Das Luftboot war zuerst ein kaum sichtbarer Fleck am Himmel, aber jetzt wurde es immer größer und landete schließlich auf der Lichtung. Als der Kontragravgenerator abgeschaltet war, gingen sie über das Gras darauf zu, und die Fuzzys sprangen von der Bank und rannten hinter ihnen drein.
Die drei Besucher kletterten aus ihrem Fahrzeug. Ruth Ortheris trug lange Hosen und einen Pullover, aber die Hosen waren in knöchelhohe Stiefel gestopft. Gerd van Riebeek trug robuste Stiefel, einen alten, verwaschenen Khakianzug und eine respekteinflößend aussehende Waffe, die zeigte, daß er sehr wohl wußte, was er hier in Piedmont zu erwarten hatte. Juan Jimenez trug den gleichen Sportanzug, den er gestern am Bildschirm angehabt hatte. Alle drei hatten fotografische Geräte bei sich. Sie schüttelten reihum die Hand, und dann begannen die Fuzzys herumzutoben, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Schließlich bewegte sich die ganze Versammlung — Fuzzys und Menschen zu dem Tisch unter den Bäumen hinüber.
Ruth Ortheris setzte sich mit Mama und Baby ins Gras; Baby interessierte sich sofort für ein silbernes Amulett, das sie an einer Kette um den Hals trug. Dann versuchte der Kleine, sich auf ihren Kopf zu setzen. Dagegen protestierte Ruth aber entschieden.
Juan Jimenez hockte neben Mike und Mitzi und untersuchte die beiden abwechselnd, wobei er immer wieder meist in lateinischer Sprache in das Mikrophon eines kleinen Bandgerätes sprach, das ihm auf der Brust hing. Gerd van Riebeek hatte auf einem Faltstuhl Platz genommen und beschäftigte sich mit Little Fuzzy, der ihm auf dem Schoß saß.
„Wissen Sie, das ist irgendwie erstaunlich“, sagte er. „Nicht nur, daß man nach fünfundzwanzig Jahren so etwas wie das hier findet, sondern daß man etwas so Einzigartiges findet. Sehen Sie doch, er hat nicht die geringsten Rudimente eines Schwanzes, und es gibt auf dem ganzen Planeten keine schwanzlosen Tiere. Ja, noch vielmehr — auf dem ganzen Planeten gibt es kein Säugetier, das auch nur im geringsten mit ihm verwandt wäre. Nehmen Sie doch unsere Rasse — wir gehören zu einer ziemlich großen Familie, etwa fünfzig Gattungen von Primaten. Aber dieser kleine Bursche hat überhaupt keine Verwandten.“
„Quiek?“
„Und dabei ist ihm das völlig egal, nicht wahr?“ Van Riebeek strich Little Fuzzy über den Flaum.
Während des Essens sprachen sie nur über Fuzzys. Die Objekte ihrer Unterhaltung knabberten an Leckerbissen, die man ihnen gab und unterhielten sich quiekend. Gerd van Riebeek gab der Vermutung Ausdruck, daß sie sich über die eigentümlichen Gewohnheiten der menschenartigen Wesen unterhielten. Juan Jimenez sah ihn etwas überrascht an, als fragte er sich, wie ernst Riebeek diese Bemerkung gemeint hatte.
„Wissen Sie, was mich in dem Bandbericht am meisten beeindruckte, war der Zwischenfall mit dem Scheusal“, sagte Ruth Ortheris. „Jedes Tier, das sich in die Gesellschaft von Menschen begibt, wird versuchen, seine Aufmerksamkeit zu erregen, wenn irgend etwas nicht stimmt, aber ich habe noch nie von einem gehört, nicht einmal einem freyanischen Kholph oder einem terranischen Schimpansen, der das mit Hilfe von Pantomimen tut. Little Fuzzy aber hat tatsächlich Symbole benutzt, indem er die hervorstechenden Merkmale eines Scheusals abstrahierte.“
„Sie meinen, diese Geste mit dem steifen Arm und das Bellen hätten ein Gewehr darstellen sollen?“ fragte Gerd van Riebeek. „Er hat sie schon vorher schießen sehen, nicht?“
„Ich glaube nicht, daß es etwas anderes hätte sein sollen. Er wollte mir sagen: 'Großes häßliches Scheusal draußen. Schieß es wie die Harpyie.' Und wenn er nicht an mir vorbeigerannt wäre und es mir gezeigt hätte, hätte mich das Scheusal umgebracht.“
„Sie sehen also, Ernst, das ist das Problem.“
Leonard Kellogg wartete. Ernst Mallin saß bewegungslos, die Ellbogen auf den Tisch und das Kinn in die Hände gestützt da.
