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An diesem Abend nach dem Tee gelang es den Kindern, wieder einmal an den Strand hinunterzulau­fen, Schuhe und Strümpfe auszuziehn, und dann fühlten sie den Sand zwischen den Zehen ihrer bloßen Füße durchrieseln.

Doch der nächste Tag war viel feierlicher. Denn da – in der großen Halle von Feeneden, der Halle mit dem Elfenbeindach, die westliche Mauer mit Pfauenfedern behängt, das östliche Tor dem Meere zugewandt, da krönte Aslan sie feierlich in Gegenwart all ihrer Freunde, unter Trompetenklang führte er sie zu den vier Thronen, und laute Rufe erschallten: »Lang lebe König Peter! Lang lebe Königin Suse! Lang lebe König Edmund! Lang lebe Königin Lucy!«

Dann sagte Aslan: »Wer einmal König in Narnia wurde, bleibt König für alle Zeiten. Vergeßt das nie und haltet es hoch in Ehren, ihr Söhne Adams und ihr Töchter Evas!«

Durch das sperrangelweit geöffnete Osttor klang der Gesang der Meermänner und Meerjungfrauen. Sie schwammen dicht am Strand und sangen Lobgesänge zu Ehren der neuen Könige und Königinnen. So saßen die Kinder nun auf ihren Thronen, hielten Zepter in ihren Händen, ehrten alle ihre Freunde und belohnten sie, den Faun Tumnus und die Biber, den Riesen Rumbelbuffel, die Leoparden und guten Zentauren, die freundlichen Zwerge und auch den Löwen. In dieser Nacht war ein großes Fest auf Feeneden, lärmende Lustbarkeit, Tanz und goldner Prunk.

Der Wein floß in Strömen bei den Klängen der Musik, und von draußen ertönte süßer und eindring­licher noch die Musik der Meerleute.

Inmitten der Festlichkeiten jedoch verschwand Aslan unbemerkt. Als die Könige und Königinnen gewahrten, daß er nicht mehr da war, sagten sie nichts darüber, denn der Biber hatte sie gewarnt. »Er wird kommen und gehen. Ihr werdet ihn an einem Tag sehn und am andern nicht mehr. Niemals läßt er sich halten. Natürlich, es gibt noch andere Länder, die auch auf ihn warten. Das ist ganz recht so. Er wird wiederkommen, aber ihr dürft nicht drängeln. Er ist wild, das wißt ihr doch, er ist kein zahmer Löwe.«

Wie ihr seht, ist nun die Geschichte fast, aber doch noch nicht ganz zu Ende.

Die zwei Könige und die beiden Königinnen regierten lange und gerecht in Narnia. Ihre Herrschaft war glücklich. Zunächst brauchte es noch viel Zeit, um die Überreste der Anhänger jener Weißen Hexe aufzuspüren und zu beseitigen. Zeitweise kamen immer wieder Gerüchte von bösen Dingen, die sich in den weiten Wäldern zutrugen.

In dem einen Monat wurde ein Werwolf gesichtet, im andern beunruhigte eine Hexe die ganze Gegend. Doch zu guter Letzt war die ganze üble Brut ausgerottet. Nun machten die vier Könige und Königinnen richtige Gesetze und sorgten für Frieden. Sie behüteten gute Bäume davor, unnötig gefällt zu werden, und befreiten die jungen Zwerge und kleinen Satyre von jeglicher Schulpflicht. Sie hielten die Geschäftemacher und sonstigen Unruhestifter im Zaum und unterstützten die guten Leute, die nach ihrem eigenen Geschmack leben und auch andere leben lassen wollten. Sie drängten die gefährlichen Riesen zurück, die ganz anders als der Riese Rumbelbuffel – die Nordgrenze Narnias überschreiten wollten. Sie schlossen Freundschaften und Bündnisse mit den Ländern jenseits des Meeres, machten Staatsbesuche und empfingen solche. Sie selbst wuchsen heran und veränderten sich von Jahr zu Jahr.

Peter war ein hoher, breitbrüstiger Mann und großer Krieger geworden und hieß nun Peter der Prächtige. Suse war eine schlanke, anmutige Frau, deren schwarze Haare fast bis an die Knöchel niederfielen. Die Könige der Länder jenseits des Meeres schickten Boten, die um ihre Hand warben. Sie hieß Suse die Sanfte. Edmund war ernster und ruhiger als Peter, gewichtig im Rate, ein weiser Richter, und wurde Edmund der Gerechte genannt. Ach, und nun gar Lucy, immer noch war sie heiter und goldlockig, und alle die Prinzen ringsumher wollten sie so gerne zu ihrem Prinzeßchen machen. Im eigenen Volk nannte man sie die tapfere Königin Lucy.

