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Ein gedrungener Mann mit gespanntem Bogen erschien im Tor der Scheune. Seine Hände waren mit Blut besudelt. »Genug, Fürst Ricchar!« Rings um ihn rieselten glühende Funken vom Dach. Aus der Scheune erklangen gellende Schreie.

Der Graf stand breitbeinig über einem zweiten Räuber, den er niedergemacht hatte. »Du wagst dich weit aus deinem Wald, Eber!«

Der Kerl unter dem Scheunentor lachte. Sein Gesicht war von roten Pockennarben entstellt. »Wer sollte mich auch daran hindern? Ein Götzenanbeter, der sich mir mit nichts als einem Messer in der Hand entgegenstellt?« Er hob den Bogen und zielte auf Ricchars Brust.

»Wenn du mich tötest, werden meine Brüder dich hinter jedem Busch von hier bis Treveris suchen, Bastard!« Der Graf ging langsam auf den Bogenschützen zu. Das Messer zum Stoß bereit.

»Ich weiß.« Der Pfeil schnellte von der Sehne und durchschlug Ricchars Oberschenkel. Der junge Fürst wurde von der Wucht des Aufschlags halb herumgerissen und strauchelte.

»Bleib, wo du bist!« Der Pockennarbige zog einen zweiten Pfeil aus dem Köcher an der Hüfte. Die Schreie in der Scheune waren verstummt. »Es lohnt nicht, für diesen räudigen Hund dort hinten zu sterben. Er hat zugesehen, wie sich meine Männer seine Frau und seine Tochter genommen haben, ohne zu verraten, wo er sein Silber vergraben hat. Erst als ich ihm einen Fuß abgeschnitten habe, ist er gesprächiger geworden.« Der Bogenschütze spuckte aus und beobachtete ruhig, wie Ricchar versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.

»Ich werde dich für das bestrafen, was du getan hast. Mein Henker wird dich aufs Rad flechten, Mörder.«

Der Eber hatte seinen Bogen jetzt auf Volker gerichtet. »Bleib, wo du bist, Ritter, sonst wirst du für deinen Herrn in die Hölle fahren.«

»Laß von den Weibern in der Scheune ab, und ich schenke dir dein Leben, Räuber!« Volker hob die Hand mit dem Messer leicht. Sobald der Halsabschneider einen Augenblick unaufmerksam war, würde er mit dem Dolch nach ihm werfen.

Der Bogenschütze pfiff leise durch die Zähne. »Für jemanden, der jeden Augenblick mit einem Pfeil im Bauch vor mir im Staub liegen könnte, nimmst du dir viel heraus, Krieger. Was sollte mich davon abhalten, euch beiden jetzt gleich das Lebenslicht auszublasen?«

»Ich weiß, daß du ein kluger Mann bist«, stöhnte Ricchar. »Wenn du mich jetzt tötest, werden dich spätestens bei Morgengrauen meine Brüder verfolgen. Sie werden nicht ruhen, bis sie dich haben. Du weißt, wie viele es sind. Jeden Unterschlupf von hier bis zur Mosel würden sie durchstöbern, um dich zu finden. Läßt du mich leben, werde ich mich persönlich auf die Suche nach dir machen. Das heißt, du hast zwei oder drei Tage Vorsprung, bis ich wieder auf einem Pferd sitzen kann.«

»Wenn ich dich töte, beginnt der Streit um deine Nachfolge. Niemand würde mir folgen und...«

»Wir haben es, Eber.« Ein junger Mann erschien unter dem Scheunentor und hielt einen schmutzverkrusteten Lederbeutel hoch. »Es war dort, wo er gesagt hatte. Er wird es nicht mehr brauchen!«

»Gut.«

Volker fluchte. Der Bogenschütze drehte sich nicht um. Dieser Eber schien genau zu wissen, was er vorhatte.

»Sag den Männern, sie sollen alles zusammenpacken und sich in den Wald davonmachen. Ich komme gleich nach.«

»Brauchst du Hilfe, Eber?« Der junge Kerl griff nach dem langen Dolch an seinem Gürtel.

»Ich habe meinen ersten Mann getötet, als du dir noch in die Hosen geschissen hast. Mit den beiden würde ich auch dann noch allein fertig, wenn sie mir in voller Rüstung gegenüberstünden und ich nichts als einen Eichenknüppel hätte, um mich zu wehren. Mach jetzt, daß du fortkommst, Mann!«

Volker schätzte die Entfernung zum Eber. Er war kein guter Messerwerfer. Wenn sich die Waffe in der Luft drehte und den Räuber mit dem Knauf statt mit der Spitze traf, dann würde ihn das sein Leben kosten. Der Barde leckte sich mit der Zunge über die Lippen. Seine rechte Hand war schweißnaß.

