„Warum abgesehen?“ fragte van Riebeek. „Ruth, Sie sind heute abend so ruhig gewesen. Was meinen Sie?“
Ruth Ortheris schien unschlüssig. „Gerd, es ist noch zu früh, um sich schon eine Meinung zu bilden. Ich weiß, daß die Art und Weise, wie sie zusammenarbeiten, nach zweckvoller Tätigkeit aussieht, aber ich kann aus diesem quiek-quiek-quiek einfach keine Sprache machen.“
„Lassen wir doch einmal die Sprache und die Feuer-Regel aus dem Spiel“, meinte van Riebeek. „Wenn sie an einem gemeinsamen Projekt zusammenarbeiten, müssen sie doch irgendwie untereinander in Verbindung stehen.“
„Einen Augenblick“, unterbrach Jack. „Ehe wir weiterreden, sollten wir einmal den Begriff 'Vernunft' definieren.“
Van Riebeek lachte. „Haben Sie schon einmal versucht, von einem Biologen eine Definition des Begriffes 'Leben' zu bekommen?“ fragte er. „Oder eine Definition des Begriffes 'Zahl' von einem Mathematiker?“
„Das ist es ja gerade.“ Ruth blickte zu den Fuzzys hinüber, die ihre Konstruktion aus bunten Bällen und Stäben betrachteten, als überlegten sie, ob sie noch etwas hinzufügen könnten, ohne die Wirkung zu stören.
„Ich würde sagen, ein gewisses Niveau geistiger Aktivität, das sich qualitativ darin von der Nonsapiens unterscheidet, daß es die Fähigkeit einschließt, Ideen zu symbolisieren, aufzuspeichern und weiterzuleiten, ebenso wie die Fähigkeit zu verallgemeinern und die Fähigkeit, abstrakte Ideen zu bilden. Da — jetzt habe ich kein Wort von Sprache und Feuermachen gesagt, oder?“
„Little Fuzzy symbolisiert und verallgemeinert“, sagte Jack. „Er symbolisiert ein Scheusal mit drei Hörnern und er symbolisiert ein Gewehr als ein langes Etwas, das Lärm macht. Gewehre töten Tiere. Harpyien und Scheusale sind beides Tiere. Wenn ein Gewehr eine Harpyie tötet, wird es auch ein Scheusal töten.“
Ehe jemand darauf antworten konnte, fing der Bildsprecher zu summen an. Die Fuzzys rannten alle vor den Schirm, und Jack schaltete ein. Der Anrufer war ein Mann in einem grauen Anzug mit welligem grauen Haar und einem Gesicht, das aussah, wie das von Juan Jimenez vielleicht in zwanzig Jahren aussehen würde.
„Guten Abend, hier ist Holloway.“
„Oh, Mr. Holloway, guten Abend.“ Der Anrufer schüttelte sich die Hand und lächelte. „Ich bin Leonard Kellogg, der Leiter der wissenschaftlichen Abteilung der Gesellschaft. Ich habe gerade das Band gehört, das Sie über die — die Fuzzys besprochen haben.“ Er blickte auf den Boden. „Sind das welche von den Tieren?“
„Das sind die Fuzzys.“ Jack hoffte, daß der andere die Korrektur bemerkte. „Dr. Bennett Rainsford ist jetzt bei mir, und das hier sind Dr. Jimenez, Dr. van Riebeek und Dr. Ortheris.“ Aus dem Augenwinkel sah er, wie Jimenez zusammenzuckte, als hätte ihn eine Ameise gebissen, während van Riebeek mit undurchdringlicher Miene in den Bildschirm starrte und Ben Rainsford ein Grinsen unterdrückte.
„Einige von uns sind außer Sichtweite, aber Sie wollen bestimmt viele Fragen stellen. Entschuldigen Sie einen Augenblick, wir kommen näher.“
Er achtete nicht auf Kelloggs Protest, daß das nicht nötig sei, bis die Stühle vor dem Bildschirm standen. Dann reichte er noch Fuzzys herum, wobei er Ben Little Fuzzy reichte, Gerd Ko-Ko, Ruth Mitzi, Jimenez Mike. Mama und Baby nahm er selbst auf den Schoß.
Baby fing sofort an, ihm auf den Kopf zu klettern, wie er es nicht anders erwartet hatte. Das schien Kellogg — ebenfalls wie erwartet — aus dem Konzept zu bringen. Er beschloß, zu einem späteren Zeitpunkt Baby beizubringen, eine lange Nase zu machen, sofern man ein entsprechendes Zeichen gab.
„So, und jetzt zu dem Band, das ich gestern abend besprach“, begann er.
„Ja, Mr. Holloway.“ Kellogs Lächeln wurde von Sekunde zu Sekunde mechanischer. Es schien ihm sichtlich schwerzufallen, die Augen von Baby zu wenden.
