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Aber noch schneller als die Zwerge können die Orks laufen, und diese Orks kannten die Wege besser (sie hatten die Stollen ja selbst angelegt), und eine Stinkwut hatten sie außerdem. So konnten die Zwerge sich noch so sehr beeilen, das Brüllen und Johlen kam immer näher. Bald hörten sie das Tapsen der Orkfüße, vieler, vieler Füße, die jeden Augenblick um die nächste Ecke kommen konnten. Hinter ihnen im Tunnel war schon ein roter Fackelschein zu sehen; und sie wurden allmählich todmüde.

»Ach, warum bin ich nur nicht in meiner Hobbithöhle geblieben!«, sagte der arme Herr Beutlin, als er auf Bomburs Rücken durchgeschüttelt wurde.

»Ach, warum habe ich nur so einen elenden kleinen Hobbit auf eine Schatzsuche mitgenommen!«, sagte der arme dicke Bombur und schleppte sich weiter, während ihm vor Angst und Hitze der Schweiß von der Nase tropfte.

Nun ließ sich Gandalf hinter die anderen zurückfallen und Thorin mit ihm. Sie kamen um eine scharfe Biegung. »Kehrt!«, rief Gandalf. »Zieh dein Schwert, Thorin!«

Es war das Einzige, was sie tun konnten, und den Orks kam es höchst ungelegen. Sie kamen in vollem Lauf mit Gebrüll um die Ecke gebraust, und plötzlich blitzten Orkspalter und Feindhammer kalt und hell vor ihren verblüfften Augen. Die vordersten ließen die Fackeln fallen und brachten gerade noch einen Schrei heraus, ehe sie tot waren. Die nächsten schrien noch lauter und sprangen zurück und rissen die anderen um, die hinter ihnen kamen. »Beißer und Schläger!«, brüllten sie, und bald waren sie nur noch ein wirrer Haufen, in dem die meisten es eilig hatten, dahin zurückzufinden, wo sie hergekommen waren.

Es dauerte eine ganze Weile, bis einer von ihnen sich wieder um diese Biegung wagte. Inzwischen waren die Zwerge ein gutes Stück weiter in die dunklen Stollen des Orkreiches hineingelaufen. Als die Orks das bemerkten, löschten sie ihre Fackeln, zogen weiche Schuhe an und schickten ihre schnellsten Läufer mit den schärfsten Ohren und Augen hinter den Flüchtenden her. Flink wie die Wiesel rannten sie durch die Dunkelheit, fast lautlos wie Fledermäuse.

Und darum hörte niemand sie kommen, weder Bilbo noch die Zwerge und nicht einmal Gandalf. Und sehen konnten sie ihre Verfolger auch nicht. Wohl aber konnten die Orks, die leise von hinten herankamen, sie sehen, denn Gandalf ließ seinen Stab ein blasses Licht ausstrahlen, damit die Zwerge den Weg sahen.

Ganz plötzlich wurde Dori, der nun wieder Bilbo trug und hinter den andern herlief, im Dunkeln von hinten gepackt. Er schrie auf und stürzte; und der Hobbit rollte ihm von der Schulter in die Schwärze hinein, prallte mit dem Kopf gegen hartes Gestein und wusste von nichts mehr.

V

Rätsel im Dunkeln

Als Bilbo die Augen aufschlug, wusste er nicht, ob er sie nun wirklich offen hatte, denn es blieb ebenso dunkel, wie wenn sie zu waren. Niemand schien in der Nähe zu sein. Stellt euch sein Entsetzen vor! Er konnte nichts hören, nichts sehen, und außer den Steinen am Boden konnte er auch nichts fühlen.

Ganz langsam rappelte er sich auf und tappte auf allen vieren umher, bis er die Stollenwand berührte; aber weder dort noch am Boden fand er irgendetwas: nichts, keine Spur von den Orks, keine Spur von den Zwergen. Ihn schwindelte; selbst der Richtung, in die sie gelaufen waren, als er stürzte, war er sich alles andere als sicher. Er entschied sich auf gut Glück für irgendeine und kroch ein ganzes Stück weit dahin, bis seine Hand am Boden plötzlich auf etwas traf, das sich wie ein kleiner Ring aus kaltem Metall anfühlte. Das war ein Wendepunkt in seinem Leben, aber er wusste es nicht. Ohne sich viel dabei zu denken, steckte er den Ring in die Tasche; gewiss konnte er damit im Augenblick nichts anfangen. Er kroch nicht viel weiter, sondern setzte sich auf den kalten Boden und überließ sich eine ganze Weile seinem trostlosen Elend. Er stellte sich vor, wie es wäre, jetzt zu Hause in seiner Küche zu sitzen und sich ein paar Eier mit Schinken zu braten – denn sein Magen erinnerte ihn daran, dass es höchste Zeit wurde, etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Davon wurde ihm noch elender.

