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»Sind Sie jetzt zufrieden?« schnappte Bellingham. Sein Gesicht war nur noch Haß und Furcht vor seinem Peiniger.

»Nein; ich muß endgültig aufräumen in Ihrer verfluchten Zauberküche. Die Schwarze Magie muß ein Ende haben. Weg mit diesen getrockneten Blättern, wer weiß, wozu die gut sein können.«

Bellingham ließ auch sie in Rauch aufgehen. - »Und was noch?«

»Jetzt die Papyrusrolle, die damals auf Ihrem Tisch lag. Sie ist in der Schublade dort, nicht wahr?«

»Nein, nein!« schrie Bellingham, »das dürfen wir nicht! Sie wissen ja nicht, was Sie tun; die Rolle ist unwiederbringlich, einmalig; sie enthält ein Wissen, das man sonst nirgendwo finden kann.«

»Her damit!«

»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Smith. Ich werde das Wissen mit Ihnen teilen, ich werde Sie alles lehren, was darin verborgen ist. Oder warten Sie, lassen Sie mich nur schnell eine Kopie machen, bevor Sie sie verbrennen!«

Doch Smith ließ sich nicht beirren. Er ging zu der Konsole, holte die zerknitterte Papierrolle heraus und stieß sie mit dem Fuß ins Feuer. Bellingham schrie auf und versuchte sie noch zu retten, doch Smith stieß ihn zurück und blieb vor dem Kamin stehen, bis nur noch ein graues Aschenhäufchen übrig war.

»So, Mr. Bellingham, den Zahn habe ich Ihnen gezogen.

Sollten Sie noch andere Tricks auf Lager haben, werden Sie wieder von mir hören. Und nun guten Morgen, ich muß zurück zu meinen Büchern.«

Soweit die unglaublichen Ereignisse, die sich im Frühjahr '84 nach dem Bericht des Abercrombie Smith im alten College zu Oxford zugetragen haben sollen. Da Bellingham sofort danach die Universität verlassen hat - zuletzt wurde er im Sudan gesehen -, gibt es niemand, der dieser Version widersprechen könnte. Der Mensch ist klein, und die Natur ist unergründlich, und niemand kann sagen, was man auf ihren dunklen Wegen noch alles finden wird, wenn man nur danach sucht.

Der Ring des Thoth

(The Ring of Thoth)

Mit seiner Energie, seiner Ausdauer und der ihm eigenen Klarheit der Gedanken hätte sich Mr. John Vansittart Smith wahrscheinlich unter die führenden Wissenschaftler seiner Generation einreihen können, wäre er nicht Opfer eines universellen Wissensdurstes gewesen, der ihn zwang, sich auf so vielen Gebieten zu betätigen, daß er es in keinem Fach zu wirklicher Erstklassigkeit brachte. In seiner Jugend richtete sich sein Interesse auf Zoologie und Botanik, so daß seine Freunde ihn schon für einen zweiten Darwin hielten, doch als ein Ruf auf eine Professur in greifbarer Nähe war, brach er plötzlich seine Studien ab und widmete seine ganze Aufmerksamkeit der Chemie. Seine spektroskopischen Studien an Metallen brachten ihm die Mitgliedschaft in der Royal Society ein; doch wieder spielte er der Wissenschaft einen Streich. Er kehrte dem Labor den Rücken zu, und ein Jahr später trat er der Gesellschaft für Orientalistik bei. Er veröffentlichte einen Artikel über die hieroglyphischen und demotischen Inschriften von El Kab und setzte damit seinem Ruf als unbeständiges, aber auch vielseitiges Talent die Krone auf. Sie werden sagen, daß auch der vielfältigste Geist, gerade wenn er so genialisch ist, irgendwann seine wirkliche Berufung findet, so wie auch der sprunghafteste Liebhaber irgendwann »seiner« Frau ins Netz geht, und John Vansittart Smith machte da tatsächlich keine Ausnahme. Je tiefer er in die Ägyptologie einstieg, desto stärker war er beeindruckt von dem riesigen Gebiet, das sich dem Wissenschaftler hier eröffnete, und von der großen Wichtigkeit einer Forschung, deren Ziel es war, Licht in die Keimzelle unserer Zivilisation, in den Ursprung des größten Teils unserer Künste und Wissenschaften zu bringen. Smith war so fasziniert, daß er nicht zögerte, eine junge Ägyptologin zu heiraten, die über die sechste Dynastie promoviert hatte und somit versprach, ihm eine wichtige Hilfe bei der Fertigstellung seines Werkes zu sein, in dem er die Exaktheit eines Lepsius und die Genialität Champollions vereinigen wollte. Die Vorbereitung seines »Magnum Opus« machte viele kurze Aufenthalte in der großartigen ägyptischen Sammlung des Louvre nötig. Während der letzten dieser Visiten, die erst im Oktober vorigen Jahres stattfand, wurde er in höchst seltsame, bemerkenswerte Ereignisse verwickelt, von denen hier die Rede sein soll.

