Выбрать главу

»Ja.«

»Dann kannst du bleiben und zuhören.«

»Das Land ist aus den Fugen«, begann Henri. »Sie können sich auf keinen neuen Papst einigen, und jeder regionale Kirchenfürst macht, was er will. Für uns ist das aber kein Nachteil, denn so sind sie mit sich selbst beschäftigt. Und der König entwertet unaufhörlich die Münzen, schon sagt man, er sei ebenso falsch wie das Geld, das er prägt. Nichts funktioniert mehr. Nur die Häscher des Königs sind gut organisiert. Wir müssen daher jederzeit auf der Hut sein.«

Uthman fügte hinzu: »Der Großinquisitor reist unaufhörlich durch Frankreich, um uns auf die Spur zu kommen…«

»… sein persönlicher Feldzug…«

»… Zwar weiß er genau, dass alles, was den Tempel betrifft, nicht der bischöflichen Jurisdiktion und auch nicht der dominikanischen Inquisition unterliegt, weil uralte Privilegien die Templer allein den Papst unterstellen. Aber das hat ihn nicht gestört, als Clemens noch lebte, und jetzt schon gar nicht. In erster Linie sucht er Henri. Mich hält er wahrscheinlich nur für eine ungläubige Wanze, die er nebenbei zerquetscht. Aber er ist auch dankbar für alle die anderen, die er in die Finger bekommt, denn er befragt sie gründlich. Wir haben uns den Sommer über kaum noch getraut, Kontakt zu jemandem aufzunehmen, um ihn nicht zu gefährden. Aber lange geht das nicht mehr gut.«

»Der König muss sterben!«, sagte Henri. »Dann brechen die Dämme, und sie werden genug zu tun haben, um das Land wieder in den Griff zu kriegen, bevor es auseinander bricht. Erst dann können wir weiterplanen. Verlassen wir Frankreich oder nicht? Wohin können wir dann noch gehen? Wir werden es wissen, wenn unsere Tat ausgeführt ist.«

»Es ist in die Wege geleitet, Henri. Lies den Brief. Wir können schon in ein paar Tagen zusammen aufbrechen, um nach der Antwort zu suchen, die uns die Tauben vielleicht gebracht haben. Dann können wir auch beratschlagen, wie wir vorgehen.«

»Fest steht immerhin«, meinte Henri, »dass ich den Mord ausführe. Ich war mit meinem Wort dem Papst verpflichtet, aber ich bin mit keinem Eid an den König gebunden. Wir locken ihn in die Falle, und dann werde ich handeln.«

»Aber kennt er dich nicht von Angesicht?«

Henri schüttelte den Kopf. »Nein. Unser erster gescheiterter Anschlag geschah ja bei Nacht und Nebel, und wir waren verkleidet. Es könnte höchstens sein, dass einer seiner religiösen Berater mich erkennt. Aber das Risiko muss ich eingehen, wenn ich so nahe wie möglich an ihn herankommen will.«

»Lasst es mich machen!«, mischte sich Sean ein. »Mich kennt niemand.«

»Du? Willst du den König so lange mit deinem Gesang quälen, bis er stirbt?«

»Nein, im Ernst, Joshua! Nehmt mich! Ich bin mutig genug!«

»Unsinn!«, sagte Joshua scharf. »Sei still! Das ist keine Kindersache! Wenn deine Ausbildung beendet ist, wirst du noch Gelegenheit genug erhalten, zu kämpfen. Glaub mir, die Welt besitzt genug Feinde, gegen die du dich bewähren kannst.«

»Joshua hat natürlich Recht«, erklärte Henri milde. »Es wäre für dich viel zu gefährlich. Außerdem macht mein Hass eine solche Abrechnung notwendig. Ich ganz allein werde den Todesstoß führen. Aber du wirst mit uns reiten, Sean. Als mein Knappe kannst du beweisen, dass du mehr kannst als Flöte spielen und singen.«

»Zu Diensten, Henri, Sir!«, rief Sean begeistert.

Dann vertieften sich die Männer über eine ausführliche geographische Karte.

