Und nun komme ich zu dem Punkt, von dem an die Katastrophe ihren Lauf nahm. Ein Bach, vielleicht zwanzig Fuß breit, kreuzte meinen Weg, und ich lief ein Stück an seinem Ufer entlang, um eine Stelle zu finden, wo ich ihn trockenen Fußes überwinden konnte. Schließlich kam ich zu einer Stelle, wo ein einzelner flacher Stein nahe der Mitte lag, so daß ich ihn mit einem Sprung erreichen konnte. Als ich das versuchte, löste sich jedoch bei meiner Landung der Stein und geriet durch die Strömung des Baches ins Rollen, so daß ich stürzte und ins eiskalte Wasser fiel. Die Kerze ging aus, ich zappelte in absoluter Dunkelheit umher.
Ich war eher amüsiert als beunruhigt durch das Abenteuer, nachdem ich wieder auf die Füße gekommen war. Die Kerze war mir im Bach aus der Hand gefallen, aber ich hatte noch zwei in meiner Tasche, so daß das nicht wichtig war. Ich nahm eine von ihnen und holte meine Streichhölzer hervor, um sie anzuzünden. Erst da erkannte ich meine Situation. Die Streichhölzer waren natürlich naß geworden. Es war unmöglich, sie zu entzünden.
Eine kalte Hand schien sich um mein Herz zu schließen, als mir meine Lage klar wurde. Die Dunkelheit war undurchsichtig und fürchterlich. Man konnte absolut nichts erkennen, nicht die Hand vor Augen. Ich blieb stehen, und mit einiger Mühe beruhigte ich mich. Im Geiste versuchte ich eine Karte des Höhlenbodens zu rekonstruieren, so, wie ich ihn zuletzt gesehen hatte. O weh! Die Wegmarken, die ich mir eingeprägt hatte, befanden sich alle hoch an der Höhlenwand, so daß ich sie nicht ertasten konnte. Immerhin, ich erinnerte mich, wie die Seiten im allgemeinen verliefen, und hoffte, daß ich letztlich zum Eingang des römischen Tunnels gelangen würde, indem ich mich an der Wand entlanghangelte. Dieser Hoffnung folgte ich, indem ich mich sehr langsam immer an der Wand zurückbewegte.
Doch bald mußte ich einsehen, wie unmöglich das war. In der samtig-schwarzen Dunkelheit verlor man sofort jede Orientierung. Bevor ich zehn Schritte getan hatte, war ich völlig verunsichert. Das Plätschern des Baches war mein einziger Anhaltspunkt, aber sobald ich sein Ufer verließ, kannte ich mich nicht mehr aus. Die Idee, in vollständiger Dunkelheit aus diesem Kalksteinlabyrinth zu finden, war undurchführbar.
Ich setzte mich auf einen Stein und dachte über meine unglückliche Lage nach. Ich hatte keinem erzählt, daß ich vorhatte, zur Blue-John-Mine zu gehen, und es war unwahrscheinlich, daß man einen Suchtrupp nach mir schicken würde. Deshalb mußte ich auf meine eigenen Möglichkeiten bauen, der Gefahr zu entkommen. Es gab nur eine Hoffnung: Die Streichhölzer würden trocknen. Als ich ins Wasser fiel, wurde ich nur halb durchnäßt. Meine linke Schulter war über Wasser geblieben. Ich nahm deshalb die Streichholzschachtel und steckte sie unter meine linke Achselhöhle. Meine Körperwärme könnte vielleicht der Wirkung der feuchten Luft in der Höhle entgegenwirken, aber selbst dann konnte ich vor Ablauf vieler Stunden nicht auf Licht hoffen. Inzwischen konnte ich nichts anderes tun als warten.
Glücklicherweise hatte ich einige Kekse eingesteckt, bevor ich das Farmhaus verließ. Die spülte ich jetzt mit einem Schluck, Wasser aus diesem verdammten Bach hinunter, der die Ursache aller meiner Schwierigkeiten war. Dann fühlte ich nach einem bequemen Platz zwischen den Felsen und, nachdem ich eine Stelle gefunden hatte, wo ich meinen Rücken anlehnen konnte, ließ ich mich nieder und wartete.
Es war elend feucht und kalt aber ich versuchte mir Mut zu machen mit dem Gedanken, daß die moderne Medizin bei meiner Krankheit offene Fenster und Spaziergänge bei ledern Wetter verordnet. Allmählich, eingelullt vom monotonen Gurgeln des Baches und von der absoluten Dunkelheit, versank ich in tiefen Schlaf.
