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Aber diese ganz gewöhnlichen oberirdischen Alltagsrätsel waren für ihn sehr anstrengend. Außerdem erinnerten sie ihn an die Zeiten, als er noch nicht so einsam, verstohlen und hinterlistig gewesen war, und verdarben ihm die Laune. Und obendrein machten sie ihn hungrig. Darum versuchte er es nun mit einem Rätsel, das schon ein bisschen schwieriger und sperriger war:

Kannst es nicht sehen, fühlen, hören, Kannst es nicht riechen, schmecken, verzehren. Liegt hinter Sternen und unterm Gestein, Dringt in alle Löcher ein. Kommt zuerst und allezeit, Löscht das Leben, Freud und Leid.

Pech für Gollum, dass Bilbo dergleichen schon mal gehört hatte. Die Antwort war ihm vollkommen klar. »Das Dunkel«, sagte er, ohne sich auch nur einmal den Kopf kratzen zu müssen.

Ein Schloss, zu dem kein Schlüssel passt, Schließt in sich eine goldne Last,

fragte er dann gleich, um Zeit zu gewinnen und sich etwas wirklich Schwieriges auszudenken. Dieses fand er furchtbar leicht, uralt, obwohl er es nicht in dem üblichen Wortlaut gebracht hatte. Aber für Gollum erwies es sich als eine harte Prüfung. Er zischelte vor sich hin und gab immer noch keine Antwort; er brabbelte und fauchte.

Nach einer Weile verlor Bilbo die Geduld. »Na, was denn nun?«, sagte er. »Nach den Geräuschen, die Sie machen, könnte man denken, dass es ein überkochender Teekessel sein soll, aber die Lösung ist das nicht.«

»Lass uns eine Chance; er soll uns eine Chance lassen, Schatzzz – zz – zz …«

»Also nun«, sagte Bilbo, nachdem er ihm noch lange seine Chance gelassen hatte, »was ist mit der Antwort?«

Da fiel Gollum plötzlich ein, wie er vor langer Zeit Vogelnester geplündert und wie er mit seiner Großmutter unter der Uferböschung gesessen und ihr gezeigt hatte, wie man sie auslutscht. »Eier!«, rief er. »Eier, das ist es!« Dann fragte er:

Atemlos ohne Atemnot Lebt es, kalt doch wie der Tod; Trinkt, obwohl es Durst nicht spürt, Trägt einen Panzer, der nicht klirrt.

Dies fand nun wieder er lachhaft leicht, weil die Antwort etwas war, das ihn ständig beschäftigte. Aber etwas Besseres fiel ihm im Moment nicht ein, so sehr hatte das Eierrätsel ihn verwirrt. Trotzdem war es eine harte Nuss für den armen Bilbo, der sich vom Wasser und allem, was darinnen war, nach Möglichkeit fernhielt. Ich kann mir denken, dass ihr die Antwort wisst oder sie ohne mit der Wimper zu zucken erraten könnt, aber ihr sitzt ja jetzt auch gemütlich zu Hause und seid nicht in Gefahr, verspeist zu werden – eine Lage, die dem klaren Denken nicht günstig ist. Bilbo saß da und räusperte sich ein- oder zweimal, aber keine Antwort kam heraus.

Nach einer Weile begann Gollum erwartungsvoll vor sich hin zu zischeln: »Sieht er nicht lecker aus, mein Schatzzz? Saftig, zart und bissfest?« Aus der Dunkelheit heraus verschlang er Bilbo schon mit den Augen.

»Sekunde!«, sagte der Hobbit, den es zu frösteln anfing. »Ich habe Ihnen eben auch sehr viel Zeit gelassen.«

»Er muss schnell machen, schnell!«, sagte Gollum und stieg schon aus seinem Boot ans Ufer, um Bilbo zu Leibe zu rücken. Aber als er seinen langen Paddelfuß ins Wasser steckte, sprang vor Schreck ein Fisch heraus und fiel Bilbo auf die Zehen.

»Uch!«, sagte er. »Wie kalt und glibberig!« – und schon hatte er die Lösung. »Fisch! Fisch!«, rief er. »Fisch ist es.«

Gollum war bitter enttäuscht; aber Bilbo stellte so schnell er nur konnte die nächste Frage, so dass Gollum wieder in sein Boot steigen musste, um besser nachdenken zu können.

Keinbein lag auf Einbein, Zweibein saß auf Dreibein, Vierbein bekam etwas ab.

