„Wo brennt's denn, Gerd?“
Gerd fluchte wieder. „Wie zum Teufel kann ich beweisen, daß Fuzzys allgemeine Schlüsse ziehen können?“ fragte er. „Und wie, daß sie abstrakte Ideen bilden? Ja, wie kann ich beweisen, daß sie überhaupt Ideen haben? Hölle und Teufel, wie kann ich denn beweisen, daß ich bewußt denke?“
„Arbeiten Sie immer noch an der Idee, die ich Ihnen vorgeschlagen habe?“ frage Brannhard.
„Ja. Sie war nicht schlecht, aber…“
„Nehmen wir uns doch einmal bestimmte Beobachtungen vor, die wir an den Fuzzys gemacht haben und versuchen, sie als Beweis für ihre Intelligenz vorzubringen“, schlug Brannhard vor. „Dieses Begräbnis zum Beispiel.“
„Trotzdem werden sie darauf bestehen, daß wir ihre Intelligenz auch theoretisch beweisen und definieren.“
Der Bildsprecher summte. Baby Fuzzy blickte gleichgültig auf und wandte sich dann wieder dem Knoten zu, den er soeben fabriziert hatte. Jack stemmte sich aus seinem Stuhl in die Höhe und schaltete das Gerät ein. Es war Max Fane. Zum erstenmal, seit Jack ihn kannte, war der Marshal erregt.
„Jack, haben Sie die letzten Nachrichten gehört?“
„Nein. Ist etwas passiert?“
„Das kann man wohl sagen! Die ganze Stadt wimmelt von Cops, die Fuzzys jagen; sie haben Anweisung, auf sie zu schießen. Nick Emmert hat gerade über das Fernsehen gesprochen und eine Belohnung von fünftausend Sol pro Stück angeboten — tot oder lebendig.“
Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie begriffen. Gus und Gerd waren aufgesprungen und drängten sich jetzt hinter Jack an den Bildschirm.
„Die haben da so einen Landstreicher aus dem Lager von der Eastside gefunden, der behauptet, die Fuzzys hätten seine zehnjährige Tochter verletzt“, sagte Fane. „Die beiden sind jetzt im Polizeipräsidium und haben ihre Geschichte den Reportern von der Zarathustra News und von der Darius Television erzählt. Natürlich sind beide von der Gesellschaft instruiert. Jetzt gehen sie aufs Ganze.“
„Hat man sie unter dem Detektor verhört?“ wollte Brannhard wissen.
„Nein, und die Stadtpolizisten lassen auch keinen an sie heran. Das Mädchen sagt, sie hätte im Freien gespielt, und die Fuzzys wären auf sie losgegangen und hätten mit Stöcken auf sie eingeschlagen. Ihre Verletzungen sind genau beschrieben — mehrfache Blutergüsse, Bruch des Handgelenks und Schock.“
„Das glaube ich nicht! Die würden nie ein Kind angreifen.“
„Ich möchte mit diesem Mädchen und ihrem Vater sprechen“, sagte Brannhard. „Und ich werde verlangen, daß sie ihre Aussage unter dem Lügendetektor machen. Das Ganze ist ein aufgelegter Schwindel, Max! Da gehe ich jede Wette ein! Und genau im richtigen Zeitpunkt — eine Woche vor der Verhandlung.“
Vielleicht hatten die Fuzzys mit dem Kind spielen wollen, und es hatte Angst bekommen und einen von ihnen verletzt. Ein zehnjähriges Kind wirkte auf einen Fuzzy gefährlich groß, und wenn sie sich bedroht fühlten, waren sie zweifellos imstande, sich zu wehren. Aber sie lebten noch und befanden sich in der Stadt. Das war eines. Aber dafür befanden sie sich auch in größerer Gefahr als je zuvor; das war das andere. Fane fragte Brannhard, wie schnell er fertig sein könnte.
