Bert und Tom gingen zum Bierfass, William setzte wieder seinen Krug an. Da nahm Bilbo seinen Mut zusammen und steckte seine kleine Hand in Williams geräumige Hosentasche. Eine Geldbörse war darin, für Bilbo so groß wie ein Sack. »Ha!«, dachte er, als er sie sachte herauslupfte, und war erstmals bereit, sich für seinen neuen Beruf zu erwärmen. »Das fängt ja gut an!«
Aber es war nur der Anfang. Trollbörsen sind tückisch, und diese war keine Ausnahme. »He, wer bist du?«, quiekte sie, als sie aus der Tasche herauskam, und William fuhr herum und packte Bilbo beim Kragen, ehe der hinter dem Baum verschwinden konnte.
»Rotz und Reiher, Bert, guck mal, was ich hier geschnappt hab!«, sagte William.
»Was ist denn das?«, fragten die beiden andern und traten näher.
»Wie soll ich das wissen? He, was bist du für einer?«
»Bilbo Beutlin, ein Taschen… ein Hobbit«, sagte der arme Bilbo am ganzen Leibe zitternd. Verzweifelt überlegte er, wie er jetzt noch Eulenrufe zustande bringen sollte, bevor die Kerle ihn erwürgten.
»Ein Taschenhobbit?«, sagten die drei, etwas ratlos. Trolle sind schwer von Begriff und äußerst misstrauisch gegen alles, was ihnen neu ist.
»Auch wenn du ein Taschenhobbit bist, hast du trotzdem in meiner Tasche nichts zu suchen!«, sagte William.
»Ob man ihn braten kann?«, sagte Tom.
»Mal versuchen«, sagte Bert und hob einen Bratspieß auf.
»Der gibt doch bloß einen Happen«, sagte William, der schon eine kräftige Mahlzeit verdrückt hatte. »Mehr bleibt da nicht, ohne Haut und Knochen.«
»Vielleicht sind noch mehr von derselben Sorte hier in der Nähe, dann könnten wir eine Pastete machen«, sagte Bert. »He, du, hoppeln hier im Wald noch mehr solche wie du herum, du freches Karnickel?«, sagte er mit einem Blick auf die pelzigen Füße des Hobbits. Er packte ihn bei den Zehen und schüttelte ihn.
»Ja, scharenweise«, sagte Bilbo, bevor ihm einfiel, dass er ja seine Freunde nicht verraten durfte. »Nein, nicht einer«, verbesserte er sich sofort.
»Was soll das heißen?«, sagte Bert und hob ihn hoch in die Luft, dieses Mal bei den Haaren.
»Was ich gesagt hab«, sagte Bilbo keuchend. »Und bitte, braten Sie mich nicht, meine Herren! Ich bin selbst ein erfahrener Koch und würde mich nie braten. Ich brate Ihnen herrliche Sachen, aber meinerseits gebraten tauge ich nichts. Wenn Sie mich beim Abendessen übrig lassen, mache ich Ihnen ein wundervolles Frühstück.«
»Armer kleiner Käfer!«, sagte William. Er war mehr als satt, außerdem auch voller Bier. »Lass den armen Käfer doch laufen!«
»Erst soll er uns sagen, was scharenweise nicht einer heißen soll«, sagte Bert. »Ich möchte nicht morgen mit durchgeschnittener Kehle aufwachen! Halten wir ihm mal die Zehen ins Feuer, bis er redet!«
»Kommt nicht in Frage!«, sagte William. »Ich hab ihn doch gefangen.«
»Du bist ein doofer Fettwanst, William!«, sagte Bert. »Wie ich heute Abend schon mal gesagt habe.«
»Und du bist ein Schnösel!«
»Ich lass mich von dir nicht Schnösel nennen, Bill Huggins«, sagte Bert und drosch William die Faust aufs Auge.
Gleich darauf waren sie ein Knäuel. Bilbo war im Kopf gerade noch klar genug, um sich außer Reichweite ihrer Füße zu retten, als Bert ihn zu Boden fallen ließ, bevor die beiden wie bissige Hunde aufeinander losgingen. Sie erhoben die Stimmen bis zu einer ungeahnten Lautstärke und bedachten einander mit jederlei ehrenrührigen und vollkommen zutreffenden Ausdrücken, und gleich darauf hatten sie sich umklammert, rollten würgend, schlagend und tretend beinah ins Feuer, während Tom mit einem Ast auf sie einhieb, um sie wieder zur Vernunft zu bringen – vergeblich, denn damit machte er sie nur noch wilder.
Nun hätte Bilbo Zeit gehabt, zu verschwinden. Aber sein kleiner Fuß war in Berts Pranke arg gequetscht worden, er bekam keine Luft mehr, und der Kopf schwamm ihm; darum blieb er eine Weile japsend liegen, knapp außerhalb des Feuerscheins.
