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Eines Morgens beim Saubermachen fragte er Smith: »Verzeihen Sie, Sir, glauben Sie, daß es Mr. Bellingham gutgeht?«

»Was meinen Sie damit, Styles?«

»Ich meine, ob er ganz richtig im Kopf ist, Sir.«

»Warum bezweifeln Sie das?«

»Naja, ich weiß nicht. Sein Benehmen ist in letzter Zeit so seltsam. Er ist nicht mehr der alte, wenn er auch nie so war wie meine anderen jungen Herren, um die ich mich gekümmert habe, wie Mr. Hastie oder Sie, Sir. In letzter Zeit hat er aber angefangen, irgendwelche schlimmen Selbstgespräche zu führen. Stört Sie das eigentlich nicht? Ich weiß nicht, was ich mit ihm machen soll, Sir.«

»Was geht Sie das überhaupt an, Styles?«

»Es interessiert mich einfach, Mr. Smith. Vielleicht ist es aufdringlich von mir, doch ich kann es nicht ändern. Manchmal meine ich, ich müsse meinen jungen Herren Vater und Mutter gleichzeitig sein. Wenn irgend etwas passiert, bin ich für die Verwandten an allem schuld. Was ist nur mit Mr. Bellingham, Sir? Wer läuft in seinem Zimmer herum, wenn er ausgegangen ist und die Tür von außen abgeschlossen?«

»Was? Sie phantasieren wohl, Styles.«

»Vielleicht, Sir; doch meinen Ohren kann ich noch trauen, und die Schritte habe ich mehr als einmal gehört.«

»Unsinn, Styles!«

»Sehr wohl, Sir. Sie läuten, wenn Sie mich brauchen.«

Smith gab nicht viel um das Geschwätz des greisen Hausdieners, doch ein Vorfall, der sich einige Tage später zutrug und ihm äußerst unangenehm war, ließ ihn unwillkürlich wieder an Styles' Worte denken. An einem späten Abend saß Bellingham bei ihm und erzählte interessante Geschichten über die Felsengräber von Beni Hassan in Oberägypten. Plötzlich hörte Smith ganz deutlich, wie sich im unteren Stockwerk eine Tür öffnete. Auf sein Gehör konnte er sich Verlassen, so daß kein Zweifel möglich war.

»Da hat jemand Ihre Tür geöffnet. Haben Sie noch Besuch?«

Bellingham sprang auf und wußte einen Moment lang, halb ungläubig, halb ängstlich, nicht, was er machen sollte.

»Ich habe die Tür doch abgeschlossen. Ich bin ganz sicher, daß ich sie abgeschlossen habe«, stammelte er. »Kein Mensch könnte die Tür öffnen.«

»Jedenfalls höre ich jemand die Treppe heraufkommen«, sagte Smith.

Bellingham stürzte hinaus, schlug die Tür hinter sich zu und jagte die Treppe hinunter. Ungefähr auf halbem Weg hörte Smith ihn stehenbleiben und sich im Flüsterton mit jemandem unterhalten. Im nächsten Augenblick fiel die Tür unten krachend ins Schloß, und Bellingham kam mit dicken Schweißperlen auf dem Gesicht zurück.

»Alles in Ordnung«, sagte er und fiel erschöpft in einen Sessel. »Es war nur der blöde Hund. Er hat die Tür aufgestoßen, ich hatte vergessen, sie abzuschließen.«

»Ich wußte gar nicht, daß Sie einen Hund halten«, sagte Smith langsam und sah seinem Gegenüber skeptisch in das verstörte Gesicht.

»Ich habe ihn noch nicht lange, und ich muß ihn bald wieder loswerden. Er ist eine richtige Plage.«

»Das glaube ich gern, wenn er schon so geschickt im Öffnen von Türen ist. Eigentlich sollte es doch nicht nötig sein, die Tür zu verriegeln, um einen Hund daran zu hindern, frei herumzulaufen.«

»Ich wollte verhindern, daß der alte Styles ihn herausläßt. Das Tier ist ziemlich wertvoll, und es wäre sehr ärgerlich, wenn es davonliefe.«

»Ich habe Hunde auch ganz gern«, sagte Smith, während er seinen Nachbarn aus dem Augenwinkel beobachtete. »Darf ich ihn mir einmal ansehen?«

»Natürlich, doch heute abend geht es leider nicht. Ich habe noch eine Verabredung. Geht diese Uhr richtig? Dann bin ich schon eine Viertelstunde zu spät. Sie entschuldigen mich bitte.«

Er nahm seinen Hut und eilte aus dem Zimmer. Trotz der Verabredung hörte Smith, wie er in sein eigenes Zimmer zurückging und die Tür hinter sich verriegelte.