»Du willst also eine Fehde mit mir, Fürst.« Der Eber lachte leise. »Ich glaube nicht, daß du genügend Männer aufbieten kannst, um mich aus den Bergen zu holen. Dort herrsche ich! Dich und deine Krieger habe ich dort nur geduldet. Ich bin gespannt, wann ich das nächste Mal Gelegenheit haben werde, dir einen Pfeil in den Balg zu jagen. Für heute habe ich genug Zeit mit dir vertan.« Der bullige Kerl drehte sich auf dem Absatz um und lief in die Scheune. Im selben Moment schleuderte Volker seinen Dolch. Mit dumpfen Schlag bohrte sich die Klinge in die hölzerne Scheunenwand. Der Dolch hatte den Schurken um mehr als eine Elle verfehlt.

»Wir werden ihn kriegen«, stöhnte Ricchar. Der Graf hatte seinen Gürtel gelöst und um dem Oberschenkel geschlungen, um die Blutung zu stillen. »Sieh nach, ob drinnen noch jemand lebt!«

Der Spielmann nickte knapp und eilte geduckt zur brennenden Scheune. Vorsichtig spähte er um die Ecke des hohen Eingangstors. Von der Decke des Holzbaus regneten Funken. Ein Stück vor ihm lag ein alter Mann, der mit einer Heugabel niedergestochen worden war. Irgendwo zwischen den tanzenden Schatten, die die Flammen auf die Wände warfen, erklang ein leises Schluchzen. Ein bedrohliches Knacken ertönte im Gebälk der Decke. Eine Klappe zum Heuboden schlug auf, und eine Kaskade brennenden Strohs ergoß sich über den Mittelgang.

Volker biß sich auf die Lippen. Einen Atemzug lang zögerte er. Dann zog er seinen Umhang schützend über sein langes Haar und lief in die Scheune hinein.

»Wo bist du?« brüllte er aus Leibeskräften. Keine Antwort. Die Hitze brannte ihm auf Gesicht und Händen. Mit einem Gebet auf den Lippen drang der Spielmann weiter in die Scheune ein. Halb stolperte er über eine Frau, die am Boden lag. Ihr Kleid war zerrissen. Sie hatte sich ein Messer in den Leib gestoßen. Noch immer umklammerten ihre Finger den groben Holzgriff der Waffe. Volker kniete sich nieder und fühlte nach ihrem Herzen. Sie war tot. Er drückte ihr die Augen zu und zog ihren Rock über ihre Scham hinab. War sie es gewesen, die er wimmern gehört hatte? Suchend blickte er sich um. Von der Decke ertönte erneut ein bedrohliches Knacken. Es war an der Zeit zu verschwinden! Doch als der Barde aufsprang, hörte er erneut das klagende Schluchzen. Es kam aus der hinteren Ecke der Scheune. Undeutlich konnte er unter einem der Deckenbalken einen Schatten hin- und herpendeln sehen.

»Komm raus! Uns bleiben nur noch einige Augenblicke, bis die Scheune einstürzt! Schnell!«

Nichts rührte sich. Polternd stürzten einige glühende Bretter von der Decke herab. »Verdammt, komm endlich heraus!« Der Barde sprang auf und rannte dem Geräusch entgegen. Endlich fand er hinter einen Karren kauernd ein Mädchen. Die Kleine mochte vielleicht vierzehn Sommer gesehen haben. Sie hatte langes, braunes Haar, das ihr in wirren Strähnen ins Gesicht hing. Auch ihr Kleid war zerrissen. Sie hielte beide Hände fest vor die Brust gepreßt. Ihre Finger umklammerten etwas Helles. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie zu der schattenhaften Gestalt, die vom Deckenbalken hing. Es war ein Mann, dem das Brustbein gespalten war und dem man den Bauch aufgeschnitten hatte. Ganz so, wie es ein Fleischhauer tat, um ein Schwein auszuweiden. Am Boden lag ein blutiger Haufen Innereien.

Volker packte das Mädchen und zog ihm seinen Umhang über den Kopf. Mit dem Kind auf den Armen eilte er zum Mittelgang der Scheune zurück. Fast hatte er das Tor erreicht, als mit ohrenbetäubenden Bersten ein Teil der Decke hinabstürzte. Eine Wand aus Feuer versperrte den Ausgang.

»Bei allen Heiligen... Ich werde nie mehr eine Messe im Wormser Münster versäumen, wenn du mir jetzt hilfst, heilige Maria.« Verzweifelt blickte sich der Spielmann nach einem Fluchtweg um. Das Mädchen klammerte sich fest an seine Arme.