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Zwei Reiter kamen auf den Platz. Sie trugen prächtige Rüstungen und Maskenhelme. Einer von ihnen hielt Ricchars Drachenstandarte. Der andere schien der Fürst selbst zu sein. Ein Mann mit einer Fackel in der Hand trat auf Ricchar zu und reichte sie ihm.

Rings um Belliesa hatten die Henkersknechte inzwischen Reisigbündel angehäuft und sie mit Lampenöl übergossen. Ein einziger Funken würde genügen, um das dürre Holz in hellen Flammen auflodern zu lassen. Auf dem Platz war es völlig still. Nur das Heulen des auffrischenden Windes, der um die spitzen Giebel der Fachwerkhäuser strich, störte die Ruhe. Dann erhob Ricchar seine Stimme. »Bardin, du bist angeklagt der Zauberei! Hunderte von Männern hast du mit deinem Bann belegt und sie in den Kampf gegen mich getrieben, so daß ich deinem Unwesen mit Feuer und Schwert ein Ende bereiten mußte. Für das Leid, daß du über mich und meine Untertanen gebracht hast, verurteile ich dich zum Tode auf dem Scheiterhaufen.« Der Fürst machte eine kurze Pause. »So es hier auf dem Platz jemanden gibt, der etwas zugunsten der Verfemten vorzutragen hat, möge er nun sprechen!«

Wieder war es still. Volker wollte etwas sagen, doch seine Zunge war geschwollen, und nur ein Röcheln kam über seine Lippen. Verzweifelt sah er sich um. Unter all den Menschen mußte es doch auch paar Männer geben, die an ihrer Seite gekämpft hatten! Brachte denn keiner den Mut auf, für die Bardin einzutreten?

Ricchar warf seine Fackel in die Reisigbündel des Scheiterhaufens, und fauchend loderten die Flammen empor, als Belliesa ihre Stimme erhob, ein letztes Lied zu singen:

»O heißgelbes Feuer, das schwertweiß und

golden aus den Scheiten strömt:

Sei Flamme für die Soldaten in

ihren Kasernen in Icorigium!

Sei Höllenpein in den Adern Ricchars,

des ungerechten Richters!

Sei Fackel meiner Schwester, der Windsbraut,

auf daß sie diese Stadt finde!

Aus dem kalten Grau des Himmels

höre ich ihre Stimme.

Es ist das Wispern,

das nachts in den Bäumen klingt.

Ich weiß, es ist auch die Stimme des Schattens,

der über euren Gräbern liegen wird!

Spürt ihr das Beben?

Es ist das Zornbeben meiner Schwester Erde!

Was ihrem Leib entsproß,

habt ihr mir zum Tode bestimmt.

Spürt ihr den vielhundertfachen Schritt

des Verderbens, das ihr selbst in eure Stadt gerufen habt?

Ahnt ihr den gehörnten Schatten,

der über euren Gräbern liegen wird?

Und was ist...«

Der erstickende Rauch der Reisigbündel brach die Stimme der Bardin. Eine Flammenwand umschloß die weiße Gestalt auf dem Scheiterhaufen. Böse knisterte das Feuer, vom Sturmwind angefacht, der in eisigen Böen über den Platz fegte und wie mit kalten knöchernen Fingern nach den Kleidern griff. Dumpf klang der Husten hinter den Flammen, der Belliesa die Macht ihrer kristallenen Stimme geraubt hatte. Volker rannen Tränen über die Wangen.

Ein gellender Schrei klang über dem Schweigen. Fauchend fuhr der Sturmwind in den Scheiterhaufen, und eine lange Flammenzunge griff nach den beiden Reitern in der Mitte des Platzes. Wiehernd stiegen ihre Hengste. Ricchar stürzte. Funken hatten die breiten Stoffstreifen der Drachenstandarte in Brand gesetzt. In Panik peitschten die Pferde die Luft mit ihren Schweifen, in denen heiße Aschenflocken schwelten.

Volker hielt den Atem an. Die Flamme hatte die Gestalt eines Vogels gehabt. Der Scheiterhaufen war sein loderndes Nest. Doch der nächste Windstoß trieb ihn wieder zum Himmel. Glühende Funken regneten auf den Platz. Der Wind fegte den Schnee von den Dächern, zerrte an den Strohgiebeln und hölzernen Schindeln. Ricchars schwarzer Hengst stieg, und seine Hufe trommelten auf den gestürzten Reiter, der wehrlos am Boden lag.

Schreiend und kreischend stoben die Menschen auseinander, so wie Blätter, die der Herbstwind vor sich her treibt. Aus einem der Häuserdächer schlugen Flammen, als ein unheimliches Donnern den Boden erbeben ließ.

