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Das letzte Fass wurde nun zu der Luke gerollt. In seiner Verzweiflung, und weil ihm nichts anderes einfiel, klammerte der arme Bilbo Beutlin sich daran fest und wurde mit ihm über den Rand gestoßen. Runter fiel er, platsch! ins kalte Wasser, und auf ihn drauf fiel das Fass.

Spuckend kam er wieder hoch und krallte sich am Holz fest wie eine Ratte. Er versuchte, hinaufzukriechen, aber es ging nicht, so sehr er sich auch bemühte. Jedes Mal drehte sich das Fass und tauchte ihn wieder unter. Es war wirklich leer und schwamm leicht wie ein Korken. Obwohl er die Ohren voll Wasser hatte, hörte er die Elben oben im Keller noch singen. Dann fiel plötzlich die Falltür krachend zu, und die Stimmen verhallten. Er trieb im eiskalten Wasser des dunklen Tunnels, ganz allein – denn auf Freunde, die in Fässer verpackt sind, kann man nicht zählen.

Bald kam aus der Dunkelheit vor ihm ein grauer Fleck näher. Er hörte das Fallgatter knarren, als es hochgezogen wurde, und sah, dass er sich mitten in einem polternden und rumpelnden Haufen von Tonnen und Fässern befand, die alle dicht zusammengedrängt wurden, bevor sie unter dem Torbogen hindurch in die offene Strömung hinausschwammen. Er hatte alle Hände voll zu tun, um nicht zerstoßen und zerquetscht zu werden; doch endlich begann die drängelnde Masse sich aufzulösen, und ein Fass nach dem andern glitt unter dem steinernen Bogen durch und davon. Dann sah er, was ihm passiert wäre, wenn er es geschafft hätte, rittlings auf das Fass zu kommen: Zwischen dem oberen Rand und dem am Tor tief herabreichenden Dach war nicht mal mehr Platz für einen Hobbit.

Hinaus trieben sie, unter den überhängenden Ästen der Bäume an beiden Ufern. Bilbo hätte gern gewusst, wie es den Zwergen ging und ob wohl viel Wasser in ihre Fässer eindrang. Manche Fässer, die neben ihm dahinschwammen, soweit er sehen konnte, schienen ziemlich tief im Wasser zu liegen, vermutlich weil ein Zwerg drinsteckte.

»Ich kann nur hoffen, dass ich die Deckel fest genug aufgesetzt habe!«, dachte er, aber bald hatte er zu viel mit sich selbst zu tun und vergaß die Zwerge. Er konnte zwar den Kopf über Wasser halten, zitterte aber vor Kälte. Ob er nicht erfrieren würde, bevor sein Glück sich wenden konnte? Wie lange würde er sich noch an dem Fass festhalten können? Sollte er das Fass loslassen und den Versuch riskieren, irgendwie schwimmend ans Ufer zu kommen?

Sein Glück wendete sich rechtzeitig: Die strudelnde Strömung trug mehrere Fässer an einer Stelle nah ans Ufer, und dort blieben sie eine Weile an einer halb aus dem Wasser aufragenden Wurzel hängen. Bilbo benutzte die Gelegenheit, auf das Fass hinaufzukriechen, solange es zwischen anderen festgeklemmt war. Wie eine ertrunkene Ratte streckte er sich darauf aus, Arme und Beine ausgebreitet, um so gut wie möglich das Gleichgewicht zu halten. Der Wind war kalt, aber erträglicher als das Wasser. Er konnte nur hoffen, nicht gleich wieder herunterzurollen, wenn die Fahrt weiterging.

Bald kamen die Fässer wieder los und trieben langsam kreiselnd in die Hauptströmung hinein. Sich oben zu halten erwies sich als genauso schwierig, wie er befürchtet hatte, aber irgendwie schaffte er’s, auch wenn es elend unbequem war. Zum Glück war er sehr leicht, und das Fass, ein großes, dickes, war ein bisschen undicht und hatte etwas Wasser aufgenommen. Trotzdem war es wie ein Ritt ohne Sattel und Zaumzeug auf einem rundlichen Pony, das immerzu darauf aus ist, sich im Gras zu wälzen.