Nach diesem Vorfall wußte Smith sicher, daß er mit seiner neuen Bekanntschaft äußerst vorsichtig sein mußte. Bellingham hatte ihn angelogen, und das hatte er in einer so plumpen Art getan, daß er triftige Gründe haben mußte, sich so bloßzustellen. Smith wußte, daß sein Nachbar keinen Hund hatte. Er war sich auch ganz sicher, daß die Schritte auf der Treppe nicht von einem Tier stammten. Doch was konnte es dann gewesen sein? Da war die Aussage des alten Styles, der jemand im Zimmer auf und ab laufen gehört hatte, als eigentlich niemand zu Hause war. Vielleicht eine Frau? Der Gedanke gefiel Smith. Wenn es so wäre, würde das für Bellingham Schande und Verbannung bedeuten, sobald die Verwaltung dahinterkäme. Das könnte auch der Grund für seine Nervosität und seine dummen Ausflüchte sein. Doch schließlich erschien es ihm mehr als unwahrscheinlich, daß ein Student eine Frau in seinem Zimmer verbergen konnte, ohne daß das sofort auffiel. Wie dem auch sei, die ganze Geschichte war ihm so zuwider, daß er beschloß, jede weitere Vertraulichkeit seines schwammigen, am Ende bestimmt für sich und andere ungesunden Nachbarn unerbittlich abzublocken.

Doch in dieser Nacht sollte er nicht mehr zum Arbeiten kommen. Kaum hatte er wieder ein Buch in der Hand, als er schnelle Schritte, immer drei Stufen auf einmal, die Treppe hinaufstürmen hörte: Sportsmann Hastie stattete ihm noch einen Besuch ab.

»Immer noch an der Arbeit!« sagte er und plumpste in seinen Lieblingssessel. »Was bist du nur für ein Kerl, daß du gar nicht aufhören kannst, zu pauken! Ein Erdbeben könnte dich wohl nicht von deinen Büchern aufschrecken, du würdest zwischen den Trümmern von Oxford hocken bleiben und weiterbüffeln. Ich will dich aber nicht lange stören. Ein Pfeifchen, dann bin ich wieder weg.«

»Was gibt's also Neues?« fragte Smith, während er mit dem Zeigefinger seine Pfeife stopfte.

»Nichts Besonderes. Wilson hat siebzig Punkte für die Erstsemester gegen die Elfer gemacht. Er soll jetzt wohl für Buddicomb in die Mannschaft, denn der ist total außer Form. Früher war er mal ein ganz guter Werfer, doch heute bringt er absolut nichts mehr.«

»Ein absolut schwacher Patzer, das sieht man doch sofort.« Smith war wie die meisten seiner Kommilitonen ein eingefleischter Kricketfan.

»Naja«, erwiderte Hastie, »auf nassem Boden war er früher ein echt gefährlicher Mann. Übrigens, hast du davon gehört, was dem langen Norton passiert ist?«

»Was denn?«

»Er ist überfallen worden.«

»Überfallen?«

»Ja, direkt an der Ecke High Street, hundert Meter vor dem Tor der alten Uni.«

»Und? Wer war es?«

»Tja, das ist der Punkt. Du hättest besser gefragt, was war es! Norton schwört, daß es kein Mensch war, und als ich die Abdrücke an seinem Hals sah, war ich sehr geneigt, ihm zu glauben.«

»Was soll denn das jetzt? Glaubt ihr jetzt schon an Gespenster?«

Abercrombie Smith paffte verächtlich seinen Knaster.

»Nein, natürlich nicht. Ich glaube eher, daß es ein Menschenaffe gewesen sein könnte, der irgendeinem Zirkus stiften gegangen ist. Norton geht diesen Weg jeden Abend ungefähr zur selben Zeit. Über dem Weg hängt ein Ast der großen Ulme aus Rainys Garten. Norton glaubt, daß die Kreatur auf diesem Ast auf ihn gewartet hat, um sich auf ihn zu stürzen. Jedenfalls hätten ihn fast zwei Arme umgebracht, von denen er sagt, sie seien so stark und so dünn wie Stahlseile gewesen. Sehen konnte er nichts, nur diese beiden unheimlichen Arme, die versuchten, ihm das Genick zu brechen. Er schrie, was er konnte, ein paar Jungs kamen schließlich zu Hilfe, und die Gestalt sprang wie eine Katze über die Gartenmauer, ohne daß Norton sie nur einen Augenblick lang in voller Größe sehen konnte. Ich kann dir sagen, er war zu Tode erschrocken. Er sah aus, als sei ihm der Teufel persönlich begegnet.«