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Der Leopard lief fort und kam bald mit dem Zwerg der Hexe zurück.

»Was bringst du für eine Botschaft, Sohn der Erdtiefe?« fragte Aslan.

»Die Königin von Narnia, die Kaiserin der Einsamen Inseln, wünscht sicheres Geleit, um mit Euch zu reden«, antwortete der Zwerg, »was für Euch beide gleich wichtig ist.«

»Königin von Narnia?« brummte der Biber. »So eine Unverschämtheit!« »Halt Frieden, Biber«, ermahnte Aslan. »Bald wird alles den Namen haben, der ihm zukommt, inzwischen wollen wir nicht darüber streiten. Sage deiner Herrin, Erdsohn, daß ich ihr sicheres Geleit zubillige, unter der Bedingung, daß sie ihren Stab bei jener großen Eiche dort zurückläßt.«

Dies wurde zugestanden, und die beiden Leoparden begleiteten den Zwerg auf seinem Rückweg, um sich zu überzeugen, daß die Bedingung wirklich eingehalten wurde.

»Hoffentlich versteinert sie die beiden Leoparden nicht«, flüsterte Lucy Peter zu. Ich glaube, die Leoparden fürchteten sich auch. Sie liefen mit gesträubtem Fell, und ihr Schwanz stand so steil in die Luft wie bei einer Katze, die einem fremden Hund begegnet.

»Es wird alles gutgehn«, flüsterte Peter zurück.

»Aslan hätte sie sonst nicht geschickt!«

Wenige Minuten später schritt die Hexe selbst den Hügel hinan und trat geradewegs vor Aslan hin. Den drei Kindern, die sie nie zuvor gesehn hatten, lief es eiskalt den Rücken herunter, als sie ihr ins Gesicht blickten.

Unter den Tieren entstand Unruhe, trotz dem hellen Sonnenschein froren sie plötzlich alle. Nur Aslan und die Hexe selbst schienen ganz ruhig. Es war merkwürdig, das goldene Antlitz Aslans und das totenblasse Gesicht der Hexe so nahe beieinander zu sehen. Immerhin – das fiel der Biberin besonders auf – konnte die Hexe Aslan nicht recht ins Auge blicken.

»Ihr habt einen Verräter bei euch, Aslan«, begann die Hexe. Jeder wußte sofort, daß sie Edmund meinte. Edmund selbst aber, der nach allem, was hinter ihm lag, und besonders seit der Unterredung am Morgen, nicht mehr unablässig an sich selbst dachte, blickte Aslan ruhig an. Was die Hexe sagte, schien ihn nicht zu berühren.

»Sein Verrat richtet sich nicht gegen Euch«, bemerkte Aslan.

»Hast du den tiefen Urzauber der dämmernden Vorzeit vergessen?« frage die Hexe.

»Nimm an, ich hätte ihn vergessen«, antwortete Aslan würdevoll. »Erzähl uns davon!«

»Dir davon erzählen!« schrie die Hexe, ihre Stimme wurde immer schriller. »Dir erzählen, was hier gerade neben uns auf dem Steintisch eingegraben ist? Sind diese Buchstaben nicht so tief eingeritzt wie eine Speerbreite? Eingeritzt auf dem Feuerstein des Geheimen Hügels! Dir erzählen, was auf dem Zepter des Herrschers jenseits der Meere eingeätzt wurde? Du kennst den tiefen Urzauber, den der Herr der Herren bei Weltbeginn Narnia auferlegt hat. Du weißt genau, daß jeder Verräter laut Gesetz mir gehört, daß ich das Recht habe, jeden Treubruch zu richten. Ich habe das Recht, zu töten. Du bist der letzte, der das vergißt.«

»Oooh«, stöhnte der Biber. »Oooh, deshalb bildet sie sich ein, Königin zu sein, weil sie die Henkerin des Herrn der Herren ist.«

»Halt Frieden, Biber«, ermahnte Aslan, leise grollend.

»Und deshalb«, fuhr die Hexe fort, »gehört dieses Menschenwesen mir. Sein Leben ist mir verfallen, und sein Blut ist mein Eigentum.«

»Komm her und nimm ihn dir«, brüllte der Stier mit Menschenkopf.

»Du Narr«, sagte die Hexe mit einem Gelächter, das fast wie ein Schnauben anhub. »Glaubst du wirklich, dein Herr könnte mich durch stärkere Kräfte meiner Rechte berauben? Er kennt den Urzauber besser. Er weiß daß ganz Narnia von Feuer und Wasser verzehrt wird und untergeht, wenn ich kein Blut habe, nach dem Geheiß des Gesetzes.«

»Das ist wirklich wahr«, sage Aslan leise. »Ich leugne es nicht.«

»O Aslan«, flüsterte Suse dem Löwen ins Ohr.

