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»Ja, Majestät.«

»Und will Er mir sagen, wie Er in mein Reich kam?«

»Bitte sehr, Eure Majestät, durch einen Wand­schrank.«

»Durch einen Wandschrank? Was meint Er damit?«

»Ich habe eine Tür geöffnet, und auf einmal war ich hier, Eure Majestät«, antwortete Edmund.

»Ha«, sprach die Königin mehr zu sich selbst. »Eine Tür, eine Tür aus der Menschenwelt. Davon hatte ich schon gehört. Das kann zum Verderben führen. Aber es ist nur einer allein, mit dem werde ich leicht fertig!« Nach diesen Worten richtete sie sich auf und schaute Edmund voll ins Gesicht. Ihre Augen blitzten, und im gleichen Augenblick schwang sie ihren Stab. Edmund spürte, daß sie im Begriff war, etwas Schreckliches zu tun, aber er war unfähig, sich von der Stelle zu rühren. Da… als er sich bereits verloren gab, änderte sie anscheinend ihren Entschluß. Mit einer ganz andern Stimme sagte sie: »Das arme Kind, wie verfroren es aussieht. Komm Er her, setze Er sich zu mir in den Schlitten. Ich werde meinen Mantel über Ihn ausbreiten, und wir wollen plaudern.«

Edmund gefiel das gar nicht, aber er wagte nicht, ungehorsam zu sein. Er stieg also in den Schlitten und setzte sich zu ihren Füßen. Sie umhüllte ihn mit einer Falte ihres Pelzmantels und packte ihn hübsch warm ein.

»Vielleicht möchte Er etwas Heißes trinken?«

»O ja, bitte, Eure Majestät«, sagte Edmund, denn seine Zähne klapperten. Da zog die Königin aus ihrem Gewand ein Fläschchen hervor, das blinkte wie Kupfer. Dann streckte sie den Arm aus und ließ einen Tropfen neben den Schlitten in den Schnee fallen. Edmund sah den Tropfen eine Sekunde lang wie einen Diamanten in der Luft glitzern. Sowie er den Schnee berührte, gab es einen zischenden Laut, und ein dampfender Becher, mit Juwelen geschmückt, stand im Schnee. Der Zwerg hob ihn sogleich auf und über­reichte ihn Edmund mit einer Verbeugung und einem Lächeln. Es war kein sehr schönes Lächeln.

Als Edmund den heißen Trank schlürfte, wurde ihm schon viel wohler. Nie zuvor hatte er etwas derart Köstliches genossen. Es war sehr süß und sahnig, perlte und wärmte ihn bis zu den Zehen hinunter.

»Es ist unbefriedigend, Adamssohn, zu trinken, ohne zu essen«, sagte die Königin gleich darauf. »Was möchte Er am liebsten essen?«

»Türkischen Honig, bitte, Eure Majestät«, sagte Edmund.

Die Königin ließ einen andern Tropfen aus ihrer Flasche in den Schnee fallen, und sogleich erschien dort eine runde Schachtel, die mit einer grünseidenen Schleife gebunden war. Darin war bester türkischer Honig, gleich mehrere Pfund, und jedes Stückchen war bis zuletzt zart und süß. Edmund hatte nie so Leckeres geschmaust. Jetzt war er vollständig warm und fühlte sich sehr behaglich.

Während er aß, fragte ihn die Königin aus. Zuerst gab sich Edmund Mühe, nicht mit vollem Mund zu reden. Er erinnerte sich noch daran, wie ungezogen das ist, aber bald vergaß er es und dachte an nichts anderes, als soviel türkischen Honig wie nur möglich in sich hineinzustopfen; doch je mehr er aß, um so gieriger verlangte er danach. Es kam ihm gar nicht in den Sinn zu überlegen, warum die Königin so neugierig war. Er mußte ihr erzählen, daß er noch einen Bruder und zwei Schwestern hatte, daß eine Schwester bereits in Narnia gewesen und hier einem Faun begegnet sei und daß kein anderer außer ihm selbst, seinem Bruder und seinen Schwestern das geringste von Narnia wüßte. Sie wollte gar nicht glauben, daß sie ihrer vier waren. Sie kam immer wieder darauf zurück.

»Seid ihr bestimmt vier?« fragte sie. »Ganz bestimmt vier? Zwei Adamssöhne und zwei Evas­töchter? Ausgerechnet vier? Nicht mehr oder weniger?«

Den Mund voll von türkischem Honig, wiederholte er. »Aber ja doch, ich erzählte es Ihnen ja schon.« Und er vergaß sogar, sie mit »Eure Majestät« anzureden. Doch jetzt schien sie das gar nicht zu stören. Zuletzt war der türkische Honig aufgegessen, und Edmund sah enttäuscht in die leere Schachtel. Er hoffte, sie würde ihm noch mehr davon anbieten. Die Königin wußte natürlich genau, was er dachte; aber er ahnte nicht, daß es verzauberter türkischer Honig war und daß jeder, der einmal davon gekostet hatte, mehr und immer mehr haben wollte, ja so lange immer wieder danach begehrte, bis er starb. Aber sie bot ihm nichts mehr an, sondern sagte: »Adamssohn, ich würde so gern Seinen Bruder und Seine zwei Schwestern sehn. Bring Er sie mir, damit ich sie kennenlerne.«

»Ich werde es versuchen«, meinte Edmund. Er guckte noch immer in die leere Büchse.

