Er nickte. Er sah noch ihre Handbewegung, dann verschwand ihr Gesicht in einem wirren Muster von Farben; als der Bildschirm sich wieder klärte, blickte ihm an ihrer Stelle der Leiter der Abteilung „Wissenschaftliche Studien und Forschung“ entgegen. Kellogg hob kaum merklich die Augen, um auf dem kleinen Monitorschirm über seinem eigenen Gerät zu prüfen, ob sein warmes und einnehmendes Lächeln auch richtig „saß“ und sagte dann:
„Hallo, Leonard. Alles in Ordnung?“
„Tag, Victor.“ Er sprach den Vornamen mit genau der richtigen Portion Ehrfurcht aus — ein wichtiger Mann zu einem noch wichtigeren.
„Hat Nick Emmert heute schon mit Ihnen über das Big Blackwater-Projekt gesprochen?“
Nick war Generalresident der Föderation; praktisch betrachtet war er auf Zarathustra die terranische Föderationsregierung. Nebenbei war er auch noch Großaktionär der Zarathustragesellschaft.
„Nein, will er das?“
„Nun, das weiß ich nicht, Victor. Ich habe gerade mit ihm gesprochen. Er sagt, es hätte Gerede gegeben wegen der Regenfälle im Piedmont, auf dem Beta-Kontinent. Er machte sich Sorgen darüber. Die Regenfälle sind seit letztem Jahr um zehn Prozent zurückgegangen, und gegenüber dem vorletzten Jahr sind es sogar fünfzehn. Jetzt hat er Angst, daß die ganze Geschichte auf Terra irgendeinem Bürohengst in die falsche Kehle kommt und man uns vorwirft, wir hätten das ökonomische Gleichgewicht gestört und dadurch die Trockenheit verursacht.“
„Woher hat Emmert denn diesen Unsinn?“ wollte Grego wissen. „Von Ihren Leuten?“
„Nein, absolut nicht, Victor. Dieser Rainsford hat alles aufgebracht.“
„Rainsford?“
„Dr. Bennett Rainsford, der Naturforscher vom Institut für Xeno-Wissenschaften. Ich habe diesen Burschen noch nie über den Weg getraut. Sie stecken immer ihre Nase in Dinge, die sie nichts angehen und schreiben dann blöde Berichte an die Kolonialbehörden. Nick Emmert glaubt, daß Rainsford ein Geheimagent der Föderation sei.“
Darüber mußte Grego lachen. Natürlich gab es Geheimagenten auf Zarathustra. Hunderte sogar. Die Gesellschaft hatte Leute hier, die ihn bespitzelten; das wußte er, und damit fand er sich ab. Auch die großen Aktionäre wie Interstellar Explorations, das Bankenkartell und die Terra-Baldur-Marduk Spacelines hatten ihre Spitzel. Nick Emmert hatte genauso seinen Spionagering, und dann gab es noch die Leute, die die Terra-Föderation auf ihn und Emmert angesetzt hatte. Aber bei der Big Blackwater-Geschichte an Spitzel zu denken, war wirklich lächerlich. Nick Emmert hatte zuviel Dreck am Stecken, und in solchen Dingen kam eben sein schlechtes Gewissen zum Vorschein.
„Und wenn er schon einer ist, Leonard, was könnte er denn über uns melden? Wir haben eine ausgezeichnete juristische Abteilung, die dafür sorgt, daß wir unsere Satzungen nicht übertreten. Zarathustra ist ein unbewohnter Planet der Klasse III; er gehört mit Haut und Haaren der Gesellschaft. Wir können tun, was uns paßt, solange wir nicht das Kolonialgesetz oder die Verfassung der Föderation verletzen, und solange wir das nicht tun, braucht Nick Emmert sich keine grauen Haare wachsen zu lassen.“
Kelloggs Gesicht hatte sich aufgehellt, und nach ein paar nichtssagenden Phrasen verabschiedete sich der Mann. Victor schaltete den Bildsprecher ab, lehnte sich in seinen Sessel zurück und fing zu lachen an. Im nächsten Augenblick summte der Bildschirm erneut. Als er einschaltete, meldete seine Sekretärin:
„Mr. Henry Stenson möchte Sie sprechen, Mr. Grego.“
„Nur her damit.“ Beinahe hätte er noch hinzugefügt: „Endlich ein Mann mit Verstand.“ Aber er ließ es bleiben.
Das Gesicht, das auf seinem Bildschirm auftauchte, war faltig und schmal; der Mann hatte zusammengepreßte, schmale Lippen und eine Unzahl winziger Fältchen um die Augen.
