„Nein, aber sie haben für ihn quittiert.“ Brannhard leerte sein Glas, holte eine Zigarre aus der Tasche und zündete sie an. „Jetzt fahren wir nach Mallorys Port und holen uns den Rest zurück.“
„Aber… aber der Oberrichter hat doch die Anweisung unterschrieben. Er wird sie doch nicht zurückgeben, nur weil wir darum bitten.“
Brannhard machte eine geringschätzige Handbe-wegung.
„Ich wette meine letzte Flasche Whisky darum, daß Pendarvis diesen Schrieb nie gesehen hat. Im Gerichtsbüro liegen diese Fetzen stapelweise blanko unterschrieben herum. Wenn sie jedesmal warten müßten, bis einer der Richter Zeit hat, den Auftrag zu unterschreiben, wenn etwas beschlagnahmt werden soll oder sie einen Zeugen verhören wollen, dann würden sie überhaupt nicht mehr zur Arbeit kommen. Wenn O'Brien sich das nicht selbst ausgedacht hat, dann war es eben Leslie Coombes.“
„Wir nehmen meinen Luftwagen“, sagte Gerd. „Kommst du mit, Ben?“
Er verstand einfach nicht. Die Großen in den blauen Kleidern waren Freunde gewesen; sie hatten ihnen die Pfeifchen gegeben und waren traurig gewesen, als der Getötete beerdigt worden war. Und warum hatte Pappi Jack nicht sein großes Gewehr geholt und sie aufgehalten? Er hatte doch bestimmt nicht Angst gehabt. Nein, Pappi Jack hatte vor nichts Angst.
Dann spürte er die Klinge des kleinen Messers, das Pappi Jack ihm gemacht hatte. Er konnte sich aus dem Sack befreien und die anderen auch, aber das würde keinen Sinn haben. Sie waren in einem der Dinger, in dem die Großen in den Himmel flogen, und wenn er jetzt den Sack aufschnitt, würden sie ihn wieder einfangen. Besser also warten.
Als Gus Brannhard und Jack Holloway sich in Pendarvis' Büro gesetzt hatten und dieser ihnen Mohammed Ali O'Brien vorgestellt hatte, steuerte der Oberrichter sofort auf das Thema zu.
„Meine Sekretärin sagt mir, daß Sie gegen Mr. O'Brien hier Beschwerde führen?“
„Allerdings, Euer Ehren.“ Brannhard klappte seine Mappe auf und schob die beiden Schriftstücke — die Gerichtsorder und die Quittung — über den Schreibtisch. „Mein Mandant und ich möchten wissen, auf Grund welchen Gesetzes Euer Ehren diesen Akt sanktioniert haben und mit welcher Berechtigung Mr. O'Brien seine Beamten in Mr. Holloways Camp geschickt hat, um diese kleinen Leute ihrem Freund und Beschützer, Mr. Holloway, wegzunehmen.“
Der Richter sah die beiden Schriftstücke an.
„Meine Sekretärin hat natürlich Photokopien dieser Schriftstücke gemacht, als sie mit Ihnen den Termin für diese Besprechung vereinbarte, aber Sie können mir glauben, Mr. Brannhard, daß das das erstemal ist, daß ich diese Order im Original sehe. Sie wissen ja, daß diese Anweisungen alle blanko unterschrieben werden. Das ist eine Praxis, die viel Zeit und Mühe gespart hat, und bis jetzt sind solche Schriftstücke immer nur dann verwendet worden, wenn außer Zweifel stand, daß ich oder ein anderer Richter einverstanden waren. In diesem Fall bestand zweifellos ein solcher Zweifel, denn ich hätte diese Order nie unterschrieben, wenn, man sie mir vorgelegt hätte.“ Er wandte sich O'Brien zu. „Mr. O'Brien“, sagte er. „Man beschlagnahmt nicht einfach intelligente Wesen als Beweisstücke, so wie man einen gestohlenen Airjeep bechlagnahmt oder ein Veldtier, wenn es um ein strittiges Brandzeichen geht. Die Tatsache, daß die Intelligenz dieser Fuzzys noch sub judice ist, schließt durchaus die Möglichkeit ein, daß sie intelligent sind. Und Sie wissen sehr wohl, daß die Gerichte angesichts der Möglichkeit, daß eine unschuldige Person zu Unrecht leiden muß, nichts unternehmen dürfen.“
„Und Euer Ehren“, sprang Brannhard in die Bresche, „es kann doch nicht abgeleugnet werden, daß diese Fuzzys ein erschütterndes Unrecht erlitten haben! Stellen Sie sich vor — nein, stellen Sie sich unschuldig hilflose Kinder vor, denn das sind diese Fuzzys, unschuldige Kinder, die bis jetzt nur Zuneigung und Freundlichkeit gekannt haben — die brutal entführt und von rohen Händen in Säcke gestopft werden…“
„Euer Ehren!“ O'Briens Gesicht wurde noch schwärzer als die heiße Sonne von Agni es gebrannt hatte. „Ich kann nicht zulassen, daß Gerichtsbeamte so charakterisiert werden!“
„Mr. O'Brien scheint zu vergessen, daß er in Gegenwart von zwei Augenzeugen dieser brutalen Entführung spricht.“
„Wenn die Beamten der Verteidigung bedürfen, Mr. O'Brien, dann wird das Gericht sie verteidigen. Ich glaube aber, daß Sie im Augenblick mehr darauf bedacht sein sollten, Ihre eigenen Handlungen zu verteidigen.“
„Euer Ehren, ich bestehe darauf, daß ich nur so handelte, wie ich es für meine Pflicht hielt“, sagte O'Brien. „Diese Fuzzys sind ein Beweisstück erster Ordnung für den Prozeß Volk gegen Kellogg, da die Anklage gegen den Beklagten nur durch eine Demonstration ihrer Intelligenz aufrechterhalten werden kann.“
„Warum haben Sie sie dann auf so verbrecherische Weise in Gefahr gebracht?“ fragte Brannhard.
