Выбрать главу

»Du hast vergessen, dein Schwert zu reinigen.«

Tatsächlich. Peter errötete, als er auf die funkelnde Klinge blickte, die von Blut und Wolfshaaren ganz verschmiert war. Er bückte sich nieder, wischte sie mit Gras sauber, und zuletzt rieb er sie mit seinem Mantel nach.

»Gib mir dein Schwert, Adamssohn«, befahl Aslan, und als Peter es tat, gab Aslan ihm mit der flachen Klinge den Ritterschlag und sprach: »Erhebe dich, Ritter Peter Wolfsgeißel, und was immer auch geschieht, vergiß niemals, dein Schwert zu reinigen.«

TIEFER URZAUBER AUS DER ZEITEN DÄMMERUNG

Nun wieder zu Edmund.

Nachdem man ihn gezwungen hatte, viel weiter zu gehn, als er überhaupt jemals für möglich gehalten hätte, daß man laufen könne, machte die Hexe endlich in einem dunklen Tal halt, es war dicht beschattet von Tannen und Eiben. Edmund ließ sich zu Boden fallen und blieb mit dem Gesicht auf der Erde liegen. Er konnte kein Glied mehr rühren, spürte nicht einmal Hunger und Durst mehr. Er war zu müde. Es kümmerte ihn nicht, was um ihn herum geschah, wenn sie ihn nur ruhig liegen ließen. Dicht neben ihm flüsterten die Hexe und der Zwerg miteinander.

»Nein«, sagte der Zwerg. »Es ist nicht mehr mög­lich, o Königin! Sie müssen den Steintisch inzwi­schen erreicht haben.«

»Vielleicht spürt uns der Wolf auf und überbringt Nachrichten«, sagte die Hexe.

»Die Nachrichten können nicht gut sein«, antwortete der Zwerg.

»Vier Throne sind in Feeneden«, murmelte die Hexe.

»Wenn nun nur drei besetzt sind? Dann ist die Prophezeiung nicht voll erfüllt.«

»Was macht das schon für einen Unterschied, nun da er hier ist«, sagte der Zwerg. Selbst jetzt wagte er nicht, den Namen Aslan vor seiner Herrin auszusprechen.

»Möglicherweise bleibt er nicht lange, dann könnten wir die drei auf Feeneden überfallen.«

»Wäre es nicht viel besser«, sagte der Zwerg, »den da zu behalten?« Hier gab er Edmund einen Fußtritt. »Wir könnten ihn als Geisel benutzen.«

»Und ihn dadurch retten!« höhnte die Zauberin.

»Dann sollten wir besser, was getan werden muß, sofort tun«, zischte der Zwerg.

»Ich hätte es lieber auf dem Steintisch getan«, meinte die Zauberin. »Das ist der rechte Ort dafür. Seit jeher geschah es dort.«

»Es kann lange dauern, bis der Steintisch uns wieder zugänglich ist«, sagte der Zwerg.

»Das ist wahr!« antwortete die Hexe. »Also los«, fuhr sie fort, »fangen wir damit an.«

In diesem Augenblick stürzte fauchend und schnau­bend ein Wolf auf sie zu und keuchte mit versagender Stimme: »Ich hab' sie gesehn. Am Steintisch sind alle mit ihm zusammen. Sie haben meinen Hauptmann, Maugrim, umgebracht. Ich war im Gebüsch verborgen und habe alles mit angesehn. Einer der Adamssöhne tötete ihn. Flieht, flieht!«

»Nein«, schrie die Hexe, »keine Flucht! Lauf rasch und biete alle meine Verbündeten auf. Sie sollen so schnell wie möglich zu mir hierher kommen. Rufe sie auf, die Riesen und Werwölfe, die Geister aller Bäume, die auf unserer Seite stehn. Rufe sie auf, die Gespenster und Menschenfresser, rufe sie auf, die Stierleibigen und Phantome, die Vampire und Dämonen, die Hexen, Furien und das Volk der Giftpilze! Wir werden kämpfen! Wozu habe ich immer noch meinen Zauberstab? Kann ich ihre Reihen nicht, wenn sie anstürmen, in Stein verwandeln? Rasch, eile von dannen! Wenn du weg bist, habe ich noch eine Kleinigkeit hier zu vollenden.«

Das große Tier verneigte sich vor ihr, machte kehrt und galoppierte davon.

»Und nun laß mich überlegen«, hob die Hexe an. »Wir haben keinen Tisch, aber wir können das Nötige ebensogut an einem Baum vollziehn.«

Edmund wurde mit roher Gewalt auf die Beine gestellt, dann schob ihn der Zwerg mit dem Rücken an einen Baum und band ihn fest. Er sah, wie die Hexe ihren Mantel abnahm. Ihre Arme darunter waren völlig nackt und unheimlich weiß. Es war so dunkel im Tal unter den Bäumen, er konnte nichts anderes erkennen als dieses furchtbare Weiß.

