Выбрать главу

»Ach«, schluchzte er, »ich weine, weil ich ein so böser Faun bin.«

»Ich glaub' gar nicht, daß Sie ein böser Faun sind. Sie sind der netteste Faun, den ich jemals getroffen habe.«

»Wenn Sie alles wüßten, dann würden Sie das nicht sagen. Ich bin wirklich ein böser Faun. Ich glaube, seit Weltbeginn gab es keinen schlechtem.«

»Aber was haben Sie denn getan?«

»Mein alter Vater – dort über dem Kamin hängt sein Bild – hätte niemals Derartiges getan.«

»Was denn?« fragte Lucy.

»Das, was ich tat.« Der Faun schluchzte weiter. »Diener der Weißen Hexe zu werden! Das bin ich nämlich. Ich stehe in ihrem Sold.«

»Die Weiße Hexe? Wer ist denn das?«

»Ei nun! Sie hat ganz Narnia unter ihrer Fuchtel. Sie macht immerzu Winter. Immerzu Winter und niemals Weihnachten! Stellen Sie sich das einmal vor!«

»Wie schrecklich«, sagte Lucy. »Aber wofür bezahlt sie Sie denn?«

»Das ist ja das Schlimmste von allem«, klagte Herr Tumnus mit einem Seufzer. »Ich bin ihr Werber, ihr Menschenfänger. Ja, das bin ich. Sehn Sie mich nur an, Evastochter. Würden Sie das für möglich halten? Ich gehörte zu der Sorte von Faunen, die arme, unschuldige Kinder, wenn sie ihnen im Walde begegnen, Kinder, die ihnen niemals etwas zuleide getan haben, freundlich in ihre Höhle einladen, nur um sie einzulullen und dann der weißen Zauberin auszuliefern.«

»Nein«, sagte Lucy, »so etwas könnten Sie nie tun.«

»Doch, ich tat es!« jammerte der Faun.

»Nun denn«, begann Lucy möglichst ruhig, sie wollte nicht zu schroff mit ihm sein, sondern ihn trösten, »das war wirklich schlecht, aber da es Ihnen so leid tut, werden Sie es nun bestimmt nicht wieder tun.«

»Ach, Evastochter, Sie verstehn mich gar nicht. Ich erzähle nicht nur so irgend etwas. Ich habe es nicht schon früher getan. Ich tue es eben jetzt.«

»Was soll das heißen?« schrie Lucy und erbleichte.

»Sie sind das Kind«, klagte Herr Tumnus. »Ich hatte Befehl von der Hexe, sollte ich jemals eine Evastochter oder einen Adamssohn im Walde antreffen, dann hätte ich sie zu fangen und ihr auszuliefern. Und wie ich Ihnen begegnete – Sie waren die erste, die ich jemals sah –, tat ich, als sei ich Ihr Freund, bat Sie zum Tee und wartete die ganze Zeit nur darauf, daß Sie einschliefen. Dann wollte ich zu ihr gehn, es ihr erzählen und Sie ihr ausliefern.«

»Aber das werden Sie doch nicht tun, Herr Tumnus! Nein, das tun Sie sicherlich nicht. Sie dürfen es nicht tun.«

»Wenn ich es nicht tue«, jammerte er und weinte aufs neue, »wird sie es bestimmt herausbekommen. Sie wird mir den Schwanz abschneiden und die Hörner absägen und meinen Bart ausrupfen, und sie wird ihren Zauberstab über meine schön gespaltenen Hufe schwingen und sie in scheußlich verklumpte Hornbatzen verzaubern, wie es die armen Pferde haben. Falls sie besonders wütend ist, wird sie mich versteinern, ich werde nur noch als eine Faunfigur neben den vier Thronen in ihrem schrecklichen Haus auf Feeneden stehn. Gott weiß, was alles geschehn kann und noch draus werden wird.«

»Es tut mir sehr leid, Herr Tumnus, aber bitte lassen Sie mich jetzt nach Hause.«

»Selbstverständlich sollen Sie nach Hause gehn. Auch ich halte es nun für das beste. Ich sehe es ein. Bevor ich Sie traf, wußte ich nicht, wie Menschen sind. Seitdem ich Sie kenne, kann ich Sie nicht der Hexe ausliefern. Doch wir müssen sofort weg. Wenn Sie nur erst an der Laterne wären. Ich hoffe, von da aus werden Sie den Weg nach Wandschrank leicht finden.«

»Bestimmt finde ich ihn.«

»Wir müssen so rasch wie möglich fort«, drängte er.