Von irgendwoher ertönte ein schriller Schrei. »Die Stiere!« Wie eine Flut aus Fleisch ergossen sie sich auf den Marktplatz. Volker sah, wie Ricchar versuchte, sich auf sein Schwert gestützt aufzurichten. Eines seiner Beine war blutverschmiert und widernatürlich verdreht. Als die Mauer gesenkter Hörner ihm entgegenbrandete, streckte er den rechten Arm aus, als wolle er den Stieren befehlen stehenzubleiben. Das war das letzte, was Volker von Ricchar sah.

Der Feuervogel aber erhob sich vom Scheiterhaufen und sprang von Dach zu Dach, jeweils ein Nest aus Glut zurücklassend, das der Sturmwind zu neuen Bränden entfachte. Plötzlich vernahm der Spielmann inmitten des Chaos die helle Stimme der Bardin.

»Vergiß mich nicht, mein Ritter. Was in den Flammen verging, wird in das Fleisch wiedergeboren werden. Auch für dich ist die Zeit nun gekommen...«

Verzweifelt sah sich Volker nach einem Ausweg um. Das Gerüst, auf dem er stand, erbebte unter den Stößen der Stierhörner. Glut fiel aus dem schwarzem Himmel, und die Luft war so heiß geworden, daß jeder Atemzug zur Qual wurde. Humpelnd versuchte er, die schmale Leiter zu erreichen, die vom Gerüst hinabführte. Doch wie sollte er so geschwächt, wie er war, den Stieren entkommen. Überall gellten die Schreie Sterbender, und die Flammen fauchten, als schlügen sie direkt aus den Abgründen der Hölle empor. Der Tag der Apokalypse, von dem die heilige Schrift kündete, konnte nicht schlimmer sein.

Ein schwerer Stoß ließ das Gerüst erzittern. Dann neigte es sich zur Seite. Verzweifelt versuchte Volker, sein Gleichgewicht zu halten, doch seine Krücke rutschte weg. Er schlug hin und schlitterte den stampfenden Hufen der Stiere entgegen. Seine letzten Gedanken galten dem Märchen vom Feuervogel. Der Ritter, der den weißen Turm bezwungen hatte, mußte dafür mit seinem Leben bezahlen. Und was hatte Belliesa ihm zum Abschied zugeraunt? Auch für dich ist die Zeit nun gekommen...

24. KAPITEL

»Und was geschah dann?« fragte der König mit leiser Stimme. Im Gegensatz zu Hagen, der hinter seinem Thron stand, vermochte Gunther seine Gefühle nicht zu verbergen. Doch vielleicht hatte der Tronjer ja auch gar keine Gefühle, die er niederringen mußte. Mit unbewegtem Gesicht hatte er Golos Bericht gelauscht. Die drei waren allein im kalten Festsaal der Wormser Königsburg, denn der König hatte entschieden, daß niemand außer ihnen um jene Dinge wissen sollte, die in den Bergen jenseits von Treveris geschehen waren.

»Ricchar hatte seine sächsischen Söldner noch nicht ausgezahlt, und als sie vom Tod des Kriegsherren hörten, fürchteten sie, daß sie kein Gold mehr sehen würden. Sie stürmten die brennende Stadt und mordeten jene, die den Flammen entgangen waren. Drei Tage und drei Nächte dauerten das Feuer und das Töten. Die Felder rings um Icorigium lagen so dicht voller Leichen, daß man kaum zwei Schritt gehen konnte, ohne auf einen Toten zu treten. Am vierten Tage, als die Flammen verloschen, zogen die Sachsen zum großen Fluß, um von dort in ihre Heimat zurückzukehren.«

»Und wie kommt es, daß du den Mordbrennern entgangen bist?« fragte Hagen scharf.

»In meinen schmutzigen Fellen und mit meinem Bart haben sie mich für einen der ihren gehalten, Herr. Ich irrte durch die brennende Stadt und suchte nach Volker. Das letzte, was ich von ihm sah, war, wie er vom Gerüst stürzte. Dann wurde ich von den Stieren vom Platz gedrängt. Als ich Stunden später endlich wiederkehren konnte, waren beide Gerüste verbrannt. Es lagen mehrere Leichen dort, doch das Feuer hatte sie so sehr entstellt, daß es unmöglich war, zu erkennen, ob Volker einer der Toten war. Eine der Leichen jedoch hatte eine Wunde im Bein, und neben ihr lag ein verkohlter Krückstock.« Golo schluckte. Für einen Moment lang konnte er nicht mehr sprechen.