»Bereite das Opfer«, befahl die Hexe. Der Zwerg öffnete Edmunds Halskragen und schlug das Hemd im Nacken zurück. Dann packte er Edmund am Haar und riß seinen Kopf nach hinten, so daß Edmund das Kinn heben mußte. Gleich darauf vernahm er ein seltsames Geräusch … ritsch… ratsch… ritsch… ratsch. Zuerst wußte er nicht, was es war. Dann begriff er: Sie schliff ein Messer.

Aber gerade in diesem schrecklichen Augenblick hörte er von allen Seiten laute Rufe, Hufgeklapper, Flügelrauschen, einen Wutschrei der bösen Hexe, ringsum ein wüstes Durcheinander, und dann wurde er losgebunden. Feste Arme schlangen sich um ihn, und er hörte beruhigende, freundliche Stimmen.

»Legt ihn nieder!« – »Gebt ihm Wein!« – »Trink das!« «Nur ruhig!« – »In einer Minute bist du wieder wohlauf.«

Dann sprachen die Stimmen nicht mehr zu ihm, sondern untereinander. »Wo ist die Hexe?« – »Ich dachte, du hast sie?« – »Ich wand ihr das Messer aus der Hand und sah sie danach nicht mehr. Ich war hinter dem Zwerg her. Glaubst du, sie ist entflohen? Man kann doch nicht an alles auf einmal denken!« – »Da, was ist das? Ach, entschuldige, es ist nur ein alter Baumstumpf.« Doch dann fiel Edmund in tiefe Ohnmacht.

Kurz darauf zogen die Zentauren, Einhörner, die Hirsche und alle Vögel, die Aslan zu Edmunds Befreiung ausgeschickt hatte, wieder ab und nahmen ihn mit, um an den Steintisch zurückzukehren. Hätten sie gesehen, was sich nach ihrem Abzug in dem Tal ereignete, ich glaube, sie hätten sich sehr gewundert…

Es war vollkommen still geworden ringsumher, bald ließ sich der Mond wieder sehn. Wäret ihr dort gewesen, so hättet ihr im Mondlicht vielleicht einen alten Baumstumpf und einen ziemlich dicken Felsblock bemerkt, und ihr wäret vielleicht stutzig geworden. Mit dem Baumstumpf und dem Felsblock stimmte etwas nicht. Der Stumpf glich einem kleinen fetten, auf dem Boden kauernden Mann, und hättet ihr genauer hingesehen, wäret ihr nachdenklich geworden, und ihr hättet beobachtet, wie der Baumstumpf zum Felsblock hinüberging. Dieser erhob sich und fing an, mit dem Stumpf zu reden, denn in Wirklichkeit waren der Baumstumpf und der Felsblock nichts anderes als die Hexe und der Zwerg. Es war ihr Zauberwerk, daß sie die Dinge anders erscheinen ließ, als sie waren, und im entscheidenden Augenblick, als man ihr das Messer aus der Hand geschlagen hatte, benutzte sie rasch ihren Zauberstab und rettete sich und zugleich den Zwerg und natürlich auch den Stab.

Als die andern Kinder am nächsten Morgen aufwachten – sie hatten in dem Zelt auf ganzen Bergen von Kissen geschlafen –, hörten sie als erstes von der Frau Biberin, daß ihr Bruder vergangene Nacht gerettet und in das Lager gebracht worden sei. Gerade sei er bei Aslan. Nachdem sie gefrühstückt hatten, gingen sie hinaus und sahen Aslan und Edmund im taufrischen Gras miteinander auf und ab spazieren. Sie hatten sich von den übrigen Hofleuten abgesondert, und es ist gar nicht notwendig, euch zu erzählen – zumal es ja niemand hörte –, was Aslan und er zusammen redeten; doch vergaß Edmund diese Unterredung niemals.

Als die übrigen sich Aslan näherten, wandte sich dieser ihnen zu, um sie zu begrüßen, Edmund an seiner Seite.

»Hier habt ihr euern Bruder zurück«, sagte er. »Es ist überflüssig, mit ihm über das Vergangene zu sprechen.«

Edmund schüttelte jedem die Hand und sagte einem nach dem andern: »Es tut mir leid, verzeiht mir!« Und jeder antwortete: »Schon recht!« Und dann wollte jeder noch gern einige gute Worte sagen, etwas ganz Einfaches und Natürliches, Edmund sollte wissen, daß sie ihm nichts nachtrugen.

Natürlich fiel keinem etwas Rechtes ein, und bevor sie noch Zeit hatten, in Verlegenheit zu geraten, trat einer der Leoparden auf Aslan zu und berichtete: »Herr, ein Bote ist vom Feind gekommen und bittet um Gehör.«

»Laß ihn nähertreten«, sagte Aslan.