Die Züge waren kalt und langsam gewesen, und er hatte eine rauhe Überfahrt über den Kanal hinter sich, als er müde und leicht erkältet in Paris ankam. Als er in seinem Zimmer im Hotel de France an der Rue Laffitte war, warf er sich sofort aufs Sofa, um ein paar Stunden zu ruhen, doch er konnte einfach nicht schlafen, und so beschloß er, doch noch in den Louvre zu gehen, dort alles zu erledigen, was er sich vorgenommen hatte, und den Abendzug zurück nach Dieppe zu nehmen. Als er diesen Entschluß gefaßt hatte, schlüpfte er in seinen Mantel, denn draußen herrschte ein ungemütliches, regnerisches Wetter, und machte sich auf den Weg über den Boulevard des Italiens, die Avenue de l'Opera hinunter. Im Louvre angekommen, befand er sich auf vertrautem Gelände und ging eilig in die Sammlung der Papyrusrollen, wo er etwas nachzulesen hatte.

Selbst seine größten Bewunderer mußten zugeben, daß John Vansittart Smith nicht gerade ein hübscher Mann war. Sein Gesicht mit der dünnen Hakennase und dem vorspringenden Kinn hatte etwas von der Schärfe und Genauigkeit, die auch seinen Verstand auszeichneten. Er trug seinen Kopf hoch wie ein Vogel; dieser Eindruck wurde noch unterstrichen von den pickenden Bewegungen, mit denen er in Diskussionen seine Einwände und Gegenthesen vorzubringen pflegte. Wenn er sich in seinem Regenmantel mit hochgeschlagenem Kragen in dem Schaufenster vor ihm betrachtete, so konnte er jedenfalls sagen, daß er nicht aussah wie ein x-beliebiger Zeitgenosse. Und gerade als er mit diesem Gedanken sein Spiegelbild betrachtete, hörte er hinter sich eine unüberhörbare Stimme auf Englisch sagen: »Schau dir nur diese Figur dort an. Sieht er nicht komisch aus?«

Smith kannte seine Qualitäten, was natürlich ein gehöriges Maß an Eitelkeit mit sich brachte. So schaute er unentwegt auf die Papyrusrolle in der Vitrine vor ihm, doch sein Gesicht verfinsterte sich, und in seinem Herzen stieg Haß auf gegen dieses ganze Geschmeiß, diese Engländer auf Reisen.

»Ja«, sagte eine andere Stimme, »so etwas habe ich auch noch nicht gesehen, wirklich ein seltsames Kerlchen.«

»Man könnte fast meinen«, sagte die erste Stimme, »daß er durch ständiges Nachgrübeln über Mumien selbst fast zur Mumie geworden ist.«

»Der ägyptische Einschlag ist jedenfalls unverkennbar«, sagte der andere.

John Vansittart Smith drehte sich auf dem Absatz um und wollte seine beiden Landsleute mit ein oder zwei ätzenden Bemerkungen abfertigen, doch zu seiner Überraschung und Erleichterung sah er, daß die beiden jungen Burschen ihm den Rücken zuwendeten und sich offensichtlich über einen Museumswärter unterhielten, der am anderen Ende des Raumes damit beschäftigt war, Messingrahmen zu polieren.

»Carter wird schon auf uns warten«, sagte der eine Tourist zu seinem Begleiter, während er auf seine Uhr sah, dann schlenderten sie davon und ließen den Forscher mit seiner Arbeit allein.

»Ich möchte gern wissen, was diese Schwätzer einen ägyptischen Einschlag nennen«, dachte Smith und versuchte, einen Blick auf das Gesicht des Wärters zu werfen. Doch siehe da, es war tatsächlich genau so ein Gesicht, wie es ihm durch seine Arbeiten vertraut war. Die gleichmäßigen, statuesken Züge, die breite Stirn, das runde Kinn und der schwärzliche Teint waren das genaue Ebenbild der unzähligen Statuen, Mumienköpfe und Bilder, die die Wände der Halle schmückten. Es gab keinen Zweifel, der Mann mußte ein Ägypter sein. Allein die geraden, breiten Schultern und die schmalen Hüften hätten ausgereicht, ihn als solchen zu identifizieren.