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Der Boden der Höhle hätte allerdings ein wenig weicher sein können. Nun reichte die Frau Biberin im Dunkeln eine kleine Flasche herum, und jeder nahm einen Schluck. Der Trank brannte in der Kehle. Jeder mußte husten und ein bißchen krächzen, aber als sie ihn unten hatten, wurde ihnen wundervoll warm, sie streckten sich aus und schliefen ein.

Lucy dünkte es nur eine Minute, obgleich Stunden und Stunden vergangen waren. Als sie wieder erwachte, fröstelte sie ein wenig, fühlte sich ganz steif und hätte schrecklich gern ein heißes Bad gehabt. Die langen Haare eines Biberbartes kitzelten ihre Wange. Sie sah das Tageslicht vor dem Höhleneingang, und gleich darauf war sie wie alle die andern auch – völlig munter. Sie saßen plötzlich alle mucksmäuschenstill, sperrten Mund und Augen auf und lauschten einem Geräusch, an das sie die ganze Zeit über gedacht hatten, das sie auf ihrer nächtlichen Wanderung mehr­mals zu hören geglaubt: »Kling, klang kling, klang« ertönte es.

Der Biber hatte es kaum gehört, da fuhr er wie ein Blitz aus der Höhle. Wahrscheinlich denkt ihr genau wie Lucy im ersten Augenblick: Wie dumm, so was zu tun.

Aber handelte er denn nicht vernünftig? Er wußte, daß er im Schutz der Büsche höher hinaufklettern konnte, ohne gesehn zu werden. Er wollte unbedingt wissen, welchen Weg der Hexenschlitten nehmen würde. Die andern in der Höhle warteten voll Spannung. Sie warteten beinahe fünf Minuten. Was sie dann hörten, erschreckte sie gar sehr. Sie vernahmen Stimmen! O weh, o weh, dachte Lucy. Man hat ihn gesehn. Sie hat ihn gefangen. Wie groß war aber ihre Überraschung, als der Biber sie gleich darauf hinausrief.

»Alles in Ordnung«, schrie er, »kommt nur heraus, liebe Frau, Söhne und Töchter Adams! Alles in Ordnung! Es ist nicht dieselbige.« (Das war natürlich keine gute Umgangssprache, aber so reden die Biber, wenn sie aufgeregt sind, wenigstens in Narnia. In unse­rer Welt sprechen sie ja gewöhnlich überhaupt nicht.) Die Biberin und die Kinder buddelten sich aus der Höhle heraus und blinzelten, über und über mit Sand und Erde bedeckt, in das Tageslicht. Sie sahen ganz zerdrückt, ungebürstet, ungekämmt und verschlafen aus.

»Kommt her, kommt alle her!« Der Biber tanzte geradezu vor Vergnügen. »Das ist ein schwerer Schlag für die Hexe. Ihre Macht scheint bereits gebrochen.«

»Was meint Ihr denn, Herr Biber?« keuchte Peter, während sie alle zusammen den Abhang hinauf­kletterten.

»Erzählte ich euch nicht«, antwortete der Biber, »daß sie immerzu Winter macht und wir niemals Weihnachten haben? Erzählte ich euch das nicht? Kommt her und seht!«

Als sie alle auf der Anhöhe waren, sahen sie es: Da stand ein Schlitten und Rentiere mit Glocken am Zaumzeug. Aber sie waren viel größer als die Rentiere der Zauberin. Sie waren nicht weiß, sie waren braun. Und im Schlitten saß einer, den jeder auf den ersten Blick erkennt: ein riesenhafter Mann in leuchtendrotem Rock (rot leuchtend wie Ebereschen) mit einer Pelzmütze, ein großer weißer Bart fiel wie ein Wasserfall über seine Brust. Selbst wenn man Leute wie ihn nur in Narnia mit Augen schauen kann, so kennt man doch genug Bilder von ihm und hat auch in unserer Welt auf dieser Seite der Wandschranktür von ihm gehört. Aber in Narnia ist es ganz anders. In unserer Welt zeigen viele Bilder ihn nur lustig und drollig. Aber jetzt, wo die Kinder ihn wirklich vor sich sahen, stand er so hoheitsvoll, zugleich so freudestrahlend, so lebenswirklich vor ihnen, aber auch sehr feierlich.

»Endlich kann ich kommen«, sagte er. »Sie hat mich lange Zeit ferngehalten, aber nun bin ich wieder da, Aslan ist unterwegs, und der Hexe Macht vergeht.«

Lucy fühlte einen Schauer von Glück, wie ein Mensch ihn nur in ganz feierlich stillen Stunden erlebt.

