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„Wollen Sie, daß ich mit dabei bin, wenn die anderen kommen, Victor?“ fragte Emmert und griff nach einem neuen Sandwich.

„Aber selbstverständlich. Das wird die letzte Gelegenheit sein, gemeinsam über die Sache zu sprechen; nachher müssen wir alles vermeiden, das nach Beeinflussung aussieht.“

„Aber mit Vergnügen, ich helfe doch gern, das wissen Sie ja, Victor“, sagte Emmert.

Ja, das wußte Grego. Wenn es zum Schlimmsten kam und der Vertrag der Gesellschaft gekündigt wurde, konnte er immer noch hierbleiben und sich irgendwie über Wasser halten und vielleicht sogar aus dem Zusammenbruch der Gesellschaftsbürokratie seinen Nutzen schlagen. Nick dagegen würde erledigt sein. Sein Titel, seine gesellschaftliche Stellung, seine Schmiergelder, seine Privilegien — erledigt.

Die Sprechanlage auf dem Schreibtisch gab einen leisen Summton von sich. Dann teilte eine Frauenstimme mit, daß Mr. Coombes und seine Begleiter eingetroffen seien.

„Okay, führen Sie sie herein.“

Coombes trat als erster ein, eine hochgewachsene, elegante Gestalt mit einem glatten, zufriedenen Gesicht. Den gleichen Gesichtsausdruck würde er inmitten eines Bombardements oder eines Erdbebens zeigen. Grego hatte Coombes als Anwalt gewählt — der Gedanke daran verlieh ihm Auftrieb. Mohammed Ali O'Brien war weder hochgewachsen noch elegant noch ruhig. Seine Haut war beinahe schwarz — er war auf Agni geboren, unter einer heißen B3-Sonne. Sein kahler Schädel glänzte, und eine große Nase stach über einem mächtigen weißen Schnurrbart hervor. Und hinter ihnen drängte sich der Rest der Expedition zum Beta-Kontinent herein — Ernst Mallin, Juan Jimenez und Ruth Ortheris. Mallin sagte gerade: „Wie schade, daß Dr. Kellogg nicht hier ist.“

„Das bezweifle ich. Und bitte setzen Sie sich. Wir haben leider eine ganze Menge zu besprechen.“

Oberrichter Frederic Pendarvis schob den Aschenbecher ein paar Zoll nach rechts und gleich darauf die schlanke Vase mit den Sternblumen ein paar Zoll nach links. Dann stellte er die gerahmte Fotografie der weißhaarigen Frau direkt vor sich. Jetzt fiel ihm keine andere aufschiebende Taktik mehr ein, und er zog die beiden dicken Bücher näher an sich heran und schlug das rote, das mit den Kriminalakten, auf.

Der erste Fall war ein Mord. Ein Bericht vom Beta-Kontinent, Konstabler fünfzehn, Leutnant George Lunt. Jack Holloway — der alte Jack hatte also wieder einmal eine Kerbe in seine Pistole geschnitten — Cold Creek-Tal, Föderationsbürger, Rasse Terra — menschlich; Tötung eines vernunftbegabten Wesens, Kurt Borch, Mallorys Port, Föderationsbürger, Rasse Terra — menschlich. Ankläger Leonard Kellogg, dito. Verteidiger des Beklagten Gustavus Adolphus Brannhard.

Der zweite Bericht betraf ebenfalls einen Mord und stammte auch von Konstablerleutnant George Lunt. Er las den Bericht und blinzelte dann. Leonard Kellogg, Tötung eines vernunftbegabten Wesens, Name unbekannt, genannt Goldlöckchen, Eingeborene, Rasse Fuzzy — Zarathustra, Ankläger Jack Holloway, Anwalt des Beklagten Leslie Coombes — Pendarvis lachte laut auf. Offenbar ein Versuch, Kelloggs Anklage lächerlich zu machen. Gut, daß es Leute wie Gus Brannhard gab, um die trockene Routine des Gerichts manchmal etwas aufzulockern. Rasse Fuzzy — Zarathustra!

In dem Glas war nicht genug Eis, und so warf Leonard Kellogg noch einen Würfel hinein. Dann waren es zu viele, und er goß Brandy nach. Er hätte nicht so früh mit dem Trinken anfangen sollen. Wenn er so weitermachte, würde er bis zum Abend betrunken sein, aber was blieb ihm sonst übrig? Er konnte so, wie sein Gesicht aussah, ja nicht hinausgehen. Und außerdem war er nicht sicher, ob er Lust dazu verspürt hätte.

Sie hatten ihn alle im Stich gelassen. Ernst Mallin, Ruth Ortheris, ja, sogar Juan Jimenez. Auf der Polizeistation hatten Coombes und O'Brien ihn wie ein schwachsinniges Kind behandelt, bei dem man aufpassen muß, daß es nicht zuviel sagt. Und auf dem Rückflug nach Mallorys Port hatten sie ihn überhaupt ignoriert.

Der Bildsprecher im Nebenzimmer summte. Vielleicht war das Victor. Er kippte den Inhalt des Glases hinunter und eilte an das Gerät.

