Das Joyce-Armstrong-Fragment wurde auf einem Gelände namens Lower Haycock, eine Meile westlich des Dorfes Withyham, an der Grenze zwischen Kent und Sussex gefunden. Am fünfzehnten September letzten Jahres sah James Flynn, Landarbeiter im Dienst des Farmers Mathew Dodd, Chauntry Farm, Withyham, eine Tabakpfeife nahe dem Weg liegen, der die Umhegung in Lower Haycock säumt. Ein paar Schritte weiter fand er eine zerbrochene Brille. Schließlich entdeckte er im Gebüsch ein dünnes Büchlein mit gewebtem Einband, das sich als ein Notizheft erwies, aus dem sich einige Blätter gelöst hatten und am Fuß der Hecke umherflatterten. Die sammelte er auf, aber einige, einschließlich des ersten, wurden nie gefunden und hinterlassen eine beklagenswerte Lücke in diesem so überaus wichtigen Bericht. Der Arbeiter trug das Notizheft zu seinem Herrn, der es wiederum einem Dr. J. H. Atherton aus Hartfield zeigte. Dieser Gentleman erkannte sofort die Notwendigkeit einer fachmännischen Prüfung, und das Manuskript wurde dem Aeroclub in London übergeben, wo es sich jetzt befindet.
Die ersten beiden Seiten des Manuskripts, ferner eine Seite am Ende, fehlen, was aber den allgemeinen Zusammenhang der Geschichte nicht beeinträchtigt. Man vermutet, daß der fehlende Anfang eine Aufstellung der fliegerischen Qualifikationen des Mr. Joyce-Armstrong enthält, welche auch anderen Quellen entnommen werden können und unter den Fliegern Englands als unübertroffen gelten. Seit vielen Jahren war er als einer der waghalsigsten und zugleich klügsten Flieger bekannt, eine Kombination, die ihn befähigte, mehrere neue Konstruktionen sowohl zu erfinden als auch zu testen, darunter der gebräuchliche gyroskopische Apparat, der nach ihm benannt ist. Der größte Teil des Manuskripts ist sauber mit Tinte geschrieben, die letzten Zeilen jedoch mit Bleistift; diese sind fast zur Unleserlichkeit verschmiert - kein Wunder, da sie in höchster Eile an Bord eines Flugzeuges gekritzelt worden sein müssen. Ich darf hinzufügen, daß sowohl auf der letzten Seite als auch auf dem Einband mehrere Flecke zu erkennen sind, welche die Experten im Innenministerium als Blut -vielleicht von einem Menschen, mit Sicherheit Säugetierblut -identifizieren konnten. Die Tatsache, daß in diesem Blut etwas entdeckt wurde, das dem Malariaerreger sehr ähnlich ist, und daß Joyce-Armstrong bekanntlich unter Fieberanfällen litt, ist ein bemerkenswertes Beispiel für die neuen Waffen, welche die moderne Wissenschaft in die Hände unserer Detektive gelegt hat.
Und nun ein Wort zur Persönlichkeit des Verfassers dieses epochalen Berichtes. Nach Aussage der wenigen Freunde, die wirklich etwas über diesen Mann wußten, war Joyce Armstrong sowohl ein Poet und Träumer als auch ein Bastler und Erfinder. Er besaß ein ansehnliches Vermögen, von dem er viel für seine Flugleidenschaft ausgab. Er hatte vier Privatflugzeuge in seinen Hangars bei Devizes stehen; man sagt, er habe im Laufe des vergangenen Jahres nicht weniger als einhundertsiebzig Starts hinter sich gebracht. Er war ein zurückhaltender Mann mit düsteren Stimmungen, in denen er die Gesellschaft der Kameraden mied. Captain Dangerfield, der ihn besser kannte als irgendjemand, sagt, es hätte Zeiten gegeben, in denen seine Exzentrizität in etwas Schlimmeres umzuschlagen drohte. Seine Gewohnheit, nie ohne Gewehr zu fliegen, war ein Ausdruck davon.
