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»Die Bardin hat versucht, mich zu ermorden. Sie wollte mich vergiften! Ich werde nichts tun, um ihr zu helfen. Wenn sie wirklich der Feuervogel wäre, dann bräuchte sie unsere Hilfe auch nicht!«

Der Spielmann schüttelte ungeduldig den Kopf. »Sie wollte dich nicht vergiften! Hätte sie dich töten wollen, dann wärest du jetzt nicht hier. Ich wußte, was sie vorhatte. Es war der einzige Weg, dich daran zu hindern, ein Duell mit dem Eber auszutragen. Wir brauchten ihn, damit sich das Schicksal erfüllen konnte...« Volkers Stimme klang gehetzt. »Ich will auch nicht in ihren Kerker, um sie zu befreien. Man kann sie sicher nicht wirklich gefangensetzen. Nur sie kann mir sagen, wo ich die Morrigan finde... Deshalb...«

Golo blickte seinen Freund jetzt voller Mitleid an. Es war sinnlos, auf ihn einreden zu wollen. »Ich werde dich bis zu den Wällen der Stadt bringen. In den Turm mußt du alleine. Ich bin nicht bereit, mein Leben für Belliesa zu geben. Sie ist eine Zauberin! An ihren Händen klebt das Blut Hunderter Unschuldiger! Sie hat es verdient, wenn Ricchar sie richten läßt!«

Volkers Hände brannten, als er sich über die Brüstung zog. Das rauhe Seil hatte die dünne Haut über den frisch verheilten Wunden wieder aufgeschürft. Vorsichtig duckte der Spielmann sich hinter die Zinnen des Turms. Die Mauerabschnitte zu beiden Seiten des Schuldturms schienen völlig verwaist. Offenbar hatten die Wachen dort gerade erst ihre Runden gedreht. Dicht neben Volker stand ein erloschener Feuerkorb auf der Plattform. Erleichtert atmete er auf. Niemand hatte ihn beobachtet. Die Falltür, die hinab zu den Wachquartieren und Kerkern führte, war halb vom Schnee zugeweht.

Bis hierher war, Golos Unkenrufen zum Trotz, alles gutgegangen. Der Spielmann richtete sich auf und blickte von den Zinnen herab. Undeutlich konnte er den dunklen Schatten seines Freundes im Schneetreiben verschwinden sehen. Er hatte sich tatsächlich nicht mehr anders entschieden. Golo ließ ihn allein!

Der Spielmann schluckte. Insgeheim hatte er gehofft, sein Kamerad würde ihm doch noch folgen. Aber jetzt war keine Zeit für Sentimentalitäten! Er würde die Sache auch allein durchfechten können. Golo war jetzt ganz im Schneetreiben verschwunden. Volker griff nach dem Seil und zog es hoch. Falls doch noch Wachen auf die Plattform kamen, durften sie keine Spuren für sein Eindringen finden. Unentschlossen sah er sich um. Wenn er das schwere Tau mit sich schleppte würde es ihn nur langsamer machen. Sein Blick fiel auf den Feuerkorb. Das war ein guter Platz! Er rollte das Seil auf und versteckte es unter der schwarzen Holzkohle. Dort würde niemand suchen!

Eine feine Schicht aus Eis hatte sich in die Ritzen der Falltür gesetzt. Offenbar war seit Stunden kein Wachposten mehr auf dem Turm gewesen.

Es dauerte eine Weile, bis er das Eis mit dem Dolch beiseite gekratzt hatte und er die schwere Bohlentür öffnen konnte. Langsam, das Schwert in der Rechten, schlich er die Treppe hinunter. Die größte Kerkerzelle des Turms befand sich im obersten Geschoß. Wenn Ricchar so ritterlich war, wie Volker hoffte, dann müßte Belliesa hier untergebracht sein oder aber im Palast des Statthalters.

Am Absatz der Treppe verharrte der Spielmann und lauschte. Irgendwo weiter unten konnte man das Klappern von Würfeln hören. Offenbar rechneten die Wachen nicht damit, daß es einen Befreiungsversuch geben könnte. Der Burgunde lächelte. Es hatte durchaus sein Gutes, wenn man allgemein für tot gehalten wurde. Rechts von ihm lag die Tür zu der Kerkerzelle, die das ganze Obergeschoß des Turms einnahm. Ein eiserner Riegel verschloß die Pforte aus dicken Eichenbohlen. Er war gut geölt und ließ sich leicht zurückschieben. Noch einmal lauschte Volker auf die würfelnden Wachsoldaten weiter unten im Turm. Sie lachten und schienen nichts bemerkt zu haben.