Er konnte sich nicht vorstellen, was er jetzt tun sollte, und ebenso wenig, was passiert war, warum man ihn zurückgelassen hatte oder warum ihn, wenn man ihn schon zurückgelassen hatte, die Orks nicht erwischt hatten; und auch, warum ihm der Kopf so wehtat, wusste er nicht. Die Wahrheit war, dass er längere Zeit still in einer sehr dunklen Ecke gelegen hatte: aus den Augen, aus dem Sinn.

Nach einer Weile tastete er nach seiner Pfeife. Sie war noch heiclass="underline" schon mal etwas! Er tastete nach dem Tabaksbeutel, und es war noch genug drin: immer besser! Dann suchte er nach den Streichhölzern und fand keines; damit wurden alle seine Hoffnungen zunichte. Aber das war sein Glück, wie er bereitwillig zugab, als er wieder zur Besinnung kam, denn wer weiß, was ihm aus den dunklen Löchern an diesem unfreundlichen Ort womöglich zu Leibe gerückt wäre, hätte er ein Streichholz angezündet und Tabakrauch verbreitet! Trotzdem, für den Augenblick war es niederschmetternd. Aber als er alle seine Taschen durchwühlte und überall nach den Streichhölzern tastete, war seine Hand auch auf das Heft seines kleinen Schwertes gestoßen, das er von den Trollen mitgenommen und inzwischen so gut wie vergessen hatte. Zum Glück hatten auch die Orks es nicht bemerkt, denn er trug es unter dem Hosenbund.

Jetzt zog er es heraus. Es schimmerte fahl und schwach vor seinen Augen. »Also ist das auch eine Elbenklinge«, dachte er; »und die Orks sind nicht allzu nah, aber auch nicht allzu weit weg.«

Aber irgendwie beruhigte es ihn. Es war doch etwas Erhebendes, eine Waffe zu tragen, die in Gondolin für die vielbesungenen Orkkriege geschmiedet worden war; außerdem hatte er bemerkt, dass solche Waffen auf die Orks, die sich ihnen plötzlich gegenübersahen, einen starken Eindruck machten.

»Zurückgehen?«, dachte er. »Nützt gar nichts. Zur Seite? Unmöglich. Vorwärts? Das einzig Mögliche. Also los!« Er stand auf und trabte vorwärts, sein kleines Schwert vor sich haltend und mit der einen Hand die Wand entlangstreifend, und sein Herz klopfte gewaltig.

Nun war Bilbo gewiss in Nöten. Aber ihr müsst bedenken, dass die Lage für ihn nicht ganz so schlimm war, wie sie es für euch oder für mich gewesen wäre. Hobbits sind nicht ganz so wie gewöhnliche Menschen; und wenn auch ihre Höhlen freundliche, gut gelüftete Behausungen sind, sehr verschieden von den Stollen der Orks, sind die Hobbits doch an das Leben in unterirdischen Gängen besser gewöhnt als wir. Sie verirren sich dort nicht so leicht – oder finden die gesuchte Richtung wieder, wenn ihr Kopf sich von der Wirkung eines Aufpralls erholt hat. Außerdem können sie sich sehr leise bewegen und gut verstecken, Schrammen und Verletzungen von einem Sturz heilen bei ihnen fabelhaft schnell, und sie haben einen Schatz an Spruchweisheiten, von denen die meisten Menschen nie gehört oder die sie längst vergessen haben.

Trotzdem, ich für mein Teil wäre nicht gern an Bilbo Beutlins Stelle gewesen. Der Stollen schien kein Ende zu nehmen. Bilbo wusste nur soviel, dass es ziemlich stetig bergab ging und, trotz einiger Kehren und Kurven, immer weiter in die gleiche Richtung. Ab und zu zweigte ein Gang zur Seite hin ab, wie er im Schimmer seines Schwertes erkennen oder an der Wand ertasten konnte. Diese Gänge beachtete er nicht, er beeilte sich nur, an ihnen vorbeizukommen, denn man konnte nicht wissen, ob nicht Orks oder wer weiß welche anderen dunklen Kreaturen daraus hervorstürzen würden. Immer weiter ging er, immer weiter bergab, und noch immer hörte er keinen Laut, nur hin und wieder das Schwirren einer Fledermaus dicht an seinen Ohren, was ihn zuerst erschreckte, dann aber nicht mehr kümmerte, weil es zu oft geschah. Wie lange er so einen Fuß vor den andern setzte, weiß ich nicht. Er konnte nicht mehr, wagte aber auch nicht anzuhalten, also weiter und immer weiter, bis er zum Umfallen müde war. Ihm kam es vor wie der Weg von heute nach morgen und übermorgen und alle Tage danach.

Völlig unvorbereitet platschten seine Füße in Wasser. Uch, war das eisig! Es ließ ihn jäh zusammenfahren. Er wusste nicht, ob es nur eine Pfütze auf dem Weg war, der Rand eines unterirdischen Wasserlaufs, der den Stollen kreuzte, oder das Ufer eines tiefen, dunklen, unterirdischen Sees. Das Schwert schimmerte kaum mehr. Er stand ganz still und horchte angespannt. Tropfen tröptröptröpfelten von einem unsichtbaren Dach ins Wasser; sonst war nichts zu hören.