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»Na, Doktor«, sagte er, »ängstlich sind Sie jedenfalls nicht.«

»Angst!« antwortete ich. »Wovor?«

»Davor«, sagte er und zeigte mit dem Daumen auf den schwarzen Schlund, »vor dem Grauen, das in der Blue-John-Höhle wohnt.«

Wie lächerlich einfach sich doch in einer einsamen Gegend eine Legende entwickeln kann! Ich fragte ihn nach den Gründen für seinen verrückten Glauben. Glaubt man Armitage, so sind von Zeit zu Zeit Schafe von der Weide verschwunden, spurlos. Die Erklärung, daß sie einfach fortgelaufen und in den Bergen verschwunden sein könnten, wollte er nicht hören. Einmal hatte man eine Blutlache entdeckt und einige Wollflocken. Auch das, gab ich zu denken, könnte eine ganz natürliche Erklärung haben. Ferner sind die Schafe alle in dunklen, wolkigen, mondlosen Nächten verschwunden. Dem begegnete ich mit der einfachen Erwiderung, daß dies die normale Arbeitszeit eines jeden gewöhnlichen Schafdiebs sei. In einem Fall war eine Lücke in eine Mauer geschlagen und einige Steine weit verstreut worden. Meiner Meinung wiederum Menschenwerk. Schließlich trumpfte Armitage noch mit der Geschichte auf, daß er das Ungeheuer wirklich gehört hatte - daß es tatsächlich jeder hören könnte, der sich lang genug beim Gap aufhielte. Es war ein fernes Brüllen von immenser Lautstärke. Darüber konnte ich nur lächeln, da ich doch um die seltsamen akustischen Phänomene weiß, die ein unterirdisches Gewässersystem inmitten einer Kalksteinformation hervorrufen kann. Meine Ungläubigkeit ärgerte Armitage, so daß er sich umdrehte und mich ziemlich abrupt verließ.

Und jetzt kommt der Dollpunkt an der ganzen Geschichte. Ich stand noch immer am Höhleneingang und dachte über die verschiedenen Behauptungen Armitages nach, wie einfach man sie doch widerlegen konnte, als plötzlich aus der Tiefe des Tunnels neben mir ein absonderlicher Ton an mein Ohr drang. Wie soll ich ihn beschreiben? Zunächst, er schien aus großer Entfernung zu kommen, tief aus den Eingeweiden der Erde. Zweitens: Trotz dieses Eindrucks der Ferne war er sehr laut. Letztlich war es auch kein dumpfes Dröhnen, kein Krachen, so wie man sich das Geräusch auf lose Felsbrocken fallenden Wassers vorstellt, vielmehr war es ein schrilles Winseln, zitternd und vibrierend, fast ein Wiehern. Dies war sicherlich eine höchst bemerkenswerte Erfahrung, die, das muß ich zugeben, Armitages Behauptungen für einen Augenblick eine neue Bedeutsamkeit gaben. Ich wartete noch eine halbe Stunde oder länger an der Höhle, das Geräusch wiederholte sich jedoch nicht, so daß ich schließlich zum Farmhaus zurückwanderte, ganz gefangen von dem geheimnisvollen Vorfall. Daß ich, sobald meine Gesundheit wiederhergestellt sein wird, diese Höhle erforschen werde, ist jetzt beschlossene Sache. Ein Monster, das Armitage in den Tiefen der Erde vermutet, ist natürlich eine zu absurde Erklärung für dieses zweifellos eigenartige Geräusch, aber dennoch, während ich schreibe, hallt es in meinen Ohren wider.

20. April - In den letzten drei Tagen habe ich mehrere Expeditionen zum Blue John Gap unternommen und bin dabei sogar ein kleines Stück hineingegangen, aber meine Fahrradlampe ist so klein und schwach, daß ich mich nicht sehr weit vortraue. Ich sollte mehr systematisch an die Sache herangehen. Ich habe gar keinen Ton mehr gehört, ich könnte fast glauben, daß ich Opfer einer Halluzination geworden bin, hervorgerufen vielleicht durch Armitages Gerede. Natürlich ist die ganze Idee absurd, doch trotzdem muß ich gestehen, daß jene Büsche am Eingang der Höhle aussehen, als ob irgendein schwergewichtiges Lebewesen sich seinen Weg hindurch gebahnt hätte. Ich beginne, mich ernsthaft für das Phänomen zu interessieren. Den Miss Allertons habe ich nichts erzählt, da sie schon abergläubisch genug sind, aber ich habe einige Kerzen gekauft und mir vorgenommen, für meinen Teil Nachforschungen anzustellen.

