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»Ach, bitte, bitte«, rief Edmund, nachdem er aus dem Schlitten gestiegen war, »bitte, kann ich noch ein bißchen türkischen Honig für den Heimweg haben?«

»Nein, nein«, sagte die Königin lachend. »Da muß Er schon bis zum nächstenmal warten.« Noch während sie sprach, gab sie dem Zwerg ein Zeichen, loszufah­ren, aber als der Schlitten davonglitt, winkte die Königin und rief: »Das nächste Mal, das nächste Mal! Vergesse Er nicht und komme Er bald!«

Edmund starrte dem Schlitten nach, da hörte er seinen Namen rufen, er schaute sich um und sah Lucy von einer andern Seite des Waldes auf sich zukommen.

»O Edmund«, rief sie, »du hast also auch den Weg hierher gefunden. Ist es nicht wunderbar? Und nun…«

»Schon recht«, unterbrach sie Edmund. »Ich gebe alles zu, du hattest recht. Es ist ein Zauberschrank. Ich will Abbitte leisten, wenn dir daran liegt. Doch wo hast du so lange gesteckt? Überall habe ich dich gesucht.«

»Hätte ich gewußt, daß du auch hierherkommst, hätte ich auf dich gewartet«, entschuldigte sich Lucy. Wie überaus glücklich war sie, wie aufgeregt; sie bemerkte gar nicht, wie schnippisch Edmund redete, wie erhitzt sein Gesicht aussah und wie seltsam.

»Ich habe mit dem lieben Herrn Tumnus, dem Faun, gefrühstückt. Er ist wohlauf. Die Weiße Hexe hat ihm nichts zuleide getan. Sie hat wahrscheinlich gar nicht erfahren, daß er mich gehn ließ, und nun wird wohl alles gut werden.«

»Die Weiße Hexe?« fragte Edmund. »Wer ist das?«

»Eine schreckliche Person«, sagte Lucy. »Sie nennt sich Königin von Narnia, hat aber kein Recht dazu. Sie ist gar keine Königin. Alle Faune, Wald- und Brunnen­nymphen, die Zwerge und die Tiere, alle Guten im Land hassen sie. Sie kann alles in Stein verwandeln und ihnen schreckliche Dinge antun. Durch ihre Zauberei ist in Narnia immerzu Winter und niemals Weihnachten! Sie fährt in einem Schlitten umher, den Rentiere ziehn. Sie hat einen Zauberstab in der Hand und eine Krone auf dem Kopf.«

Edmund fühlte sich schon unbehaglich genug, da er zuviel Süßes gegessen hatte, und als er nun hörte, daß die Dame, mit der er sich angefreundet hatte, eine gefähr­liche Hexe sei, wurde ihm noch unbehaglicher zumute. Doch dachte er noch an den türkischen Honig und begehrte nichts so sehr, als ihn wieder zu schlecken.

»Wer erzählte dir denn solchen Unsinn über die Weiße Hexe?« fragte er.

»Der Faun, der Herr Tumnus.«

»Man kann nicht alles glauben, was solche Faune reden.«

»Warum denn nicht?«

»Das weiß doch jeder. Frag, wen du willst. Aber es ist ein zweifelhaftes Vergnügen, hier im Schnee herumzulungern. Laß uns nach Hause gehn.«

»Ja, nach Hause«, stimmte ihm Lucy zu. »Ach, Edmund, ich bin so glücklich, daß du gekommen bist. Nun müssen auch die andern an Narnia glauben. Jetzt sind schon zwei von uns hier gewesen. Was wird das für einen Spaß geben!«

Doch Edmund dachte im stillen, daß es für ihn gar kein solcher Spaß sei; jetzt mußte er vor den andern zugeben, daß Lucy im Recht gewesen war. Er war fest überzeugt, die andern würden alle ganz auf Seiten des Fauns und der Tiere stehn. Er aber war schon fast ganz auf Seiten der Zauberin. Wie sollte er das Geheimnis bewahren, wenn die andern über Narnia sprachen?

Inzwischen waren sie ein großes Stück gelaufen, und plötzlich spürten sie Mäntel um sich statt der Zweige, und im nächsten Augenblick standen sie beide außerhalb des Wandschranks im leeren Zimmer. Edmund hatte zwar törichterweise die Schranktür ins Schloß geworfen, aber die andern hatten nach den beiden im Wandschrank gesucht und nicht gut zugeschlossen.

»Edmund«, rief Lucy, »wie siehst du aus? Ist dir schlecht?«

»Mir fehlt nichts«, brummte Edmund. Aber das war nicht wahr. Er fühlte sich recht elend.