„Ich muß sagen, die hohe Intelligenzstufe, die Sie diesen Tieren zuschreiben, hat mich wirklich überrascht.“
„Und jetzt wollten Sie sehen, was für ein Riesenlügner ich bin. Ich nehm's Ihnen nicht übel; mir fiel's selbst schwer, es zu glauben.“
Kellogg lachte strahlend, wobei er noch mehr seine blendend weißen Zähne zeigte.
„Oh, nein, Mr. Holloway, bitte mißverstehen Sie mich nicht. Ich habe nie dergleichen gedacht.“
„Hoffentlich nicht“, warf Ben Rainsford nicht gerade freundlich ein. „Wenn Sie sich erinnern werden, habe ich mich für Mr. Holloways Angaben verbürgt.“
„Natürlich, Bennett, das steht außer Zweifel. Gestatten Sie mir, Ihnen zu einer wirklich bemerkenswerten wissenschaftlichen Entdeckung zu gratulieren. Eine völlig neue Säugetiergattung…“
„… bei der es sich um die neunte extrasolare vernunftbegabte Rasse handeln könnte“, fügte Rainsford hinzu.
„Herr im Himmel, Bennett!“ Kellogg mimte Überraschung. „Das ist doch nicht Ihr Ernst?“ Er sah wieder die Fuzzys an und lächelte.
„Ich dachte, Sie hätten das Band gehört“, meinte Rainsford.
„Natürlich, der Bericht war wirklich äußerst bemerkenswert. Aber Vernunft! Nur, weil man ihnen ein paar Tricks beigebracht hat und sie Stöcke und Steine als Waffen benutzen…“ Er zeigte jetzt eine ernste Miene. „Eine so extreme Behauptung kann man doch nur nach äußerst sorgfältiger Überlegung aufstellen.“
„Nun, ich möchte noch nicht behaupten, daß sie vernunftbegabt sind“, erklärte Ruth Ortheris. „Aber sie könnten es sehr leicht sein. Sie besitzen eine Lern- und Entscheidungsfähigkeit, die etwa der eines achtjährigen terranischen Kindes entspricht und die durchaus über der von erwachsenen Angehörigen anderer Rassen liegt, die als vernunftbegabt anerkannt sind. Und man hat sie keine Tricks gelehrt. Sie haben durch Beobachtung und Versuche gelernt.“
Kellogg hatte sich sichtlich darum bemüht, enthusiastisch zu erscheinen, und jetzt zeigte er diesen Enthusiasmus.
„Aber das ist ja wunderbar! Das wird Geschichte machen! Jetzt verstehen Sie natürlich alle, wie ungeheuer wertvoll diese Fuzzys sind. Sie müssen sofort nach Mallorys Port gebracht werden, wo qualifizierte Psychologen sie unter labormäßigen Bedingungen studieren können und…“
„Nein.“
Jack hob Baby Fuzzy von seinem Kopf und reichte ihn Mama. Dann setzte er Mama auf den Boden. Das war eine reine Reflexhandlung, denn er wußte sehr wohl, daß er nicht die Hände frei zu haben brauchte, wenn er mit dem elektronischen Bild eines zweitausendfünfhundert Meilen entfernten Mannes ins Streiten geriet.
„Vergessen Sie das und fangen Sie noch mal von vorne an“, riet Jack.
Kellogg ignorierte ihn. „Gerd, Sie haben Ihr Luftboot. Richten Sie ein paar hübsche, bequeme Käfige her -“
„Kellogg!“
Der Mann auf dem Bildschirm hörte zu reden auf und starrte sein Gegenüber überrascht und zugleich indigniert an. Das war das erstemal seit Jahren, daß jemand ihn einfach „Kellogg“ genannt hatte. Nicht Mr. Kellogg und nicht Sir — und wahrscheinlich das erste Mal überhaupt in seinem Leben, das man ihn angeschrien hatte.
„Haben Sie mich beim erstenmal nicht gehört, Kellogg? Dann quatschen Sie keinen Unsinn von wegen Käfigen. Diese Fuzzys werden nirgendwohin gebracht.“
„Aber, Mr. Holloway! Verstehen Sie denn nicht, daß diese kleinen Geschöpfe sorgfältig studiert werden müssen? Wollen Sie denn nicht, daß man ihnen den Platz in der Hierarchie der Natur zuweist, der ihnen entspricht?“
„Wenn Sie sie studieren wollen, dann kommen Sie hier heraus und tun Sie es hier. Das heißt — solange Sie weder sie noch mich belästigen. Und was das Studieren betrifft — sie werden hier auch studiert. Dr. Rainsford studiert sie und drei Ihrer Leute ebenfalls, und wenn es darauf hinausläuft, dann ich selbst auch.“
„Und ich möchte auch diese Bemerkung betreffs qualifizierter Psychologen klären“, fügte Ruth Ortheris mit einer Stimme hinzu, bei der einem das Blut in den Adern gefrieren konnte. „Sie wollen doch nicht etwa meine berufliche Qualifikation anzweifeln, oder?“