Es war nicht der günstigste Moment für dieses Rätsel, aber Bilbo war in Eile. Zu einer anderen Zeit hätte es Gollum vielleicht Mühe gemacht, aber jetzt, wo sie gerade von »Fisch« gesprochen hatten, war »Keinbein« unschwer zu erraten, und dann war auch der Rest ganz einfach. »Fisch auf einem kleinen Tisch, Mensch sitzt davor auf einem Schemel, und die Katze kriegt die Gräten«: So lautet selbstverständlich die Antwort, und Gollum gab sie schon bald. Und dann fand er es an der Zeit, nach etwas wirklich Schwerem und Grausigem zu fragen. Und dies war sein nächstes Rätseclass="underline"

Etwas, das alles und jeden verzehrt: Helm und Panzer, Axt und Schwert, Tier, Vogel, Blume, Ast und Laub, Aus hartem Steine mahlt es Staub, Stürzt Könige, verheert die Stadt, Macht Grades krumm, walzt Berge platt.

Der arme Bilbo saß im Dunkeln und entsann sich der entsetzlichen Namen all der Riesen und Unholde, von denen er in Geschichten gehört hatte, aber nicht einer von ihnen hatte all dies getan. Er hatte eine Ahnung, dass die Antwort eine ganz andere wäre und dass er sie kennen müsste, aber sie fiel und fiel ihm nicht ein. Er bekam es mit der Angst, und das ist nicht gut für das Denken. Gollum stieg schon wieder aus seinem Boot, platschte ins Wasser und paddelte ans Ufer; Bilbo konnte seine Augen auf sich zuschwimmen sehn. Die Zunge schien ihm im Munde zu kleben. Er wollte schreien: »Lassen Sie mir mehr Zeit! Lassen Sie mir mehr Zeit!«, aber alles, was er mit einem plötzlichen Aufkreischen herauswürgte, war:

»Zeit! Zeit!«

Schieres Glück hatte ihn gerettet. Denn das war natürlich die Antwort.

Wieder war Gollum enttäuscht, und allmählich wurde er wütend und hatte genug von dem Spiel. Einen mächtigen Hunger hatte er dabei bekommen. Dieses Mal kehrte er nicht in das Boot zurück. Er setzte sich im Dunkeln dicht neben Bilbo, was dem Hobbit äußerst unangenehm war und seine Gedanken noch mehr verwirrte.

»Er musss unzzz ein Rätsssel aufgeben, mein Schatzzz! Nur noch eines, einesss, ja, noch einessssss!«, sagte Gollum.

Aber Bilbo wollte einfach kein Rätsel mehr einfallen, seit dieser widerliche glibbrigkalte Bursche neben ihm saß, ihn stuppste und tätschelte. Er kratzte, kniff und zupfte an sich herum, und noch immer fiel ihm nichts ein.

»Fragt er bald?«, sagte Gollum.

Bilbo kniff sich, ohrfeigte sich; er griff nach seinem kleinen Schwert, und mit der anderen Hand wühlte er in seiner Tasche. Da fand er den Ring, den er im Stollen gefunden und seither vergessen hatte.

»Was hab ich da in meiner Tasche?«, sagte er laut. Er sagte es zu sich selbst, aber Gollum dachte, das sei ein Rätsel, und regte sich mächtig auf.

»Unfair! Unfair!«, rief er. »Das ist unfair, mein Schatz, unzzzz zu fragen, wass er in seiner sssscheußlichen kleinen Tassssche hat!«

Bilbo erkannte das Missverständnis, und weil ihm nichts Besseres einfiel, beharrte er auf seiner Frage. »Was hab ich da in meiner Tasche?«, wiederholte er lauter.

»Sssss!«, zischte Gollum. »Er mussss unzzz dreimal raten lasssssen, mein Schatzzz, drei Versssuche!«

»Na schön! Erster Versuch!«, sagte Bilbo.

»Hände!«, sagte Gollum.

»Falsch«, sagte Bilbo, der zum Glück eben noch die Hand wieder herausgenommen hatte. »Zweiter Versuch!«

»Sssss!«, sagte Gollum und regte sich noch mehr auf. Er dachte an die Dinge, die er selbst in den Taschen hatte: Fischgräten, Orkzähne, feuchte Muscheln, ein Stück Fledermausflügel, einen scharfkantigen Stein, an dem er seine Krallen wetzte, und noch anderes eklige Zeug. Er überlegte, was andere Leute wohl in den Taschen hätten.

»Messer!«, sagte er schließlich.

»Falsch«, sagte Bilbo, der sein Taschenmesser vor einiger Zeit verloren hatte. »Letzter Versuch!«

Nun war Gollum noch viel übler dran als bei dem Eierrätsel. Er zischte und sabberte, wiegte sich vor und zurück, patschte mit den Füßen auf den Boden, wand sich und zappelte; aber noch immer wagte er nicht, seinen letzten Versuch zu riskieren.

»Nun bitte«, sagte Bilbo, »ich warte!« Es sollte forsch und munter klingen, aber er war gar nicht sicher, wie das Spiel enden würde, ob Gollum nun richtig riet oder nicht.

»Zeit ist um!«, sagte er.