Daran hatte der Marshal auch gedacht. Er sagte das auch Ferguson, worauf dieser nickte. Dann zögerte er einen Augenblick und meinte dann:
„Max, was halten Sie von der Lage hier in Mallorys Port? Mir gefällt sie gar nicht.“
„Was meinen Sie?“
„Es sind so viele Fremde in der Stadt“, sagte Jan Ferguson. „Und alles Fremde von einer bestimmten Sorte — stämmige junge Männer, die in kleinen Gruppen herumlaufen. Mir fällt das seit vorgestern auf, und jedesmal, wenn ich mich umsehe, sind es mehr.“
„Nun, Jan, das hier ist ein junger Planet, und ich verstehe durchaus, daß die jungen Leute sich die Verhandlung ansehen wollen…“
Aber das glaubte er selbst nicht. Er wollte nur, daß Jan Ferguson nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg hielt, sondern herausrückte. Ferguson schüttelte den Kopf.
„Nein, Max, die sind nicht von dem Schlag. Das wissen wir beide; erinnern Sie sich, wie es war, als die Verhandlung gegen die Gawn-Brüder war? Kein Radau in den Bars, kein Krakeelen — nein, die Leute gehen einfach spazieren und verhalten sich ruhig, als erwarten sie von jemand ein Stichwort.“
„Eine Infiltration.“ Verdammt, jetzt hatte er es selbst doch als erster gesagt! „Victor Grego fängt an, sich Gedanken zu machen.“
„Ich weiß, Max. Und Victor Grego ist wie ein Veldtierbulle — er ist nicht gefährlich, solange er nicht Angst hat, aber dann muß man auf ihn aufpassen. Und gegen diese Bande, die sich hier breitmacht, haben die Leute, die Sie und ich aufbringen können, ebensowenig eine Chance wie ein Schneeball in der Sonne.“
„Sie wollen doch nicht etwa den Panikknopf drücken?“
Der Konstablerkommandeur runzelte die Stirn.
„Ich möchte nicht. Man würde es auf der Erde höchst unangenehm vermerken, wenn ich das ohne Not täte. Aber noch übler würde man es mir ankreiden, wenn es notwendig sein sollte, und ich tue es nicht. Ich will mich zuerst noch einmal umsehen.“
14.
Frederic und Claudette Pendarvis gingen gemeinsam durch den Dachgarten zur Landeplattform und dann schnitt Claudette wie jedesmal eine Blume ab und steckte sie ihm ans Revers.
„Werden die Fuzzys vor Gericht sein?“ fragte sie.
„Oh, das werden sie wohl müssen. Ich weiß nicht, wie es heute morgen sein wird; heute sind hauptsächlich Formalitäten.“ Er schnitt eine Grimasse, die halb ein Lächeln und halb ein Stirnrunzeln war. „Ich weiß noch nicht, ob ich sie als Zeugen oder als Beweisstücke betrachten soll, und ich hoffe nicht, daß man mich zwingt, darüber eine Entscheidung zu treffen — wenigstens nicht gleich am Anfang, denn wie ich es auch anstelle, entweder Coombes oder Brannhard werden bestimmt ein Haar daran finden.“
„Ich möchte sie sehen. Ich habe sie am Bildschirm gesehen, aber ich möchte sie wirklich sehen.“
„Du bist schon lange nicht mehr bei einer Verhandlung von mir gewesen, Claudette. Wenn es sich herausstellt, daß sie heute vor Gericht gebracht werden, rufe ich dich an. Ich werde sogar meine Stellung soweit mißbrauchen, daß ich arrangiere, daß du sie außerhalb des Gerichts sehen kannst. Möchtest du das gerne?“
„Ja, mit dem größten Vergnügen.“ Claudette hatte an solchen Dingen ungeheuren Spaß. Sie küßte ihn zum Abschied, und er ging zu seinem Luftwagen, und der Fahrer hielt ihm die Tür auf. In tausend Fuß Höhe sah er sich um; sie stand immer noch auf dem Dachgarten und winkte ihm nach.
Er würde sich erkundigen müssen, ob sie gefahrlos kommen konnte. Max Fane hatte Angst vor Unruhen, und Jan Ferguson teilte diese Meinung, und dabei waren beides Männer, die man nicht gerade ängstlich nennen konnte. Als der Wagen sich auf das Gerichtsgebäude hinabsenkte, sah er, daß Posten auf dem Dach standen, und sie trugen nicht nur Pistolen — er sah Gewehrläufe und Stahlhelme in der Sonne blinken. Dann, als der Wagen zum Stehen kam, sah er, daß ihre Uniformen von hellerem Blau als die der Konstabler waren. Schaftstiefel und rotgestreifte Hosen — das waren Soldaten von der Raummarine in Paradeuniform. Jan Ferguson hatte also wirklich das Signal gegeben. Er überlegte, daß Claudette hier vielleicht in größerer Sicherheit war als zu Hause.