»Wenn Er wiederkommt und sie mitbringt, kann Er so viel türkischen Honig haben, wie Er will. Aber jetzt nicht mehr. Der Zauber wirkt nur einmal. In meinem eigenen Haus ist es natürlich anders.«

»Warum gehn wir nicht schon jetzt zu Ihnen?« fragte Edmund.

Als er vorhin in den Schlitten gestiegen war, fürchtete er, sie würde mit ihm irgendwohin fahren, von wo aus er nicht mehr nach Hause fände. Aber jetzt hatte er alle Furcht verloren.

»Mein Haus ist herrlich«, erzählte die Königin. »Es wird Ihm sicher dort sehr gut gefallen. Da gibt es ganze Zimmer voll von türkischem Honig und viel anderes mehr. Aber was wichtiger ist, ich habe keine eigenen Kinder, ich wünschte mir schon lange einen netten Jungen, aus dem ich einen Prinzen machen könnte. Nach meinem Tod würde er König von Narnia werden. Sobald er Prinz ist, wird er eine goldene Krone tragen, und dann kann er jeden Tag so lange türkischen Honig essen, wie er mag. Er ist der gescheiteste und hübscheste Junge, dem ich jemals begegnet bin. Ich glaube, ich werde Ihn eines Tages zum Prinzen erklären… an dem Tag, an dem Er mit den andern zu mir kommt.«

»Warum nicht schon jetzt?« fragte Edmund. Sein Gesicht war rot geworden, und mit seinem klebrigen Mund und seinen klebrigen Fingern sah er gar nicht mehr hübsch aus, was auch die Königin sagen mochte.

»Nein, wenn ich Ihn jetzt mit mir nähme, würde ich Seine Schwestern und Seinen Bruder nicht zu Gesicht bekommen. Zu gern machte ich die Bekanntschaft seiner liebwerten Verwandtschaft. Kein Zweifel, Er wird Prinz und später König. Aber Er braucht einen Hofstaat um sich, und so will ich Seinen Bruder zum Herzog ernennen und Seine Schwestern zu Herzogin­nen.«

»Ach, mit denen ist nicht viel los«, sagte Edmund, »die kann ich auch später noch bringen.«

»Nein, wenn Er erst einmal in meinem Haus ist«, erklärte die Königin, »könnte Er alles vergessen. Er hätte so viel Vergnügungen, daß Er kein Verlangen mehr hätte, sie herbeizuholen. Nein, Er muß jetzt in sein eigenes Land zurück und eines Tages mit ihnen wiederkommen. Versteht Er das? Es würde Ihm schlecht bekommen, wenn Er sich ohne sie hier sehn ließe.«

»Aber ich weiß ja gar nicht mehr den Weg in mein eigenes Land.«

»Das ist keine Schwierigkeit«, sagte die Königin.

»Sieht Er die Laterne dort?« Sie zeigte mit ihrem Stab.

Edmund wandte sich um und erblickte die Straßenlaterne, unter der Lucy dem Faun begegnet war. »Dahinter führt der Weg geradeaus in die Menschen­welt. Nun sehe Er sich den andern Weg an.« Dabei drehte sie sich nach der entgegengesetzten Richtung. »Kann Er die beiden Hügel hinter den Bäumen erkennen?«

»Ich glaube, ja.«

»Nun, zwischen diesen Hügeln liegt mein Palast. Wenn Er das nächste Mal kommt, muß Er die Straßenlaterne suchen, die Blicke auf jene zwei Hügel richten und den Wald durchschreiten, bis Er mein Haus erreicht. Aber vergesse Er nicht, die andern mitzubrin­gen. Käme Er ohne sie, dann würde es Ihm sehr übel ergehn.«

»Ich werde tun, was ich kann«, versprach Edmund.

»Im übrigen erwähne Er mich nicht. Wäre es nicht hübsch, es bliebe zwischen uns geheim? Was meint Er dazu? Überrasche Er die Geschwister damit! Bringe Er sie gerade nur bis zu den Hügeln. Ein gescheiter Junge wie Er wird das schon zustande bringen und eine Ausrede finden. Sobald Er an meinem Haus ist, sagt Er bloß Laßt uns einmal hineinschaun und nachsehn, wer da wohnt oder so etwas Ähnliches. Ich glaube, so geht es am besten. Da Seine Schwester einen Faun kennen­gelernt hat, wird sie allerhand häßliche Geschichten über mich gehört haben und sich fürchten, zu mir zu kommen. Was schwatzen Faune nicht alles zusammen, das kann Er sich denken. Und jetzt…«