Jedenfalls kam er auf diese Weise bis zu einer Stelle, wo die Bäume an beiden Ufern dünner standen. Er konnte den helleren Himmel zwischen ihren Kronen sehen. Der dunkle Bach öffnete sich hier plötzlich in die Breite und vereinigte sich mit dem Lauf des Waldflusses, der stürmisch vom Tor des Königspalastes herabkam. Auf einem Streifen der dahingleitenden Wasserfläche, der nun nicht mehr überschattet war, tanzten gebrochene Spiegelbilder von Wolken und Sternen. Die starke Strömung des Waldflusses trieb den ganzen Tross der Fässer und Tonnen ans Nordufer, wo sie eine breite Bucht ausgewaschen hatte. Der kiesbedeckte Strand lag unter steilen Böschungen und wurde nach Osten hin von einem kleinen vorspringenden Felskap abgedämmt. Am seichten Ufer liefen die meisten Fässer auf Grund; einige, die weiterschwammen, stießen polternd an den Felsen.

Auf den Böschungen hielten Leute Ausschau. Sie holten die Fässer mit Stangen heran und schoben sie alle ans Ufer, zählten sie und banden sie zusammen; dann ließen sie sie bis zum Morgen liegen. Die armen Zwerge! Bilbo war nicht so schlecht dran. Er rutschte von seinem Fass herunter und watete an Land, dann schlich er weiter zu den Hütten, die er nahe am Ufer gesehen hatte. Er überlegte sich’s jetzt nicht mehr lange, wenn er uneingeladen zu einer Mahlzeit kommen konnte; so lange hatte er sich schon notgedrungen auf diese Weise verköstigt. Er wusste nun allzu gut, dass Hunger etwas anderes ist als höfliches Interesse an den Leckereien eines wohlangerichteten Büffets. Außerdem hatte er ein Feuer durch die Bäume schimmern sehen, das ihn umso stärker anzog, als ihm seine nassen, zerlumpten Kleider kalt und klebrig am Leibe hingen.

Von seinen Erlebnissen in dieser Nacht muss ich nicht viel berichten, denn wir nähern uns dem Ende seiner Reise nach Osten und kommen allmählich zu seinem letzten und größten Abenteuer; darum ist nun Eile geboten. Natürlich kam er mit Hilfe des Zauberrings anfangs gut zurecht, aber bald verrieten ihn seine nassen Fußstapfen und die Tropfenspuren, die überall zurückblieben, wo er hinging oder sich hinsetzte; außerdem begann ihm die Nase zu laufen, und bei den gewaltigen Explosionen seines bis zum letzten Moment unterdrückten Niesens war er in keinem Versteck sicher. Bald war das ganze Dorf am Flussufer in heller Aufregung; doch Bilbo flüchtete in den Wald, unter Mitnahme eines Brotlaibs, einer Lederflasche mit Wein und einer Pastete, die er allesamt nicht bezahlt hatte. Den Rest der Nacht musste er nass, wie er war, und ohne Feuer zubringen, aber die Flasche half ihm darüber hinweg, und auf einem Haufen trockener Blätter konnte er sogar ein Auge zutun, obwohl das Jahr schon weit fortgeschritten und die Luft kalt war.

An einem besonders lauten Niesen wachte er auf. Der Morgen graute schon, und am Ufer herrschte reger Betrieb. Ein Floß aus Fässern wurde gebaut, und die Floßelben würden es dann flussabwärts bis zur Seestadt steuern. Bilbo musste schon wieder niesen. Nass war er nun nicht mehr, aber er fror am ganzen Leib. Er kletterte die Böschung herab, so schnell seine steifen Beine es erlaubten, und kam gerade noch rechtzeitig auf das Fässerfloß, ohne dass ihn in dem lebhaften Hin und Her jemand bemerkte. Zum Glück schien die Sonne noch nicht, so dass sein Schatten ihn nicht in Verlegenheit brachte, und auch das Niesen blieb ihm eine ganze Weile erspart.

Es wurde mächtig mit Stangen gestakt. Die Elben, die im flachen Wasser standen, drückten und schoben das Floß an. Die zusammengebundenen Fässer scheuerten knarrend aneinander.

»Das ist aber eine schwere Ladung!«, murrten einige. »Die liegen zu tief – manche können nie und nimmer leer sein. Wären sie bei Tage angelandet, hätten wir mal hineinschauen können.«

»Keine Zeit jetzt!«, rief der Flößer. »Stoßt ab!«

Und dann trieben sie weiter, zuerst langsam, bis sie das Felskap passiert hatten, auf dem andere Elben standen, die sie mit Stangen abstießen, dann schneller und schneller, als die Hauptströmung sie erfasste und sie immer weiter flussabwärts zum See hin trug.