»Könnten wir, wünschst du, willst du, daß wir etwas gegen den Urzauber unternehmen? Kannst du nicht etwas dagegen tun?«

»Etwas tun gegen den Willen des Herrn der Herren?«

Aslan wandte sich ihr mit gerunzelter Stirn zu, und keiner versuchte einen neuen Vorschlag.

Edmund stand an Aslans Seite. Er blickte ihn die ganze Zeit unverwandt an, aber die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Er erkannte, daß man von ihm nichts anderes erwartete, als erdulden, was verlangt wurde.

»Tretet alle zurück«, befahl Aslan, »und laßt mich mit der Hexe allein!«

Sie gehorchten. Dies Warten, die Ungewißheit, diese schreckliche Spannung, während der Löwe und die Hexe leise miteinander redeten, waren entsetzlich. Lucy stöhnte.

»O armer Edmund«, klagte sie und weinte. Peter drehte den andern den Rücken zu und starrte auf das ferne Meer.

Die Biber hielten sich mit geneigten Köpfen an den Pfoten, die Zentauren stampften unruhig mit den Hufen. Doch endlich wurde es still, so still, daß man jeden leisesten Ton vernommen hätte, das Fallen eines Blattes im Wind, das Vorbeistreichen einer Hummel oder einen Vogelruf, tief unten im Wald. Und noch immer währte das Gespräch zwischen Aslan und der Hexe. Endlich hörten sie Aslans Stimme. »Ihr könnt alle zurückkommen. Ich habe es geordnet. Sie verzichtet auf eures Bruders Blut.«

Ein Aufatmen ging durch die versammelten Scharen, die so lautlos auf dem Hügel verharrt hatten. Dann begannen alle untereinander zu murmeln.

Die Hexe, schon im Fortgehen, drehte sich mit einem Ausdruck wilden Triumphes noch einmal um und rief: »Doch woher weiß ich, ob das Versprechen eingehalten wird?«

Da erhob sich Aslan, öffnete weit seinen Rachen, ließ seine Stimme hören, und der brüllende Donner wurde lauter und lauter. Einen Atemzug lang starrte ihn die Hexe mit offenem Munde an, dann hob sie ihre Röcke hoch und rannte, als ginge es um ihr Leben.

DIE HEXE TRIUMPHIERT

Die Hexe war kaum verschwunden, da sagte Aslan: »Wir müssen sofort aufbrechen, dieser Ort hat einem anderen Zweck zu dienen. Wir werden heute nacht beim Berunafjord unser Lager aufschlagen.«

Natürlich hätte jeder für sein Leben gern gewußt, was Aslan mit der Hexe abgemacht hatte, aber sein Antlitz war streng, und der Donner seiner Stimme klang noch in allen Ohren nach, keiner wagte eine Frage.

Nachdem sie auf der Höhe des Hügels im Freien geschmaust hatten – die Sonne war schon heiß und trocknete das Gras –, waren sie eine Weile eifrig damit beschäftigt, das Zelt abzubrechen und alles einzupacken. Kurz nach dem Mittagessen wanderten sie nordwärts. Sie gingen gemächlich, denn ihr Weg war nicht weit.

Unterwegs erklärte Aslan Peter sein Vorhaben: »Sobald sie hier durchgesetzt hat, was sie wollte, wird sie sich mit ihrer Sippschaft ziemlich sicher in ihre Behausung zurückziehen und sich dort auf eine Belagerung vorbereiten. Es ist nun die Frage, ob du sie daran hindern kannst oder nicht. Es gibt zwei Möglichkeiten: Du kannst gegen die Hexe und ihre Sippschaft hier im Wald kämpfen oder ihren Sitz angreifen.« Auf der ganzen Wanderung unterwies er Peter in den Dingen, die er unternehmen sollte. Er riet ihm: »Du mußt Späher ausschicken, die genau beobachten, was sie unternimmt, und die Zentauren mußt du da und dort aufstellen.«

»Ihr selbst werdet doch dabei sein, Aslan?« fragte Peter.

»Das kann ich dir nicht versprechen«, antwortete der Leu, und dann gab er ihm weitere Ratschläge.

Erst am Ende des Weges gelang es Suse und Lucy, neben Aslan zu gehn, aber er sprach nicht viel. – Er schien ihnen traurig.

Es war noch Nachmittag, als sie zu der Stelle gelangten, wo das Flußtal breiter wurde und der Strom seichter und langsamer floß. Hier war der Fjord von Beruna, und Aslan gab Befehl, auf dem diesseitigen Ufer haltzumachen.

Doch Peter fragte: »Wäre es nicht ratsamer, auf der andern Seite zu lagern? Ich fürchte, die Hexe wird versuchen, während der Nacht anzugreifen.« Aslan, der allem Anschein nach seine Gedanken ganz anderswo hatte und zerstreut und abwesend schien, schüttelte seine herrliche Mähne und fragte: »Was hast du gesagt?« Peter wiederholte.