Es war Leslie Coombes. Sein Gesicht war wie üblich bar eines jeden Ausdrucks.

„Oh, hallo Leslie.“

„Guten Tag, Dr. Kellogg.“ Die formelle Anrede ließ die Zurechtweisung deutlich spüren. „Der Anklagevertreter hat mich gerade angerufen; Richter Pendarvis hat den Antrag auf Niederschlagung des Prozesses, den er in Ihrem Falle eingereicht hat, abgewiesen und angeordnet, daß beide Fälle vor Gericht ausgetragen werden.“

„Sie meinen, das Gericht nimmt das wirklich ernst?“

„Es ist Ernst. Wenn Sie verurteilt werden, wird die Charta der Gesellschaft beinahe automatisch ungültig werden. Und — das ist zwar nur für Sie persönlich wichtig — es könnte leicht sein, daß man Sie zum Tode durch Erschießen verurteilt.“ Er tat das mit einem Achselzucken ab und fuhr fort: „Jetzt möchte ich mit Ihnen über Ihre Verteidigung sprechen, für die ich verantwortlich bin. Sagen wir, zehn Uhr dreißig morgen in meinem Büro. Bis dahin werde ich wahrscheinlich wissen, welches Beweismaterial gegen Sie vorgebracht werden kann. Ich erwarte Sie also, Dr. Kellogg.“

Er mußte noch mehr gesagt haben, aber das war alles, was bei Leonard haften blieb. Es wurde ihm auch nicht bewußt, wie er wieder ins Nebenzimmer ging, bis er bemerkte, daß er in seinem Lehnstuhl saß und das Glas erneut mit Brandy füllte. Er hatte nur noch wenig Eis, aber das störte ihn nicht.

Als Leslie Coombes Victor Grego in dessen Büro aufsuchte, fand er Nick Emmert dort vor. Die beiden Männer erhoben sich, um ihn zu begrüßen, und Grego sagte: „Haben Sie's gehört?“

„Ja. O'Brien hat mich sofort angerufen. Ich habe meinen Mandanten angerufen und es ihm gesagt. Ich fürchte, für ihn war das ein ziemlicher Schock.“

„Pendarvis wird die Verhandlung selbst leiten“, sagte Emmert. „Ich hielt ihn immer für einen vernünftigen Mann, aber was bezweckt er eigentlich damit? Will er der Gesellschaft eins auswischen?“

„Er ist nicht gegen die Gesellschaft. Er ist auch nicht für die Gesellschaft. Er ist einfach für die Gesetze. Das Gesetz sagt, daß ein Planet mit vernunftbegabten Eingeborenen die Klasse IV besitzt und eine Kolonialregierung der Klasse IV haben muß. Wenn Zarathustra ein Klasse-IV-Planet ist, will er, daß diese Regierung errichtet wird. Wenn es ein Klasse-IV-Planet ist, besteht der Vertrag der Zarathustra-Gesellschaft zu Unrecht. Es ist seine Aufgabe, für die Beseitigung eines jeden Unrechts zu sorgen. Frederic Pendarvis' Religion ist das Gesetz, und er ist sein höchster Priester. Man kann nie mit einem Priester über Religion streiten.“

„Dann kann man nur hoffen, daß diese Fuzzys nicht vor Gericht aufstehen, ein Freudenfeuer anzünden und eine Rede in terranischer Sprache halten“, meinte Grego.

Nick Emmert schrie erschreckt auf:

„Jetzt glauben Sie selbst, daß sie intelligent sind!“

„Natürlich. Sie nicht?“

Grego lachte. „Nick glaubt, man muß eine Sache glauben, um sie beweisen zu können. Das hilft zwar, es ist aber nicht notwendig. Aber klar werden sollten wir uns natürlich schon, wo wir stehen. Am besten wäre es, wir hätten selbst ein paar Fuzzys zum Studieren.“

„Schade, daß wir die von Holloway nicht kriegen können“, sagte Emmert. „Das heißt, vielleicht ginge das, wenn er sie in seinem Lager alleinläßt.“

„Nein, das können wir nicht riskieren.“ Grego dachte einen Augenblick nach. „Einen Augenblick mal. Ich glaube, wir schaffen es doch. Und sogar auf legalem Wege.“

9.

Jack Holloway sah, wie Little Fuzzy die Pfeife bestaunte, die er in den Aschenbecher gelegt hatte. Er hob sie auf und schob sie in den Mund. Little Fuzzy warf ihm einen tadelnden Blick zu und schickte sich an, auf den Boden zu springen. Pappi Jack war gemein; als ob ein Fuzzy nicht auch einmal eine Pfeife rauchen wollte! Nun, vielleicht würde es ihm nicht schaden. Er hob Little Fuzzy auf und setzte ihn auf seinen Schoß. Dann bot er ihm die Pfeife an. Little Fuzzy zog daran. Er mußte nicht einmal husten; offensichtlich hatte er gelernt, das Inhalieren zu vermeiden.