»Der ganze Wald wimmelt von Spionen. Sogar einige Bäume stehn auf ihrer Seite.«

Sie ließen das Teegeschirr auf dem Tisch. Herr Tumnus spannte seinen Regenschirm auf und reichte Lucy den Arm. Sie liefen hinaus in den Schnee; ach, wie anders war der Rückweg nun. Ohne ein Wort zu sprechen, stolperten sie so schnell wie möglich vorwärts. Herr Tumnus wählte die dunkelsten Pfade. Lucy war erleichtert, als sie die Laterne erreicht hatten.

»Finden Sie von hier aus Ihren Weg?« fragte er.

Lucy spähte durch die Bäume. In einiger Entfernung konnte sie gerade noch einen Schimmer erkennen, der wie Tageslicht aussah.

Ja«, rief sie. »Ich sehe die Schranktür.«

»Dann sputen Sie sich, so rasch Sie nur können. Und werden Sie mir jemals vergeben… für das, was ich Ihnen antun wollte?«

»Natürlich vergebe ich Ihnen.« Lucy schüttelte ihm herzlich die Hand. »Ich hoffe nur, Sie kommen meinetwegen nicht in schreckliche Unannehmlichkeiten.«

»Leben Sie wohl«, sagte er, »darf ich das Taschentuch behalten?«

»Aber gewiß doch«, rief Lucy, und so schnell es nur ging und ihre kleinen Beine sie trugen, rannte sie auf das Tageslicht zu; bald darauf streiften sie keine rauhen Zweige mehr, bloß Mäntel, und unter ihren Füßen spürte sie keinen Schnee, sondern Holzboden, und schon sprang sie mit einem Satz aus dem Wandschrank und stand in dem leeren Zimmer, wo das ganze Abenteuer begonnen hatte. Sie schlug die Schranktür fest hinter sich zu, schnappte nach Luft und schaute sich um. Es regnete noch, und sie hörte die Stimmen der andern draußen im Gang.

»Da bin ich wieder, da bin ich wieder!« schrie sie.

EDMUND UND DER WANDSCHRANK

Lucy rannte aus dem leeren Zimmer in den Flur hinaus und traf dort die drei anderen.

»Ich bin zurück!« rief sie. »Ich bin zurück!«

»Wovon redest du eigentlich, Lucy?« fragte Suse.

»Ja, habt ihr euch denn nicht gewundert, wo ich so lange geblieben bin?« fragte sie erstaunt.

»Du hattest dich versteckt«, meinte Peter. »Arme alte Lu, versteckt sich, und wir bemerken es gar nicht. »Wenn du willst, daß wir dich vermissen, mußt du dich schon länger verstecken.«

»Aber ich bin ja viele Stunden lang fortgewesen«, versicherte Lucy.

Die andern starrten sie an.

Edmund tippte an seine Stirn. »Übergeschnappt, völlig übergeschnappt«, brummte er.

»Was meinst du eigentlich damit, Lu?« fragte Peter.

»Genau was ich sagte. Ich bin gleich nach dem Frühstück in den Wandschrank und blieb viele Stunden lang fort, hab' Tee getrunken, und es hat sich sehr viel ereignet.«

»Sei doch nicht so albern, Lucy«, schalt Suse. »Wir sind eben erst aus dem Zimmer heraus, und da warst du noch mit uns zusammen.«

»Sie ist gar nicht so albern«, sagte Peter. »Sie erfindet bloß eine Geschichte, um sich wichtig zu machen. Gell, Lucy, und warum auch nicht?«

»Nein, nein, Peter, nein! Es ist ein Zauberschrank. Im Innern ist ein Wald. Da schneit es, und ein Faun und eine Hexe sind dort. Das Land heißt Narnia. Komm mit und überzeuge dich davon.«

Die andern wußten nicht, was sie sagen sollten. Lucy war furchtbar aufgeregt, und so folgten sie ihr in das Zimmer. Sie lief voraus und riß die Schranktür auf. »Da, geht hinein!« schrie sie. »Schaut selbst nach.«

»Aber, du Dummerchen«, sagte Suse, steckte ihren Kopf in den Schrank und zog die Pelzmäntel beiseite. »Es ist doch nur ein ganz gewöhnlicher Schrank. Dahinten ist die Wand.«

Einer nach dem andern schaute hinein und schob die Mäntel zur Seite. Lucy sah es nun auch. Sie fand keinen Wald und keinen Schnee, nur die Rückwand mit Kleiderhaken daran. Peter stieg hinein und polterte sogar mit den Fäusten an die Wand.

»Ein guter Spaß, Lucy«, sagte er lachend, als er wieder herauskam.

»Du hast uns schön angeführt, alle Achtung. Fast hätten wir dir geglaubt.«

»Aber es war doch gar kein Spaß«, versicherte Lucy.

»Noch gerade eben war alles ganz anders. Ehrenwort!«

»Komm, Lu«, beruhigte sie Peter. »Das geht doch ein bißchen zu weit. Du hast deinen Spaß mit uns gehabt, und nun mach Schluß damit.«