, was alle anderen über die Schlacht bei Grendel sagten, ihm war es immer so vorgekommen, als habe er versagt. Aber diesmal nicht.
»Sir?«, fragte Desjani, die immer noch grinste, ihn aber ein wenig rätselnd ansah. »Stimmt etwas nicht?«
Er erwiderte ihr Lächeln. »Nein, Tanya, es ist alles in Ordnung. Ich musste nur gerade an etwas denken.« Etwas sagte ihm, dass die Rückblenden an die letzten Augenblicke an Bord der Merlon ihn zwar vermutlich niemals loslassen würden, doch er wusste: Sie würden nie wieder so schmerzhaft sein.
»Captain«, meldete der Ablauf-Wachhabende. »Drei Schnelle Transporter mit Bauplattformen im Schlepp fliegen zum Hypernet-Portal.«
Desjani wurde ernst und atmete tief durch. »Captain Cresidas Sicherheitsvorrichtung wird installiert. Mögen Ihre Vorfahren Sie mit den Ehren willkommen heißen, die Sie verdient haben, Jaylen. Grüßen Sie Roge von mir.«
»Ihr Ehemann?«, fragte Geary, der Mühe hatte, sich nicht von seinen Gefühlen überwältigen zu lassen.
»Ja. Seit er tot ist, hat sie immer gesagt, dass er auf sie wartet.« Mit einer schroffen Geste wischte Desjani sich über ein Auge und drehte sich zu ihren Wachhabenden um. »Beginnen Sie mit maximalen Energiesparmaßnahmen, bis wir neue Brennstoffzellen bekommen.«
Durch ihren Befehl fühlte sich Geary an seine eigenen Aufgaben erinnert. Er wandte sich ab und betätigte verschiedene Tasten. »An alle Einheiten der Allianz-Flotte: Verringern Sie Ihre Geschwindigkeit so weit wie möglich, ohne dabei die Brennstoffreserven unter ein Prozent sinken zu lassen.« Dann wechselte er auf einen anderen Kanaclass="underline" »An alle Allianz-Einrichtungen im Varandal-System, hier spricht Captain John Geary, Befehlshaber der Allianz-Flotte. Die Schiffe dieser Flotte verfügen über extrem niedrige Bestände an Brennstoffzellen. Einige Schiffe mussten sogar bereits abgeschaltet werden. Ich bitte darum, dass mit höchster Priorität alle verfügbaren Kräfte mobilisiert werden, um die Schiffe mit neuen Brennstoffzellen zu versorgen. Auf die Ehre unserer Vorfahren. Geary Ende.«