„Ich müßte sie natürlich selbst sehen, ehe ich mir eine Meinung bilden kann. Haben Sie dieses Band von Holloway da?“
Als Kellogg nickte, fuhr Mallin fort: „Hat einer von ihnen ausdrücklich behauptet, es handele sich um vernunftbegabte Wesen?“
Kellogg gab die gleiche Antwort, die er Victor Grego gegeben hatte und fügte hinzu:
„Der Bericht besteht beinahe ausschließlich aus Holloways unbestätigten Behauptungen über Dinge, von denen er angibt, der alleinige Augenzeuge gewesen zu sein.“
„Ah.“ Mallin gestattete sich ein schwaches Lächeln. „Und er ist kein qualifizierter Beobachter. Was das betrifft, ist das auch Rainsford nicht, ganz gleich, welche Position er auch als Xenowissenschaftler einnehmen mag, ist er in der Psychowissenschaft doch ein völliger Laie. Er hat einfach die Behauptungen dieses anderen Mannes unkritisch übernommen. Und was die Beobachtungen betrifft, die er behauptet, selbst gemacht zu haben — woher wissen wir denn, daß darin nicht eine Menge falscher Eindrücke enthalten ist?“
„Woher wissen wir denn, daß er keinen bewußten Betrug verübt?“
„Aber Leonard, das ist doch eine sehr ernste Anschuldigung.“
„Mag sein, aber es ist jedenfalls unsere Pflicht, diese Geschichte zu verhindern, ehe sich daraus ein wissenschaftlicher Skandal größten Ausmaßes entwickelt.“
„Zuerst müssen wir dieses Band überprüfen, damit wir wissen, mit welchen Fakten wir zu tun haben. Dann müssen wir diese Tiere gründlich und unvoreingenommen überprüfen und Rainsford und seinem Komplizen zeigen, daß man der wissenschaftlichen Welt nicht ungestraft solche lächerlichen Behauptungen auftischen darf. Wenn wir sie nicht im guten überzeugen können, bleibt uns kein anderer Ausweg, als das in aller Öffentlichkeit zu tun.“
„Ich habe das Band schon gehört, aber wir können es ja noch einmal abspielen. Wir werden diese Tricks analysieren, die dieser Holloway den Tieren beigebracht hat und sehen, was sie beweisen.“
„Ja, natürlich, das müssen wir sofort tun“, erklärte Mallin. „Dann müssen wir überlegen, was für einen Bericht wir herausgeben und was für Beweismaterial wir zu seiner Unterstützung benötigen.“
Nach dem Abendessen durften die Fuzzys auf dem Rasen herumtollen, aber als dann die Dämmerung herankroch, gingen sie alle ins Haus, und ein jeder bekam eines der neuen Spielzeuge aus Mallorys Port — eine große Schachtel mit vielfarbigen Bällen und kurze Stäbe aus durchsichtigem Kunststoff. Sie wußten nicht, daß es sich um einen Molekülmodellbaukasten handelte, stellten aber bald fest, daß man die Stäbe in Löcher in den Bällen stecken konnte und daß man auf diese Weise dreidimensionale Gebilde bauen konnte.
Das machte viel mehr Spaß als die bunten Steine. Sie bauten zuerst ein paar kleinere Figuren, zerlegten sie dann aber wieder und begannen ein einzelnes großes „Bauprojekt“. Ein paarmal rissen sie es wieder ein und begannen von neuem, was gewöhnlich unter erheblichem Quieken und Gestikulieren vor sich ging.
„Sie haben eine künstlerische Ader“, meinte van Riebeek. „Ich habe schon eine Menge abstrakter Skulpturen gesehen, die nicht halb so gut waren wie das, was die hier bauen.“
„Und auch guten Ingenieurinstinkt“, meinte Jack. „Sie verstehen etwas von Gleichgewicht und vom Schwerpunkt. Sie stützen das Ganze gut ab und achten auch darauf, daß es nicht kopflastig wird.“
„Jack, ich habe über die Frage nachgedacht, die ich mir selbst stellen sollte“, sagte Jimenez. „Wissen Sie, ich kam nämlich voller Argwohn hierher. Nicht, daß ich an Ihrer Ehrlichkeit zweifelte; ich hatte nur gedacht, Sie sollten sich von dem Gefallen, den Sie offenbar an den Fuzzys haben, nicht dazu verleiten lassen, ihnen mehr Intelligenz zuzuschreiben, als sie wirklich besitzen. Jetzt dagegen glaube ich, daß Sie sie sogar unterschätzen. Abgesehen von tatsächlicher Vernunft habe ich noch nie etwas Ähnliches gesehen.“