Ein Sergeant und zwei Männer kamen auf ihn zu, als er aus dem Wagen stieg. Der Sergeant tippte an seinen Helm. Das war die schneidigste Art von Gruß, zu der er sich für einen Zivilisten herabließ.
„Richter Pendarvis? Guten Morgen, Sir.“
„Guten Morgen, Sergeant. Warum wird das Gerichtsgebäude von Marinesoldaten bewacht?“
„Befehl von Kommodore Napier. Sie werden feststellen, daß Marshal Fanes Leute unter Deck das Kommando haben, aber Captain Cassagra vom Marinekorps und Captain Greibenfeld von der Navy erwarten Sie in Ihrem Büro.“
Als er auf den Lift zuging, kam gerade ein großer Wagen der Zarathustragesellschaft herein. Der Sergeant drehte sich schnell herum, winkte zwei seiner Leute zu sich und eilte zu dem Wagen. Pendarvis überlegte, was wohl Leslie Coombes von diesen Marinesoldaten halten würde.
Die beiden Offiziere in seinem Büro waren beide bewaffnet. Desgleichen Marshal Fane, der ihn ebenfalls erwartete. Sie standen alle drei auf, um ihn zu begrüßen und setzten sich, als er seinen Schreibtisch erreicht hatte. Er stellte die gleiche Frage, die er auf dem Dach dem Sergeanten gestellt hatte.
„Nun, Colonel Ferguson hat gestern abend Kommodore Napier angerufen und um bewaffneten Beistand gebeten, Euer Ehren“, sagte der Offizier in der schwarzen Uniform der Raumnavy. „Er äußerte den Verdacht, daß die Stadt infiltriert worden sei. Dieser Verdacht war völlig richtig, Euer Ehren; seit vergangenem Mittwoch hat Captain Cassagra auf Anweisung Kommodore Napiers hier ein Landekommando durchgeführt und damit die Vorbereitung für die Übernahme der Residenz getroffen. Dieses Unternehmen ist jetzt abgeschlossen; Kommodore Napier ist dort, und Generalresident Emmert und Generalstaatsanwalt O'Brien sind wegen verschiedener Fälle von Korruption und Amtsmißbrauch verhaftet worden, aber damit werden Euer Ehren sich nicht zu befassen haben. Man wird die beiden Männer für ihren Prozeß nach Terra schicken.“
„Dann hat Kommodore Napier die Zivilregierung übernommen?“
„Nun, sagen wir, er hat die Kontrolle darüber vorbehaltlich des Ausgangs dieser Verhandlung übernommen. Wir möchten wissen, ob die augenblickliche Verwaltung legal ist oder nicht.“
„Dann werden Sie sich in die Verhandlung selbst nicht einschalten?“
„Das kommt darauf an, Euer Ehren. Wir werden jedenfalls daran teilnehmen.“ Er sah auf seine Uhr. „Sie eröffnen die Verhandlung ja erst in einer Stunde? Dann habe ich vielleicht noch Zeit zu erklären…“
Bis zur Gerichtseröffnung war noch eine halbe Stunde, aber die Zuschauerbänke waren bereits voll und ebenso der Balkon. Auf den Geschworenenbänken hatte eine Anzahl Offiziere in schwarzen und blauen Uniformen Platz genommen. Da dies kein Geschworenengericht war, hatten sie die Bänke offensichtlich mit Beschlag belegt. Die Pressebänke waren überfüllt.
Baby blickte interessiert auf den großen Bildschirm hinter dem Richterstuhl. Von hier aus erfolgte die Übertragung der Gerichtsszene an das Publikum, gleichzeitig zeigte der Bildschirm aber auch wie ein Spiegel den Zuschauern die gleiche Szene. Es dauerte nicht lange, bis Baby sich darauf erkannt hatte, worauf er erregt mit den Armen zu fuchteln begann. In diesem Augenblick traten Leslie Coombes, gefolgt von Ernst Mallin und einer Anzahl seiner Assistenten, Ruth Ortheris, Juan Jimenez — und Leonard Kellogg ein. Das letztemal, als Jack Kellogg gesehen hatte, war das auf George Lunts Polizeistation gewesen. Damals hatte der Mann eine dicke Bandage um den Kopf und ein paar ausgeborgter Mokassins an den Füßen getragen, weil seine eigenen Schuhe, mit dem Blut von Goldlöckchen verschmiert, als Beweisstück beschlagnahmt worden waren.