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Bilbo glaubte verstanden zu haben, was der Zauberer meinte. »Was machen wir nur«, rief er, »wenn er die Warge und die Orks hierherführt? Dann werden wir alle gefangen und getötet! Ich dachte, du hättest gesagt, er ist kein Freund von denen.«

»Und ob ich das gesagt habe! Stell dich nicht blöd? Geh lieber zu Bett, dein Verstand ist schon am Einnicken!«

Bilbo wurde ganz kleinlaut, und weil es nichts anderes zu tun gab, ging er tatsächlich zu Bett. Während die Zwerge noch ihre Lieder sangen, schlief er ein, den Kopf voll wirrer Vermutungen über Beorn, bis ihm ein Traum kam, in dem er Hunderte von schwarzen Bären im Mondschein auf dem Hof einen langsamen, stampfenden Ringelreihen tanzen sah. Da erwachte er, während alle andern schliefen, und hörte wieder das gleiche Kratzen, Scharren, Schnauben und Brummen wie in der Nacht zuvor.

Am nächsten Morgen wurden sie von Beorn selbst geweckt. »Da seid ihr ja alle noch!« Er hob den Hobbit hoch und lachte: »Na, noch nicht von den Wargen gefressen, von den Orks oder den bösen Bären?« Er stupste Herrn Beutlin höchst unehrerbietig in die Leibesmitte. »Bleibt ihr länger meine Gäste, brauchst du bald ’ne neue Weste, Dickerchen!«, alberte er. »Komm, es gibt Frühstück!«

Und dann frühstückten sie alle mit ihm. Beorn war ausnahmsweise nicht mürrisch, sondern strahlend guter Laune; er blödelte und erzählte Witze. Sie brauchten auch nicht lange zu rätseln, wo er gewesen war oder warum er auf einmal so nett zu ihnen war, denn er erklärte es ihnen selbst. Er war über den Fluss und dann hinauf in die Berge gegangen – woran zu sehen ist, wie gut er zu Fuß gewesen sein muss, jedenfalls in seiner Bärengestalt. An den Brandspuren auf der Wolfslichtung hatte er gesehen, dass zumindest ein Teil ihrer Geschichte stimmte; aber dann hatte er noch mehr erfahren: Er fing einen Warg und einen Ork ein, die durch den Wald streunten. Aus ihnen holte er einige Neuigkeiten heraus: Die Orks streiften mit den Wargen immer noch hinter den Zwergen her; sie waren in heller Wut, weil ihr großer Führer getötet worden war und weil Gandalfs Feuerwerk dem Oberwolf die Schnauze versengt und viele seiner Knechte verbrannt hatte. Soviel sagten sie ihm, als er sie auf seine Weise zum Reden brachte, aber er vermutete, dass noch Ärgeres zu erwarten sei, womöglich ein großer Einfall des ganzen Orkheeres samt ihrer wölfischen Bundesgenossen in das Land am Fuße des Gebirges, mit dem Ziel, die Zwerge zu finden, oder an den dort lebenden Menschen oder anderen Geschöpfen Rache zu nehmen, weil man annahm, dass sie den Zwergen Unterschlupf gewährten.

»Was ihr neulich erzählt habt, war eine gute Geschichte«, sagte Beorn, »aber jetzt gefällt sie mir noch besser, weil ich sicher bin, dass sie stimmt. Entschuldigt, dass ich euch nicht gleich aufs Wort geglaubt habe. Wenn ihr am Rand des Düsterwalds lebtet, würdet ihr auch niemandem aufs Wort glauben, den ihr nicht wenigstens so gut kennt wie euren Bruder. Nun aber wollte ich schleunigst nach Hause, um dafür zu sorgen, dass ihr in Sicherheit seid, und euch jede Hilfe zu leisten, die ich geben kann. Von jetzt an habe ich eine höhere Meinung über Zwerge. Den Großork zu erschlagen, den Großork, allerhand!«, sagte er und grinste ingrimmig in seinen Bart.

»Was hast du denn mit dem Ork und mit dem Warg gemacht?«, wollte Bilbo plötzlich wissen.

»Komm und sieh sie dir an!«, sagte Beorn, und sie gingen mit ihm ums Haus. Ein Orkkopf steckte mit dem Gesicht nach außen auf einem Torpfosten, und gleich daneben war ein Wargfell an einen Baum genagelt. Einen wie Beorn sollte man sich nicht zum Feind machen! Aber jetzt war er ja ihr Freund, und Gandalf hielt es für klug, ihm ihre ganze Geschichte und den Grund ihrer Reise anzuvertrauen, um so viel an Hilfe wie möglich aus ihm herauszuholen.