Heute morgen beobachtete ich, daß unter den zahlreichen Schafswollbüscheln, die an den Sträuchern in der Nähe der Höhle hängen, eines blutverschmiert ist. Natürlich sagt mir mein Verstand, daß sich Schafe leicht verletzen können, wenn sie sich in so felsiges Gelände begeben. Und dennoch versetzte mir dieser karmesinrote Farbspritzer einen plötzlichen Schock. Im selben Augenblick schreckte ich vor dem altrömischen Eingangsportal zurück. Stinkender Atem schien mir aus den schwarzen Tiefen, in die ich blickte, entgegenzuwehen. Könnte es tatsächlich möglich sein, daß irgend etwas Unbekanntes, Gräßliches dort unten lauerte? In den Tagen meiner Stärke war ich wohl unempfänglich für solche Gefühle, doch man wird nervös und wunderlich, wenn die Gesundheit angeschlagen ist.

Im Moment war ich in meiner Entschlossenheit geschwächt und bereit, das Geheimnis der alten Mine, wenn eines existiert, für immer ungelöst zu lassen. Doch heute abend sind Interesse und Nerven, stärker und fester als zuvor, zurückgekehrt. Ich bin zuversichtlich; morgen werde ich tiefer in die Angelegenheit eingedrungen sein.

22. April - Lassen Sie mich versuchen, mein außergewöhnliches Erlebnis von gestern, so genau ich kann, wiederzugeben. Am Nachmittag machte ich mich zum Blue John Gap auf. Ich gestehe, daß mein Unbehagen wiederkehrte, als ich in seine Tiefen starrte, und ich wünschte, ich hätte einen Begleiter bei der Expedition. Schließlich erholte ich mich aber, zündete eine Kerze an, schlug mich durch die Dornbüsche und stieg in den felsigen Schacht hinab.

Für ungefähr fünfzig Fuß ging es steil abwärts über Geröll. Dann kam ich zum Eingang eines langen, geraden Ganges, der durch härtesten Fels gehauen war. Ich bin kein Geologe, aber die Wände dieses Korridors waren sicher aus härterem Material als Kalkstein, denn es gab Stellen, wo ich auf dem Fels die Spuren der Werkzeuge der antiken Bergleute sehen konnte, so frisch, als ob sie gestern noch hier gearbeitet hätten. Ich stolperte den eigentümlichen Korridor hinunter; das schwache Licht meiner Kerze erzeugte einen Kreis dämmrigen Lichts um mich herum, das alle Schatten furchterregend und geheimnisvoll erscheinen ließ. Endlich kam ich zu einer Stelle, wo der römische Tunnel sich in eine verwitterte Höhle öffnete - eine hohe Halle, behängt mit langen weißen Eiszapfen aus Kalk. Im Halbdunkel konnte ich mehrere, von unterirdischen Bächen glattgewaschene Gänge ausmachen, die sich in den Tiefen der Erde verloren. Ich stand da und fragte mich, ob es besser sei, umzukehren oder ob ich das Unternehmen in diesem gefährlichen Labyrinth fortsetzen sollte. Da fiel mein Blick auf etwas zu meinen Füßen, das meine ganze Aufmerksamkeit gefangennahm.

Der größere Teil des Höhlenbodens war bedeckt mit Geröll oder harten Kalkkristallen, aber an dieser speziellen Stelle war etwas von der fernen Höhlendecke getropft und hatte einen Fleck aus weichem Schlamm zurückgelassen. Genau in der Mitte davon befand sich ein deutlicher Abdruck - ein unförmiger Fladen, tief, breit und unregelmäßig, als ob ein großer Felsblock in den Schlamm gefallen und zersprungen wäre. In der ganzen Umgebung lag jedoch kein einziger Stein noch irgend etwas anderes, das den Abdruck erklären konnte. Er war viel zu groß, um von einem Tier stammen zu können; außerdem gab es nur einen Abdruck, und der Schlammfleck war von solcher Ausdehnung, daß kein bekanntes Lebewesen ihn mit einem Schritt überbrücken könnte. Als ich mich von der Betrachtung dieser einzigartigen Spur wieder erhob und auf die schwarzen Schatten blickte, die mich rings umgaben, hatte ich, zugegeben, für einen Augenblick das äußerst unangenehme Gefühl, mein Herz sei mir in den Bauch gerutscht. Ich konnte es nicht ändern, die Kerze zitterte mir in der Hand.

Bald hatte ich meine Nerven aber wieder beisammen, als ich mir klarmachte, wie abwegig es war, einen so großen und formlosen Abdruck mit irgendeinem Lebewesen in Verbindung zu bringen. Nicht einmal ein Elefant könnte ihn produziert haben. Deshalb beschloß ich jetzt endgültig, mich nicht von vagen und unvernünftigen Ängsten an meiner Exploration hindern zu lassen. Bevor ich weiterging, prägte ich mir eine markante Steinformation an der Höhlenwand gut ein, mit deren Hilfe ich den Eingang des römischen Tunnels wiederfinden konnte. Diese Vorsichtsmaßnahme war notwendig, denn soweit ich sehen konnte, endete eine ganze Reihe von Gängen in der großen Höhle. Nachdem ich mich meiner Position sowie meines Kerzen- und Streichholzvorrats versichert hatte, ging ich über felsigen, unebenen Boden langsam voran.