»Ich habe diesen Sitz in Gambais gewählt«, erklärte Joshua, »weil der Ort völlig unverdächtig ist. Hier gibt es keine Straßen, die strategisch genutzt werden könnten. Bis nach Rambouillet haben wir flaches Feld, und der Ort ist weit genug entfernt, um keinen Verdacht auf Gambais zu lenken. Der Königshof von Fontainebleau liegt, wie ihr wisst, im Süden von Paris, also in entgegengesetzter Richtung. Sicher vermuten die Schergen uns irgendwo im Süden des Landes oder auch auf dem Weg nach Schottland. Sie werden nicht glauben, dass ihre Todfeinde in so unmittelbarer Nähe sind. Aber man kann ja nie wissen. Jedenfalls droht uns aus der Umgebung hier keine Gefahr, Gambais ist ein Weiler kleiner, armer Fischer ohne jede Bedeutung, es gibt keine Kirche, keine Burg und kein Rittergeschlecht, das mit Kontrollen viel verdienen kann.«

»Und es gab auf Hunderte von Meilen keine Komturei des Ordens. Ich könnte mir vorstellen, dass ich der erste Templer bin, der je dieses flache Land betrat.«

»Das ist eigentlich erstaunlich«, warf Uthman ein, »denn ihr habt doch mehr als 9000 Höfe und große Komtureien besessen – ein Netz von Besitzungen überall im Land.«

»Der nahe Tempel von Paris nahm alle Aufmerksamkeit in Anspruch. Erst an der Loire, in Orleans, gab es wieder eine Niederlassung.«

»Ich weiß darüber so wenig«, meinte Sean. »Kannst du nicht darüber erzählen, Meister Henri? Ich muss als dein Knappe doch über alles Bescheid wissen!«

Sie setzten sich an den Tisch. »Du erfährst schon noch genug darüber, Sean«, sagte Henri. »Das eilt nicht.«

»Aber wir haben doch Zeit. Joshua und ich reiten erst morgen zu der Stelle in Rambouillet.«

Der Jude nickte. »Wir haben Zeit, das stimmt. Ein endloser Fluss. Das Leben ist glücklicherweise nicht geteilt wie Gallien.«

Henri bequemte sich zu sagen: »Also, was willst du denn wissen?«

»Wie funktionierte das mit dem Orden? Ich kann es mir immer noch nicht vorstellen!«

»Nun, es war anders während der Kreuzzüge. Aber nach deren Ende zogen wir uns in die sieben Provinzen zurück, in die die Verwaltung des Tempels in den europäischen Landen eingeteilt war, nach England, Poitou, Aragon, Portugal, Ungarn, Apulien – und natürlich nach Frankreich. Die oberste Gewalt unseres Ordens lag damals beim Großmeister, der auf Zypern residierte. Ihm unterstanden die Komture der Provinzen, auch Meister genannt. Dann folgten die Komture, sie verwalteten die Festungen, Domänen und landwirtschaftlichen Güter des Tempels und führten den Befehl über die Ritter, Knappen und Servientenbrüder, die häusliche Dienste und die Landarbeit verrichten mussten. Visiteure des Ordens reisten von Komturei zu Komturei, um sie zu inspizieren, und sie erstatteten den Meistern Bericht.«

»Und das alles funktionierte reibungslos?«

»Natürlich. Die Templer sind disziplinierte Menschen. Sie geben Befehle und gehorchen. Jeder füllte seinen Platz aus.«

»Und wie konnte man euch dann vernichten?«

»Wir haben uns einfach nicht vorstellen können, dass man uns angreift.«

Joshua fügte hinzu: »Hoffen wir, dass auch der König in diesem verhängnisvollen Glauben befangen ist. Auf jeden Fall liegt das Moment der Überraschung auf unserer Seite.«

Am Königshof in Fontainebleau tanzten die Puppen. Alle Masken, die die hundert Tänzer übergestülpt hatten, sollten der Abwehr der Dämonen dienen. Der Dämonen, die das Land bedrohten.

Enguerrand de Marigny, die graue Eminenz im Hintergrund des Königs, hatte das Spektakel organisiert. Zwar musste er zunächst den Widerstand von Charles de Valois überwinden, denn der Bruder des Königs hielt nichts von derartigem »Mummenschanz«, um die Zweifler an der Stärke des Königs zu beschwichtigen. Schließlich befahl der König selbst das Fest, und es wurde anberaumt.

De Marigny beobachtete den Verlauf aus sicherer Entfernung. Wenn er zurückblickte, sah er die argwöhnischen Blicke von Charles auf sich ruhen. Er wusste, der Bruder Philipps hätte ihn am liebsten der Ketzerei angeklagt, er verachtete ihn, weil er zusammen mit Nogaret der eigentliche Urheber der Templerverfolgung war. Es war seine infame Idee gewesen, dem Großmeister de Molay noch am Vorabend seiner Verhaftung die Ehre zu erweisen, einer der vier Leichentuchhalter beim Begräbnis der Gemahlin von Charles zu sein. Niemals würde Valois ihm dies Pietätlosigkeit vergessen.