Wie lange ich schlief, kann ich nicht sagen. Vielleicht eine Stunde, vielleicht mehrere. Plötzlich schnellte ich von meiner Felsencouch hoch, bebende Nerven und alle Sinne augenblicklich auf der Hut. Ich hatte ein Geräusch gehört - ein Geräusch, das nicht mit dem Gurgeln des Wassers zu verwechseln war. Es war vorbei, aber sein Nachhall schwappte mir immer noch in die Ohren. War es ein Suchtrupp? Die würden sicherlich gerufen haben, aber der Laut, der mich geweckt hatte, war sehr verschieden von der menschlichen Stimme. Mein Herz schlug rasend, und ich wagte kaum zu atmen. Da war es wieder! Und wieder! Nun hörte ich es fortwährend. Es waren Schritte - ja bestimmt, es waren Schritte einer lebendigen Kreatur. Doch welche Schritte! Sie klangen nach schwammartigen Füßen, die ein enormes Gewicht trugen, wobei sie ein gedämpftes, aber raumfüllendes Geräusch abgaben. Es war unverändert dunkel, aber der Schritt war regelmäßig und entschlossen. Und ohne Frage kam er in meine Richtung.
Meine Haut wurde kalt, meine Haare standen mir zu Berge, als ich diesen ausdauernden und festen Schritten zuhörte. Dort war irgendein Lebewesen, ein Lebewesen, das, so schnell es näherkam, mit Sicherheit im Dunkeln sehen konnte. Ich kauerte flach, auf meinem Felsblock und versuchte, mich mit ihm zu verschmelzen. Immer noch kamen die Schritte näher, dann hörte es auf, und im selben Augenblick erfüllte ein lautes Schlürfen und Gurgeln den Raum. Die Kreatur trank am Bach. Dann war wieder Ruhe, unterbrochen nur von langgezogenen Schnief- und Schnarchgeräuschen von unheimlicher Lautstärke und Energie. Hatte es mich erspäht? Meine Nase war voll von einem abscheulichen, ranzigen Pestgeruch. Dann hörte ich wieder die Schritte. Sie waren auf meiner Seite des Baches.
Die Steine knirschten wenige Meter von mir entfernt. Kaum atmend kauerte ich auf meinem Felsen. Dann entfernten sich die Schritte. Ich hörte das Platschen, als es durch den Bach zurückging, und der Laut verklang in die Richtung, aus der er gekommen war.
Lange Zeit lag ich auf dem Felsblock, zu erschrocken, mich zu bewegen. Ich dachte an das Geräusch, das ich aus den Tiefen der Höhle hatte kommen hören, an Armitages Befürchtungen, an den seltsamen Abdruck im Schlamm, und jetzt dieser endgültige, absolute Beweis, daß es ein schauderhaftes Monster gibt, das, gar nicht von unserer Welt, im hohlen Bauch des Berges haust. Ich habe keine Vorstellung von seiner Art oder Gestalt, ich kann lediglich sagen, daß es gigantisch, aber leichtfüßig ist. Der Kampf zwischen meinem Verstand, der sagte, daß es solche Dinge nicht geben kann, und meinen Sinnen, die sagten, es existiert, tobte in mir, als ich so lag. Schließlich war ich fast bereit, mir einzureden, daß dieses Erlebnis Teil eines bösen Traumes gewesen sei und daß meine Krankheit und die ungewöhnliche Situation eine Halluzination gezaubert haben. Doch es sollte noch ein letztes Erlebnis folgen, das die letzten Zweifel vertrieb.
Ich nahm die Streichhölzer aus meiner Achselhöhle und fühlte, daß sie vollkommen hart und trocken waren. Hinter einem Felsen geduckt, probierte ich eins. Zu meiner Freude entflammte es sofort. Ich zündete die Kerze an und eilte mit einem schaudernden Blick zurück in die dunklen Tiefen der Höhle in Richtung des römischen Gangs. Ich kam auch wieder an der Schlammlache vorbei, in der ich den riesigen Abdruck gesehen hatte. Nun blieb ich erstaunt davor stehen, denn es befanden sich jetzt drei ähnliche Spuren auf ihrer Oberfläche, enorm groß und von unregelmäßiger Kontur. Ihre Tiefe deutete auf das Tonnengewicht hin, das in ihnen geruht hatte. Da erfaßte mich großes Grauen. Ich rannte geduckt, mit einer Hand das Kerzenlicht schützend, zu dem Schacht hinauf, ohne anzuhalten, bis ich mit schweren Füßen und pfeifenden Lungen das letzte Stück des Abhangs hinter mir hatte, brach durch das Dornengestrüpp und warf mich erschöpft auf das weiche Gras unter friedlichem Sternenlicht. Es war drei Uhr morgens, als ich das Farmhaus erreichte. Heute bin ich ganz abgespannt, ich zittere nach meinem schrecklichen Abenteuer. Bis jetzt habe ich mit keinem darüber geredet. Ich muß aufpassen in dieser Angelegenheit. Was würden die armen einsamen Frauen oder die ungebildeten Bauerntölpel hier davon halten, wenn ich ihnen von meinem Erlebnis erzählte? Ich will zu jemand gehen, der verstehen und raten kann.