Entschlossen stieß er die Tür auf und trat in den Kerker. Der Raum war mit ausgesuchten Möbeln eingerichtet. Felle und Wandvorhänge bedeckten die kalten Mauern. Auf einem Tisch dicht neben der Tür lag Belliesas Laute mit den kostbaren Elfenbeinintarsien. Die Bardin hatte sich in ihren schwarzen Umhang gehüllt und saß auf einem Stuhl, so daß sie Volker den Rücken zuwandte. Sie rieb ihre Hände über einer Feuerschale. Das rote Licht brach sich in einem goldenen Ring an ihrer linken Hand. Dem Spielmann war das Schmuckstück noch nie zuvor aufgefallen.

»Du kommst früher, als ich erwartet hätte. Für gewöhnlich erscheint der edle Ritter doch erst in der Nacht vor der Hinrichtung, um seine Geliebte zu befreien...«

Volker stockte der Atem. Das war nicht Belliesa! Es war... Die Gestalt erhob sich und streifte den Mantel zurück. Ricchar! Wie bei ihrem ersten Treffen war der Fürst mit einem bestickten Leinenpanzer gewappnet. Doch diesmal trug er dazu wollene Hosen.

Der Franke lächelte breit. »Deine Ritterlichkeit macht dich sehr berechenbar, Volker. Ich konnte einfach nicht glauben, daß du bei der Erstürmung der Stollen ums Leben gekommen bist. Das ist kein Tod für einen Helden. Nicht wahr?«

Volker umklammerte sein Schwert fester und sah sich nach einem Fluchtweg um. Offenbar war der Frankenfürst allein in der Kammer.

»Willst du es dir nicht doch noch überlegen, mein Freund? Wenn du zum Mithrasglauben übertrittst, kann ich dich noch begnadigen. Du hast zu lange und zu erfolgreich gegen mich gekämpft, als daß ich dich jetzt einfach laufen lassen könnte. Kommst du mir nicht wenigstens ein Stück entgegen, dann muß ich auch dich morgen hinrichten lassen. Ich will dich nicht demütigen... Ich selbst würde dir die Weihe geben, und außer uns beiden wäre niemand zugegen. Es geht mir allein um die Geste.«

Der Spielmann schüttelte langsam den Kopf. »Ich hoffe, du hältst mich nicht für unhöflich, aber ich habe dem einzig wahren Gott die Treue geschworen, und ich wüßte nicht, warum ich einen Stierschlächter anbeten sollte.«

Für einen Herzschlag lang erstarrte das Gesicht des Kriegsherren zu einer kalten Maske. »Du bist grausam, Spielmann. Du weißt, wieviel mir die Kunst bedeutet und wie sehr ich dich schätze. Warum zwingst du mich, dich morgen gemeinsam mit Belliesa auf den Scheiterhaufen zu stellen?«

»Laß die Bardin frei, und ich verspreche dir, wir beide werden nie wieder einen Fuß auf dein Land setzen, Ricchar.«

»Das kann ich nicht. Es ist zu viel Blut geflossen, und man erzählt sich zu viele Geschichten über euch. Sogar diesen Halsabschneider, den Eber, feiert man jetzt als einen Helden. Mein Volk muß sehen, daß ihr entweder tot seid oder aber euch unterworfen habt. Sonst wird es niemals Frieden geben. Der Kopf des Ebers steckt auf einem Pfahl über dem Tor der Stadt. Belliesa wird morgen vor den Augen aller verbrannt werden. Wenn du dich nicht beugst, wirst du an ihrer Seite stehen. Und was Golo angeht... Man sagt, er sei dein Knappe gewesen. Ich bin sicher, er wird morgen in der Stadt sein. Selbst wenn er nicht versuchen sollte, dich zu retten, wird er dir eine letzte Ehre erweisen wollen, indem er bei deiner Hinrichtung zugegen ist. An jedem der Stadttore steht ein Offizier, der bei unseren Festen in Castra Bonna zugegen war und weiß, wie dein Kamerad aussieht. Sie werden ihn hineinlassen, doch wenn er wieder gehen will, werde ich auch ihn haben... Er ist der letzte Kopf des Widerstands. Sein Haupt wird neben dem des Ebers aufgepflanzt werden.«

Ricchar hatte recht! Volker wußte es. Golo würde morgen zu der Hinrichtung kommen. Der einzige Weg, dies vielleicht noch zu verhindern, war, jetzt in dieser Stunde zu sterben. Der Spielmann hob seine Waffe.