„Sie in Gefahr gebracht?“ O'Brien war sichtlich erschüttert. „Euer Ehren, ich habe nur dafür Sorge getragen, daß ihre Sicherheit und ihr Erscheinen vor Gericht gewährleistet sind.“
„Und dazu haben Sie sie von dem einzigen Mann auf diesem Planeten weggenommen, der weiß, wie man für sie sorgt und sie liebt wie ein anderer seine eigenen Kinder. Ich befehle Ihnen hiermit, diese Fuzzys unverzüglich beizubringen und sie wieder in den Gewahrsam von Mr. Holloway zu übergeben.“
„Nun, natürlich, Euer Ehren.“ O'Brien war sichtlich unruhig geworden, und sein Gesicht hatte jetzt einen grauen Farbton angenommen. „Es wird eine Stunde dauern, sie hierherbringen zu lassen.“
„Sie meinen, sie befinden sich nicht in diesem Gebäude?“ fragte Pendarvis.
„O nein, Euer Ehren. Hier bestünde ja keine Möglichkeit. Ich habe sie ins Wissenschaftscenter bringen lassen -“
„Was?“
Jack hatte sich geschworen, den Mund überhaupt nicht aufzumachen und Gus reden zu lassen. Aber dieser Ausruf drängte gleichsam aus ihm heraus. Aber niemand bemerkte ihn, denn Gus Brannhard und Richter Pendarvis hatten ebenso wie er reagiert. Jetzt beugte Pendarvis sich vor und sagte mit gefährlich sanft klingender Stimme:
„Mr. O'Brien, sprechen Sie vielleicht von dem Gebäude der Abteilung für wissenschaftliche Studien und Forschungen der Zarathustragesellschaft?“
„Ja, allerdings. Sie haben Einrichtungen, um alle möglichen Arten lebender Tiere zu beherbergen, und sie sind für alle wissenschaftlichen Arbeiten…“
„Sie glauben also“, sagte Pendarvis immer noch bemerkenswert ruhig, wenn ihn das auch offenbar einige Mühe kostete, „daß Beweismaterial der Anklage in einem Mordprozeß logischerweise in den Gewahrsam des Beklagten gegeben wird? Mr. O'Brien, ich muß sagen, daß ich Ihre Phantasie bewundere!“
„Die Zarathustragesellschaft steht nicht unter Anklage“, argumentierte O'Brien mürrisch.
„Nein, genau genommen nicht“, pflichtete Brannhard ihm bei. „Aber ist der Leiter der wissenschaftlichen Abteilung der Zarathustragesellschaft nicht ein gewisser Leonard Kellogg?“
„Dr. Kellogg ist seines Amtes bis zum Abschluß dieses Prozesses enthoben. Die Abteilung wird jetzt von Dr. Ernst Mallin geleitet.“
„Und der ist Kronzeuge der Verteidigung; ich sehe keinen praktischen Unterschied.“
„Nun, Mr. Emmert hat gesagt, es wäre nichts dagegen einzuwenden“, murmelte O'Brien.
„Jack, hast du das gehört?“ fragte Brannhard. „Merk' es dir gut. Vielleicht mußt du vor Gericht einmal bestätigen, daß du das gehört hast.“ Er wandte sich dem Oberrichter zu. „Ewer Ehren, darf ich vorschlagen, daß die Herbeischaffung dieser Fuzzys Marshal Fane übertragen wird. Ferner möchte ich vorschlagen, daß Mr. O'Brien der Zugang zu jeglicher Kommunikationsmöglichkeit verwehrt wird, bis die Fuzzys wieder aufgefunden sind.“