»Komm«, bat Lucy. »Wir wollen die andern suchen. Was haben wir ihnen alles zu erzählen, und welch wunderbare Abenteuer erwarten uns, wenn wir erst einmal alle miteinander dort sind!«

ZURÜCK AUS NARNIA

Die andern spielten noch immer Verstecken, so brauchten Lucy und Edmund einige Zeit, um sie zu finden, und als sie endlich alle beisammen waren – in dem Saal mit den Rüstungen –, sprudelte Lucy los.

»Peter, Suse, es ist alles wahr. Edmund hat es nun auch gesehn. Man kommt wirklich durch den Wandschrank in ein anderes Land. Wir beide trafen uns dort im Wald. Los, Edmund, erzähl es ihnen.«

»Was soll das heißen, Ed?« fragte Peter.

Und jetzt sind wir an der unangenehmsten Stelle unserer Geschichte. Bis zu diesem Augenblick hatte sich Edmund verdrießlich, elend und verärgert gefühlt, weil Lucy recht gehabt hatte; nun wußte er sich nicht mehr zu helfen, weil Peter ihn so plötzlich fragte, und so entschloß er sich zum denkbar Häßlichsten und Gemeinsten, nämlich Lucy im Stich zu lassen.

»So erzähl doch schon, Ed«, drängte Suse.

Edmund tat sehr überlegen, als sei er der viel Ältere dabei war bloß ein Jahr Unterschied zwischen Lucy und ihm –, dann sagte er von oben herab: »Nun ja, Lucy und ich spielten zusammen. Wir taten so, als gäbe es wirklich ein Land im Wandschrank. Nur so zum Spaß natürlich. Es ist natürlich nichts da.«

Die arme Lucy warf ihm einen Blick zu und rannte aus dem Zimmer. Edmund, der jeden Augenblick unausstehlicher wurde, bildete sich ein, großen Erfolg zu haben, und fügte noch hinzu: »Da läuft sie wieder weg. Was hat sie denn nur? Man hat seine liebe Not mit so kleinen Gören, weil sie immer…«

»Hör einmal«, rief Peter wütend, »mach jetzt Schluß damit! Du hast dich geradezu ekelhaft gegen Lucy benommen schon von dem Augenblick an, wo sie den Unsinn mit dem Schrank aufbrachte. Nun spielst du auch noch so dummes Zeug mit ihr und setzt ihr den Blödsinn aufs neue in den Kopf. Ich glaube, du tust es aus lauter Bosheit.«

»Aber es ist ja doch alles Unsinn«, sagte Edmund bestürzt.

»Selbstverständlich ist es Unsinn«, bestätigte Peter.

»Das ist es eben. Als wir von daheim abreisten, war Lucy völlig in Ordnung, aber seitdem wir hier sind, scheint sie entweder übergeschnappt zu sein und es geht alles in ihrem Kopf durcheinander, oder sie hat sich in eine Lügnerin verwandelt. Nun, wie dem auch sei, was versprichst du dir davon: An einem Tag ver­höhnst du sie und am nächsten ermutigst du sie noch.«

»Ich dachte, ich dachte…«, stammelte Edmund.

»Du hast dir überhaupt nichts gedacht«, schalt Peter.

»Es ist lediglich Gemeinheit. Du benimmst dich gegen Jüngere immer ekelhaft. Das kennen wir von der Schule her.«

»Hört bitte auf«, bat Suse. »Streit zwischen uns macht die Sache nicht besser. Wir wollen uns um Lucy kümmern.«

Sie waren nicht überrascht, als sie bald darauf Lucy in Tränen aufgelöst fanden. Was sie auch sagten, sie hielt an ihrer Geschichte fest und erklärte: »Mir ist es ganz gleich, was ihr denkt, und mir ist es auch gleich, was ihr sagt. Ihr könnt es dem Professor erzählen oder an Mutter nach Hause schreiben. Ihr könnt machen was ihr wollt. Ich weiß, ich bin einem Faun begegnet, ach ich wünschte, ich wäre in jenem Land geblieben! Ihr seid alle Ekel, Ekel seid ihr!«

Es war ein unerfreulicher Abend. Lucy war unglücklich, und Edmund sah ein, daß es mit seinem Plan nicht so ging, wie er erwartet hatte. Die zwei älteren Geschwister glaubten tatsächlich, Lucy sei nicht mehr richtig im Kopf.

Sie standen im Flur und sprachen darüber, und noch lange, nachdem Lucy zu Bett gegangen war, flüsterten und tuschelten sie miteinander.