„Fünf Minuten? Gut, ich komm' vorbei und hol' Sie ab“, sagte er. „Bis dann.“
Das Kind, Lolita Lurkin, hatte gegen einundzwanzig Uhr vor ihrem Haus gespielt, als plötzlich sechs Fuzzys, alle mit Keulen bewaffnet, angeblich auf sie eingedrungen waren. Sie hatten sie, ohne daß sie den geringsten Anlaß dafür gegeben hatte, angegriffen und geschlagen. Ihre Schreie hatten ihren Vater herbeigerufen, der die Fuzzys vertrieben hatte. Die Polizei hatte dann das Mädchen und ihren Vater, Oscar Lurkin, ins Präsidium gebracht, wo sie ihre Aussage gemacht hatten. Stadtpolizei, Gesellschaftspolizei und Konstabler kämmten jetzt die östliche Stadthälfte ab; Generalresident Emmert hatte sofort eine Belohnung von fünftausend Sol angeboten…
„Das Kind lügt. Man brauchte sie nur unter einen Lügendetektor zu stecken, dann wäre das sofort klar“, sagte Brannhard.
„Emmert oder Grego oder beide zusammen haben diese Leute bestochen, um diesen Schwindel zu verbreiten.“
„Oh, davon bin ich überzeugt“, nickte Gerd. „Ich kenne das Viertel — eine Slumgegend.“
„Für hundert Sol tun die Leute hier alles — besonders, wenn die Cops mitmachen.“
Er schaltete das TV-Gerät auf Interworld News, deren Reporter die Fuzzyjagd von einem Luftwagen aus beobachteten. Die Interworld News waren ganz auf seiten der Fuzzys; der Kommentator berichtete in äußerst sarkastischem Ton. Mitten in eine Aufnahme von bewaffneten Jägern blendete jemand im Studio ein Bild der Fuzzys ein, das im Camp aufgenommen war. Die kleinen pelzbedeckten Wesen warteten gerade auf das Frühstück und blickten mit kläglicher Miene in die Kamera.
„Das“, sagte eine Stimme, „sind die schrecklichen Ungeheuer, vor denen uns all diese tapferen Männer beschützen wollen.“
Jetzt summte der Bildsprecher. Gerd schaltete ein.
„Ich habe gerade mit Richter Pendarvis gesprochen“, berichtete Gus Brannhard. „Er erläßt eine einstweilige Verfügung, wonach es Emmert verboten wird, Belohnungen auszuzahlen, außer für Fuzzys, die unverletzt Marshal Fane übergeben werden. Gleichzeitig gibt er eine öffentliche Warnung heraus, daß ein jeder, der Fuzzys tötet, mit einer Mordanklage zu rechnen hat, solange ihr Status noch nicht geklärt ist.“
„Das ist großartig, Gus! Haben Sie das Mädchen oder ihren Vater schon gesehen?“
Brannhard schnitt eine Grimasse. „Das Mädchen ist in einem Krankenhaus der Gesellschaft in einem Einzelzimmer. Die Ärzte lassen niemand zu ihr vor. Ich nehme an, daß Emmert ihren Vater in der Residenz versteckt hält. Und ich hab' auch die zwei Polizisten nicht gefunden, die sie ins Präsidium gebracht haben, und auch den Sergeanten nicht, der die Anzeige entgegennahm. Alle verschwunden. Max hat ein paar Leute zur Eastside geschickt, um herauszubekommen, wer überhaupt die Polizei verständigt hat. Vielleicht kommen wir auf die Weise weiter.“
Die Anweisung des Oberrichters wurde wenige Minuten später gesendet; ein paar Minuten darauf brach die ganze Treibjagd zusammen. Die Beamten der Stadtpolizei sowie die der Gesellschaft gaben sofort auf.
Eine Anzahl Zivilisten, die sich der Hoffnung hingaben, einen lebenden Fuzzy einzufangen und dafür fünftausend Sol zu kassieren, blieben noch zwanzig Minuten. Dann wurde die Belohnung widerrufen, und die Treibjagd war zu Ende.
Kurz darauf kam Gus Brannhard herein und ließ sich in einen Sessel sinken. Er füllte ein Wasserglas mit Whisky und leerte es mit einem Zug zur Hälfte und zog dann seine schweren Stiefel aus.
Er griff nach der Zigarre, die er beiseite gelegt hatte, als Fanes Anruf gekommen war.
„Wir haben die Frau gefunden, die die Polizei gerufen hat. Die Nachbarin; sie sagt, sie hätte Lurkin betrunken heimkommen sehen. Kurz darauf hörte sie das Mädchen schreien. Sie sagt, er schlägt sie jedesmal, wenn er betrunken ist — und das ist etwa fünfmal die Woche. Etwas, das auch nur entfernt einem Fuzzy gleicht, hat sie den ganzen Tag nicht gesehen.“