Und er versprach ihnen einiges: Ein Pony für jeden und ein Pferd für Gandalf bis zum Waldrand; außerdem würde er sie mit Proviant versorgen, der bei sparsamem Verzehr wochenlang reichen könnte, in möglichst leicht tragbarer Verpackung: Nüsse, Mehl, verschlossene Töpfe mit Trockenfrüchten, rote Tontöpfe mit Honig und doppelt gebackene Biskuits, die sich lange hielten und schon in geringer Menge für einen langen Marsch ausreichten. Das Backrezept war Beorns Geheimnis, aber Honig war das Wichtigste daran, wie bei den meisten Speisen in seinem Haus. Die Biskuits waren schmackhaft, machten allerdings durstig. Wasser, sagte er, würden sie bis zum Waldrand nicht mitnehmen müssen, denn unterwegs fänden sie Bäche und Quellen genug. »Aber im Düsterwald wird der Weg schwierig und gefährlich«, sagte er. »Wasser ist dort nicht leicht zu finden, Nahrung auch nicht. Die Nüsse sind noch nicht reif (allerdings wird ihre Zeit vielleicht schon vorüber sein, bevor ihr auf der andern Seite aus dem Wald herauskommt), und Nüsse sind so ziemlich das einzig Essbare, was dort wächst. Alles in diesem Wald ist finster, wild und nicht ganz geheuer. Ich werde euch Schläuche geben, in denen ihr Wasser mitnehmen könnt, und auch Bogen und Pfeile. Aber ich bezweifle sehr, dass ihr im Wald irgendetwas finden werdet, das man ohne Bedenken essen oder trinken kann. Ein Bach fließt dort, soviel ich weiß, schwarz und schnell, der euren Weg kreuzt. Aus dem dürft ihr weder trinken noch darin baden, denn ich habe gehört, dass ein Zauber darauf liegt, der schläfrig und vergesslich macht. Und in dem Halbdunkel dort, glaube ich, werdet ihr nichts schießen können, ob genießbar oder nicht, ohne vom Weg abzukommen. Und das DÜRFT ihr nicht, auf gar keinen Fall!

Soweit mein Rat. Bis zum Waldrand kann ich euch helfen, danach kaum mehr; dann müsst ihr euch auf euer Glück, euren Mut und auf die Verpflegung, die ich euch mitgebe, verlassen. Ich muss euch bitten, dass ihr mir am Eingang in den Wald das Pferd und die Ponys zurückschickt. Aber ich wünsche euch eine gute Reise, und mein Haus steht euch offen, wenn ihr je auf diesem Weg wieder zurückkommt.«

Natürlich dankten sie ihm mit vielen Verbeugungen, mit Kapuzenschwenken und mit manch einem »zu Diensten, O Herr der großen hölzernen Hallen!«. Aber der Mut sank ihnen bei seinen ernsten Worten, und sie hatten alle das Gefühl, dass dieses Abenteuer doch gefährlicher würde, als sie gedacht hatten. Und auf dem ganzen Weg, selbst wenn sie allen Gefahren entgingen, würde sie der Gedanke an den Drachen begleiten, der sie am Ende erwartete.

Den ganzen Vormittag verbrachten sie mit Reisevorbereitungen. Bald nach Mittag aßen sie zum letzten Mal mit Beorn, und dann stiegen sie auf die Reittiere, die er ihnen lieh. Unter vielen Abschiedsgrüßen ritten sie in flottem Trab durch seine Pforte hinaus.

Sobald sie die hohen Hecken an der Ostseite seines eingefriedeten Landes hinter sich hatten, wandten sie sich nach Norden, später dann nach Nordwesten. Auf Beorns Rat hin hatten sie beschlossen, nicht die alte Hauptstraße durch den Wald zu benutzen, die südlich seines Landes begann. Wären sie auf dem Pass übers Gebirge gekommen, wie sie es vorgehabt hatten, so wären sie dem Lauf eines Baches gefolgt, der von den Bergen herabfloss und einige Meilen südlich des Carrock in den großen Strom mündete. An dieser Stelle war eine tiefe Furt, die sie hätten passieren können, wenn sie ihre Ponys noch gehabt hätten, und auf der andern Seite führte ein schmaler Pfad zum Waldsaum und zum Eingang in die alte Waldstraße. Dieser Pfad aber, hatte Beorn sie gewarnt, wurde nun oft von den Orks unsicher gemacht, während die Waldstraße selbst, so hatte er gehört, stellenweise zugewachsen war und nach Osten zu nicht mehr benutzt wurde, weil sie in undurchdringliche Sümpfe hineinführte, in denen alle Wege sich längst verloren hatten. Außerdem hatte der Ostausgang so weit südlich vom Einsamen Berg gelegen, dass sie auf der anderen Seite noch einen langen und schwierigen Marsch nach Norden vor sich gehabt hätten. Nördlich des Carrock rückte der Saum des Düsterwaldes näher an den Großen Strom heran, und obwohl dort auch das Gebirge näher rückte, riet Beorn ihnen, diesen Weg einzuschlagen, denn an einer Stelle wenige Tagesritte nördlich des Carrock befand sich der Eingang zu einem wenig bekannten Pfad durch den Wald, der fast in gerader Linie auf den Einsamen Berg zuführte.