»Und da«, sagte der Weihnachtsmann, »sind eure Geschenke. Hier ist eine neue und bessere Nähmaschine für Euch, liebe Biberin. Ich bringe sie im Vorbeifahren in Euer Haus.«

»Entschuldigen Sie, Herr Weihnachtsmann«, die Biberin machte einen Knicks, »das Haus ist verschlossen.«

»Schlösser und Riegel hindern mich nicht«, antwortete der Weihnachtsmann. »Und Ihr, lieber Biber, werdet einen fertig gebauten Damm vorfinden, alle Löcher verstopft und ein neues Schleusengitter davor.«

Der Biber war entzückt. Er riß vor Freude sein Maul so weit auf, daß er kein Wort herausbringen konnte.

»Du, Peter, Adamssohn«, setzte der Weihnachts­mann fort.

»Hier bin ich, Herr Weihnachtsmann«, meldete sich Peter.

»Da sind deine Geschenke, Werkzeuge, keine Spiel­sachen, denn die Zeit, sie zu benutzen, ist vielleicht nahe. Bewahre sie gut.« Mit diesen Worten übergab er Peter ein Schwert und einen Schild. Der Schild leuchtete wie Silber.

Auf dem Wappen glänzte ein aufrechtstehender roter Leu.

Der Schwertgriff war von Gold. Schwertgurt und Scheide und alles, was dazu gehörte, wogen genau so viel, daß Peter sie gut tragen und handhaben konnte. Er blieb still und stumm und war feierlich bewegt, als er dies Geschenk entgegennahm, denn er fühlte, daß es ganz besondere Gaben waren.

»Suse, Evastochter«, sagte der Weihnachtsmann. »Dies ist für dich.«

Er gab ihr einen Bogen, einen Köcher mit Pfeilen und ein kleines Elfenbeinhorn. »Den Bogen darfst du nur in höchster Not benutzen, denn du sollst nicht in Schlachten kämpfen. Er verfehlt selten sein Ziel. Und wenn du das Horn an deine Lippen setzt und hineinbläst, wird dir Hilfe zuteil werden, wo immer du auch bist.«

Zuletzt sprach er: »Lucy, Evastochter«, und sie trat vor.

Ihr gab er ein Fläschchen. Es sah wie Glas aus, aber später hieß es, es sei ein Diamant gewesen. Er reichte ihr außerdem einen kleinen Dolch. »In dieser Flasche ist Lebenswasser, es kommt aus der Feuerblume, die in den Sonnengebirgen wächst. Wirst du oder einer deiner Freunde verwundet, so werden euch wenige Tropfen sofort heilen. Der Dolch soll dich in äußerster Not verteidigen. Auch du sollst am Kampf nicht teilneh­men.«

»Warum nicht, Herr Weihnachtsmann?« fragte Lucy.

»Ich glaube, ich weiß es genau, ich könnte tapfer sein.«

»Darum geht es nicht, aber Schlachten, wo Frauen mitkämpfen, sind die häßlichsten. Und nun gebe ich euch das, was ihr gerade nötig habt.«

Er holte – ich vermute, aus dem großen Sack auf seinem Rücken, aber niemand sah recht, wie es geschah – ein großes Tablett mit Tassen und Unter­tassen, einer Schale Würfelzucker, einem Krüglein Rahm und einer großen Kanne mit siedendheißem Tee. Dann rief er: »Fröhliche Weihnachten! Lang lebe der wahre König!« und knallte in der Ferne mit der Peitsche, ehe sie noch erfaßten, daß er entschwunden war. Peter hatte schon sein Schwert aus der Scheide gezogen und schwang es vor dem Biber, da sagte die Biberin: »Aber, aber, steht da nicht schwatzend herum, bis der Tee kalt wird. Das sieht den Männern ähnlich. Wir wollen frühstücken. Wie gut, daß ich mein Brotmesser mitgenommen habe.«

So kletterten sie wieder den Abhang hinunter in ihre Höhle. Der Biber schnitt Brot und belegte es mit Schinken. Die Biberin schenkte Tee ein, und jeder freute sich über Speise und Trank. Sie hätten gerne noch länger verweilt, aber der Biber rief: »Höchste Zeit aufzubrechen!«

ASLAN NAHT

Unterdessen erlebte Edmund recht viel Enttäuschung. Als sich der Zwerg von dannen gemacht hatte, erwartete er, die Zauberin werde wieder so nett zu ihm sein wie bei ihrer ersten Begegnung.

Sie jedoch sagte überhaupt nichts, und als Edmund endlich seinen Mut zusammennahm und bat: »Bitte sehr, Majestät versprachen mir doch – versprachen mir doch türkischen Honig«, rief sie: »Schweig Er, Dummkopf!« Dann schien sie ihre Meinung zu andern. Sie murmelte wie zu sich selbst: »Der Fratz darf mir unterwegs nicht schwach werden« und klatschte abermals in die Hände, worauf ein anderer Zwerg erschien.