So lebten sie in Glück und Freude, und wenn sie einmal an ihr Leben in dieser Welt zurückdachten, erschien es ihnen nur wie ein Traum…

Da trug es sich eines Jahres zu, daß Tumnus, der bereits ein bejahrter und behäbiger Faun geworden war, den Fluß herunterkam und ihnen erzählte, der Weiße Hirsch sei wieder einmal im Westwald aufgetaucht, jener Weiße Hirsch, der einem Wünsche gewährt, wenn man ihn fangen kann. Da beschlossen die zwei Könige mit den beiden Königinnen und den wichtigen Hofleuten, mit Hörnern und Hunden im Westwald zu jagen und den Weißen Hirsch aufzuspüren. Und richtig, sie hatten noch nicht lange gejagt, als sie ihn sichteten. Sie folgten ihm über Stock und Stein, durch dick und dünn, bis die Pferde der Hofleute ermüdet zurückblieben und nur die vier ihn noch verfolgten. Aber da sahen sie den Hirsch im Dickicht verschwinden, wohin selbst die Pferde ihm nicht folgen konnten. Da sagte König Peter: »Edle Gefährten!« Da sie so lange schon Könige und Königinnen waren, redeten sie jetzt in einer ganz andern Sprache miteinander. »Laßt uns von unsern Pferden springen und dem seltenen Tier ins Dickicht folgen, denn mein Lebtag jagte ich noch nie ein edleres Wild.«

»Hoher Herr«, sagten die andern, »das wollen wir tun!«

So stiegen sie ab, banden die Pferde an die Bäume und schritten zu Fuß in das Dickicht. Da sagte Königin Suse: »Edle Freunde, hier ist ein Wunder. Mir scheint, ich sehe einen eisernen Baum.«

»Hohe Frau«, sprach König Edmund, »wenn Ihr genauer hinschaut, werdet Ihr einen eisernen Pfahl erkennen mit einer Laterne obendrauf.«

»Bei des Löwen Mähne, was für ein sonderbares Zeichen!« rief König Peter. »Eine Laterne unter so hohen dichten Bäumen, wo ihr Licht, selbst wenn man sie anzündete, keiner Seele leuchten würde.«

»Edler Bruder«, meinte Königin Lucy. »Die Bäume waren ursprünglich an dieser Stelle wohl niedriger, vielleicht waren ihrer auch wenige, oder sie fehlten ganz, denn dies ist ein junger Wald, und der Eisenpfahl ist alt.« Sie blieben stehn und betrachteten ihn aufmerksam. Dann sagte König Edmund: »Ich weiß nicht, wie mir ist und warum mich diese Laterne so seltsam bewegt, als hätte ich ähnliches schon einmal gesehn, vielleicht im Traum oder im Traum der Träume.«

»Mehr als dies«, sagte Königin Lucy. »Ich werde das Gefühl nicht los, als erwarteten uns hinter dem Laternenpfahl noch seltsamere Abenteuer.«

»Edle Schwester«, rief König Edmund, »mein Herz wird von der gleichen Vorahnung ergriffen.«

»Auch mir ergeht es so, edler Bruder«, sagte König Peter.

»Ich teile euer Gefühl, und deshalb folgt meinem Rat«, bat Königin Suse. »Kehren wir zu unsern Pferden zurück, und verfolgen wir den Weißen Hirsch nicht weiter.«

»Herrin«, sprach König Peter, »verzeihe, wenn ich widespreche. Haben wir vier, seitdem wir Narnia regieren, jemals ein Unternehmen im Stich gelassen, ob es nun um Krieg, um Rechtsprechung oder um andere große Taten ging? Was immer wir unternahmen, wir haben es zu Ende geführt.«

»Schwester«, sagte Königin Lucy, »mein königlicher Bruder spricht wahr. Wir müßten uns schämen, wenn wir aus Furcht umkehrten, bevor wir nicht das edle Wild erlegt haben.«

»Das ist ganz meine Meinung«, sagte König Edmund.

»Ich verlange sehnlichst danach, die Bedeutung dieses Zeichens zu ergründen. Für alle Reichtümer Narnias und des gesamten Eilandes wollte ich jetzt nicht mehr freiwillig umkehren.«

»Nun denn, im Namen Aslans!« rief Königin Suse.

So drangen die Könige und Königinnen ins Dickicht vor, und schon nach wenigen Schritten erinnerten sie sich plötzlich, daß das Ding, das sie vor sich sahen, eine Straßenlaterne war. Und als sie wieder einige Schritte gegangen waren, führte ihr Weg nicht mehr durch Zweige, sondern Mäntel streiften sie, und gleich darauf purzelten sie gemeinsam aus einer Wand­schranktür in ein leeres Zimmer hinein und waren nicht mehr Könige und Königinnen in Jagdgewändern, sondern Peter, Suse, Edmund und Lucy in ihren Alltagskleidern. Es war noch derselbe Tag, dieselbe Stunde, zu der sie sich im Wandschrank versteckt hatten.