„So, Mr. Stenson. Nett, daß Sie anrufen. Wie geht's denn immer?“
„Sehr gut, vielen Dank. Und Ihnen?“ Als Grego höflich gemurmelt hatte, daß er sich ausgezeichneter Gesundheit erfreue, fuhr der Anrufer fort: „Was macht der Globus? Läuft er immer noch synchron?“
Victor sah auf sein wertvollstes Stück, den großen Globus von Zarathustra, den Henry Stenson für ihn gebaut hatte und der sich frei schwebend in seinem eigenen Kontragravfeld sechs Fuß über dem Boden drehte. Ein orangerotes Licht deutete die KO-Sonne an und die beiden Satelliten, die langsam um den Planeten kreisten.
„Der Globus selbst stimmt auf die Sekunde, und Darius auch. Xerxes geht ein paar Sekunden vor.“
Stenson verabschiedete sich. Grego blickte stolz auf seinen Globus. Der Alphakontinent war langsam nach rechts gewandert, und der kleine Flecken, der Mallorys Port darstellte, glitzerte in dem orangeroten Licht der Sonne. Darius, der innere Mond, wo die Terra-Baldur-Marduk Spacelines ihren Raumhafen unterhielten, stand beinahe direkt darüber, und der äußere Mond, Xerxes, tauchte hinter dem Horizont auf. Xerxes war das einzige an Zarathustra, was nicht der Gesellschaft gehörte. Die Terraföderation hatte den Mond als Marinestützpunkt ausgebaut. Das war der einzige Hinweis darauf, daß es noch etwas Größeres und Mächtigeres als die Gesellschaft gab.
2.
Jack Holloway landete seinen Manipulator vor der kleinen Ansammlung von Blockhäusern. Er kletterte heraus, schritt langsam auf das Wohngebäude zu, öffnete die Tür und griff nach dem Lichtschalter. Dann zögerte er und blickte zu Darius auf.
Der Mond war von einem großen Ring umgeben, und er erinnerte sich an die vielen Zirruswolken, die ihm am Nachmittag aufgefallen waren. Vielleicht würde es heute abend regnen. Ewig konnte dieses trockene Wetter ja nicht dauern. Er hatte in letzter Zeit den Manipulator im Freien stehen lassen. Heute würde er ihn in den Hangar stellen. Er öffnete die Tür des Fahrzeugschuppens, stieg wieder in die Maschine und steuerte sie hinein. Als er zu dem Wohnhaus zurückkam, sah er, daß er die Tür hatte offenstehen lassen.
„Idiot!“ schalt er sich. „Die ganze Stube könnte jetzt von Garnelen wimmeln.“
Er sah sich schnell in seinem Wohnraum um — unter den großen Schreibtisch, den Gewehrschrank, die Stühle, hinter den Bildschirm, hinter den Blechschrank mit der Mikrofilmbibliothek — aber nichts zu sehen. Er hängte seinen Hut auf, schnallte die Pistole ab, legte sie auf den Tisch und ging ins Bad, um sich die Hände zu waschen.
Als er das Licht einschaltete, machte etwas in der Duschkabine „quiiik!“
Er drehte sich schnell herum und sah, wie zwei große Augen ihn aus einem goldenen Flaumball anstarrten. Was auch immer es war, es hatte einen runden Kopf und große Ohren und ein entfernt menschenähnliches Gesicht mit einer kleinen Stupsnase. Es saß auf seinen Hinterbeinen und war in dieser Stellung etwa einen Fuß hoch.
Es besaß zwei winzige Hände mit abstehenden Daumen. Er kauerte sich nieder, um besser sehen zu können.
„He, du da, Kleiner“, begrüßte er es. „Ich hab' noch nie so etwas wie dich gesehen. Was bist du denn überhaupt?“
Das kleine Wesen sah ihn ernsthaft an und sagte mit etwas ängstlicher Stimme: „Quäk.“
„Aber freilich; du siehst aus wie ein kleiner Flaumball. Ich werde dich Little Fuzzy nennen. Ja, Little Fuzzy, so heißt du jetzt.“
Er schob sich langsam näher, vorsichtig bemüht, das Tierchen nicht zu erschrecken und redete weiter auf es ein.
„Ich möchte wetten, daß du hereingeschlüpft bist, als ich die Tür offenließ. Nun, wenn ein Little Fuzzy eine offene Tür findet, dann darf er ja schließlich auch herein und sich umsehen.“
Er berührte das Tierchen vorsichtig. Es zog sich zurück, griff aber gleich danach mit den kleinen Händen nach seinem Hemdärmel. Er streichelte es und sagte ihm, es hätte den weichsten, seidigsten Pelz, den er je gesehen hätte. Dann nahm er es auf den Schoß. Es quiekte vor Vergnügen und legte ihm die Ärmchen um den Hals.