Mitten in den Kampf hinein platzte Balin. Die Zwerge hatten aus einiger Entfernung den Lärm gehört, und nachdem sie noch eine Weile gewartet hatten, ob Bilbo wiederkam oder die Eulenrufe hören ließ, waren sie einer nach dem andern und so leise wie möglich auf das Licht zugekrochen. Kaum hatte Tom gesehen, wie Balin ins Licht trat, als er auch schon fürchterlich aufbrüllte. Schon der Anblick eines (ungebratenen) Zwergs ist für Trolle schlicht unerträglich. Bert und Bill stellten sofort die Kampfhandlungen ein und riefen: »Schnell, Tom, einen Sack!« Ehe Balin, der in diesem Durcheinander nach Bilbo suchte, wusste, wie ihm geschah, hatten sie ihm einen Sack über den Kopf gestülpt, und er lag am Boden.
»Da kommen noch mehr«, sagte Tom, »oder ich irre mich total. Scharenweise nicht einer, na klar! Keine Taschenhobbits, aber scharenweise solche Zwerge wie der hier. So sieht’s aus!«
»Schätze, du hast recht«, sagte Bert, »und wir gehn am besten mal ein bisschen aus dem Lichtschein.«
Und so machten sie’s. Mit Säcken in der Hand, in denen sie sonst Schafe und anderes Plündergut wegschleppten, warteten sie im Dunkeln. Ein Zwerg nach dem andern kam heran, blickte zum Feuer, sah verdutzt die umgestoßenen Bierkrüge und angebissenen Hammelkeulen, und popp! hatte er einen dreckigen, stinkenden Sack überm Kopf und lag am Boden. Bald lagen sie alle da, Balin neben Dwalin, Fili und Kili Seite an Seite, Dori, Nori und Ori auf einem Haufen, Oin und Gloin, Bifur, Bofur und Bombur unangenehm dicht am Feuer übereinandergestapelt.
»Denen werd ich’s zeigen!«, sagte Tom, denn mit Bifur und Bombur hatte er viel Mühe gehabt; die beiden hatten um sich geschlagen wie Verrückte – oder wie Zwerge, wenn man sie in die Enge treibt.
Thorin kam als Letzter – und er ließ sich nicht überrumpeln. Er ahnte Böses und musste nicht erst die Füße seiner Gefährten aus den Säcken herausgucken sehen, um zu begreifen, dass nicht alles zum Besten stand. Er blieb ein Stück weit vom Feuer im Schatten stehen und sagte: »Was geht hier vor? Wer hat sich erlaubt, meine Leute zu misshandeln?«
»Das waren die Trolle«, sagte Bilbo, der hinter einem Baum stand. Ihn hatten sie ganz vergessen. »Sie stehen im Gebüsch versteckt mit Säcken.«
»So, Trolle?«, sagte Thorin und sprang ans Feuer, bevor sie sich auf ihn stürzen konnten. Er griff sich einen großen Ast, der am einen Ende brannte, und dieses Ende bekam Bert ins Auge, der nicht rechtzeitig beiseite sprang. Damit war Bert für eine Weile außer Gefecht. Auch Bilbo tat sein Bestes. Er packte Tom am Bein – so gut er konnte, denn es war dick wie ein junger Baum –, wurde aber in hohem Bogen ins Gebüsch weggeschleudert, als Tom in die Glut trat, um Thorin die Funken ins Gesicht zu jagen.
Dafür bekam Tom den Ast in die Zähne gerammt und verlor einen der vorderen. Ich kann euch sagen, der hat gebrüllt! Aber genau in dem Moment tauchte William hinter Thorin auf, streifte ihm einen Sack über den Kopf und runter bis zu den Zehen. Damit war der Kampf zu Ende. Und nun war guter Rat teuer: Alle dreizehn Zwerge lagen fest verschnürt in den Säcken, und bei ihnen saßen drei wütende Trolle (zwei davon mit ansehnlichen Beulen und Brandwunden), die nun zu streiten anfingen, ob sie die Gefangenen langsam rösten, kleingehackt kochen oder aber, indem man sich der Reihe nach auf sie draufsetzte, zu Sülze zerdrücken und marinieren sollte; während Bilbo mit zerfetzten Kleidern und aufgeschürfter Haut hoch in einem Busch hing und sich nicht zu rühren wagte, aus Angst, sie könnten ihn hören.
Und dann war plötzlich Gandalf wieder da. Aber niemand sah ihn. Die Trolle hatten gerade beschlossen, die Zwerge jetzt zu braten und später kalt zu verzehren – das war Berts Idee gewesen, und nach langem Streit hatten sie sich schließlich darauf geeinigt.
»Keinen Sinn, sie jetzt zu braten, dauert ja die ganze Nacht«, sagte eine Stimme. Bert dachte, es sei William.