Ein weiterer war seine überspannte Reaktion auf den Absturz von Lieutenant Myrtle. Bei einem Höhenrekordversuch stürzte Myrtle aus über dreißigtausend Fuß. Eine furchtbare Geschichte: Sein Schädel war restlos verschwunden, während Rumpf und Gliedmaßen ihre Gestalt behalten hatten. Immer, wenn Flieger zusammensaßen, erzählte Dangerfield, fragte Joyce-Armstrong mit rätselhaftem Lächeln: »Und wo, bitte, ist Myrtles Kopf?«
Bei anderer Gelegenheit, nach einem Essen im Kasino der Flugschule von Salisbury, begann er einen Disput darüber, was die größte ständige Gefahr sei, der sich die Piloten stellen müßten. Nachdem er verschiedene Meinungen gehört hatte -man nannte Luftlöcher, Fehlkonstruktion der Maschinen und Überlastung der Motore -, zuckte er, als letzter gefragt, nur mit den Schultern und weigerte sich, seine eigene Ansicht auszusprechen, obwohl er den Eindruck erweckte, er denke an ganz andere Gefahren als seine Kameraden.
Erwähnenswert ist noch, daß man nach seinem vollständigen Verschwinden seine persönlichen Angelegenheiten äußerst wohlgeordnet vorfand, was zeigen mag, daß er eine starke Vorahnung von seinem Verhängnis hatte. Nach diesen grundsätzlichen Erklärungen will ich nun die Geschichte Wort für Wort wiedergeben, beginnend auf Seite drei des blutgetränkten Notizbuchs:
»Immerhin, als ich bei Rheims mit Coselli und Gustav Raymond zusammen speiste, sah ich, daß sich keiner von ihnen irgendeiner besonderen Gefahr in den höheren Schichten der Atmosphäre bewußt war. Ich habe nicht direkt gesagt, was meine Gedanken waren, aber ich war so nahe daran, daß sie sicherlich geredet hätten, wenn sie nur annähernd gleicher Meinung gewesen wären. Aber sie sind eben nur zwei hohle, aufgeblasene Kerle, die nichts im Kopf haben außer dem Wunsch, ihre blöden Namen in der Zeitung lesen zu können. Man muß wissen, daß keiner von ihnen jemals über die Zwanzigtausend-Fuß-Marke hinausgekommen ist. Natürlich waren Menschen mit Ballons oder beim Bergsteigen höher gewesen als diese beiden. Der Punkt, an dem das Flugzeug die Gefahrenzone erreicht, muß deutlich darüber liegen - immer vorausgesetzt, meine Warnungen sind berechtigt.
Wir fliegen jetzt seit mehr als zwanzig Jahren, und man kann wohl fragen: Warum sollte sich diese Gefahr gerade heutzutage offenbaren? Die Antwort ist offensichtlich. In den alten Tagen der schwachen Motore, als man einen Hundert-PS-Gnome oder -Green als ausreichend für alle Zwecke erachtete, waren die Möglichkeiten des Fliegens sehr begrenzt. Jetzt, wo dreihundert PS eher Regel als Ausnahme sind, werden Besuche der höheren Luftschichten einfacher und häufiger. Einige von uns können sich erinnern, wie in unserer Jugend Garros mit seinem Neunzehntausend-Fuß-Flug weltweite Anerkennung erlangte, und es war ein bemerkenswertes Unterfangen, die Alpen zu überfliegen. Der Standard hat sich seitdem gewaltig erhöht, und auf einen früheren Höhenflug kommen heute zwanzig. Viele davon blieben ungestraft. Die dreißigtausend Fuß wurden immer wieder erreicht, ohne daß man größere Unannehmlichkeiten als Verkühlung oder Atemnot hinzunehmen hatte. Was beweist das? Ein Besucher könnte tausendmal auf unseren Planeten herabsteigen, ohne einen einzigen Tiger zu sehen. Trotzdem gibt es Tiger, und geriete er zufällig in einen Urwald, womöglich würde er verschlungen werden. Es gibt Dschungel in der oberen Atmosphäre, und dort sind schlimmere Phänomene als Tiger zu Hause. Ich glaube, irgendwann wird man über genaue Karten dieser Dschungel verfügen. Schon heute könnte ich zwei davon nennen.
Einer liegt über der Gegend um Pau-Biarritz in Frankreich. Ein anderer befindet sich jetzt, wenn ich diese Zeilen in meinem Haus in Wiltshire niederschreibe, genau über meinem Kopf. Ein dritter liegt, glaube ich, über dem Gebiet HamburgWiesbaden.