»Und, Euer Ehren«, sprang Brannhard in die Bresche, »es kann doch nicht geleugnet werden, daß diesen Fuzzys massiv Unrecht geschehen ist! Stellen Sie sich vor — nein, stellen Sie sich unschuldige, hilflose Kinder vor, denn das sind diese Fuzzys. Glückliche, vertrauensselige Kinder, die bisher nur Zuneigung und Freundlichkeit gekannt haben. Und sie wurden brutal entführt, von rohen Händen in Säcke gestopft…«
»Euer Ehren!« O’Briens Gesicht war viel schwärzer angelaufen, als die heiße Sonne von Agni es gebrannt hatte. »Ich kann nicht ohne Protest zulassen, daß Gerichtsbeamte so charakterisiert werden!«
»Mr. O’Brien scheint zu vergessen, daß er hier zwei Augenzeugen der angesprochenen schrecklichen Vorgänge vor sich hat.«
»Wenn die Beamten Verteidigung brauchen, Mr. O’Brien, dann werden sie vor Gericht verteidigt«, sagte Pendarvis. »Ich glaube daher, daß Sie vorerst Ihre eigene Handlungsweise verteidigen sollten.«
»Euer Ehren, ich bestehe darauf, daß ich nur so handelte, wie ich es für meine Pflicht hielt«, sagte O’Brien. »Diese Fuzzys sind ein Beweisstück erster Ordnung für den Prozeß Volk gegen Kellogg, da die Anklage gegen den Beklagten nur durch eine Demonstration ihrer Vernunft aufrechterhalten werden kann.«
»Warum«, fragte Brannhard, »haben Sie sie dann auf so verbrecherische Weise in Gefahr gebracht?«
»Sie in Gefahr gebracht?« sagte O’Brien erschrocken. »Euer Ehren, ich habe nur so gehandelt, daß Ordnung und Sicherheit vor Gericht gewährleistet sind.«
»Und dazu haben Sie sie dem einzigen Menschen auf diesem Planeten weggenommen, der weiß, wie man für sie sorgen kann, der sie so liebt wie er seine eigenen Kinder lieben würde. Statt dessen wurden sie einer Behandlung unterzogen, die sehr gut tödlich für sie ausgehen könnte.«
Richter Pendarvis nickte. »Ich glaube, Sie haben den Fall nicht übertrieben dargestellt, Mr. Brannhard. Mr. O’Brien, ich muß Ihnen für Ihr Verhalten meine Mißbilligung aussprechen. Sie hatten keinerlei Recht, in diesem Fall, wo es um potentiell vernunftbegabte Wesen geht, so zu handeln. Ich ordne daher kraft meines Amtes an, daß Sie diese Fuzzys unverzüglich freilassen und in den Gewahrsam von Mr. Holloway zurückbringen.«
»Nun, natürlich, Euer Ehren.« O’Brien war sichtlich unruhig geworden. »Es wird etwa eine Stunde dauern, sie hierherbringen zu lassen.«
»Sie wollen damit sagen, daß sie sich nicht in diesem Gebäude befinden?« fragte Pendarvis.
»Oh nein, Euer Ehren. Hier bestünde dazu keine Möglichkeit. Ich habe sie ins Wissenschaftscenter bringen lassen…«
»Was?«
Jack hatte sich geschworen, seinen Mund überhaupt nicht aufzumachen und Gus das Reden zu überlassen. Aber dieser Aufschrei hatte sich gleichsam mit Gewalt Luft verschafft. Niemand schien es aber gehört zu haben, denn Gus Brannhard und Richter Pendarvis hatten ebenso wie er reagiert. Pendarvis beugte sich vor und sagte mit gefährlich sanft klingender Stimme:
»Sprechen Sie vielleicht von dem Gebäude der Abteilung für wissenschaftliche Studien und Forschung der Zarathustragesellschaft?«
»Ja, in der Tat; dort hat man Einrichtungen, um alle möglichen Arten lebender Tiere zu verwahren, und man kann jede wissenschaftliche Arbeit…«
Pendarvis fluchte unbeherrscht, hatte sich aber gleich wieder in der Gewalt, Brannhard schaute drein, als hätte seine eigene Brieftasche versucht, ihm die Kehle durchzubeißen.
»Sie glauben also«, sagte Pendarvis mit mühsam erzwungener Ruhe, »daß Beweismaterial der Anklage in einem Mordprozeß logischerweise in den Gewahrsam des Beklagten gegeben wird? Mr. O’Brien, Sie eröffnen da wirklich neue Möglichkeiten!«
»Die Zarathustragesellschaft steht nicht unter Anklage«, murrte O’Brien.
»Nein, nach den Akten nicht«, stimmte Brannhard zu. »Aber wird nicht die wissenschaftliche Abteilung der Zarathustragesellschaft von einem gewissen Leonhard Kellogg geleitet?«
»Dr. Kellogg ist seines Amtes bis zum Ende dieses Prozesses enthoben worden. Die Abteilung wird jetzt von Dr. Mallin geleitet.«
»Und der ist Kronzeuge der Verteidigung; ich sehe keinen praktischen Unterschied.«
»Nun, Mr. Emmert sagte, es wäre nichts dagegen einzuwenden«, murmelte O’Brien kleinlaut.
»Jack, hast du das gehört?« fragte Brannhard. »Merk dir das gut, denn vielleicht mußt du das vor Gericht einmal bestätigen, was du da gehört hast.« Er wandte sich an den Oberrichter. »Euer Ehren, darf ich vorschlagen, daß die Herbeischaffung dieser Fuzzys Marshal Fane übertragen wird. Ferner möchte ich vorschlagen, daß Mr. O’Brien der Zugang zu jeder Kommunikationsmöglichkeit versperrt wird, bis die Fuzzys wieder beigebracht worden sind.«
»Das scheint mir ein sehr vernünftiger Vorschlag zu sein, Mr. Brannhard. Ich werde Ihnen jetzt eine gerichtliche Anweisung geben, Ihnen die Fuzzys auszuhändigen und einen Durchsuchungsbefehl, um sicherzugehen. Und, denke ich, eine Vormundschaftsanweisung auf den Namen Holloway, der als Beschützer dieser potentiell vernunftbegabten Wesen bestimmt wird. Wie heißen Sie eigentlich? Oh, hier steht es ja auf der Quittung.« Er lächelte erfreut. »Sie sehen, Mr. O’Brien, wir ersparen Ihnen eine Menge Ärger.«
O’Brien besaß nicht genug Verstand, um sich einen Protest zu verkneifen. »Aber das hier sind doch nur der Beklagte und sein Anwalt in einem anderen Mordfall, in dem ich die Anklage vertrete.«
Pendarvis’ Lächeln gefror. »Mr. O’Brien, ich bezweifle, ob man Ihnen erlauben wird, hier noch gegen irgend jemand oder irgend etwas Anklage zu erheben, und ich enthebe Sie hiermit insbesondere jeglicher Tätigkeit in den Fällen Kellogg oder Holloway. Sollten Sie auch dagegen protestieren, erlasse ich einen Haftbefehl wegen gesetzwidriger Handlungen im Amt.«
10.
Kolonial-Marshal Max Fane war genauso schwer wie Gus Brannhard, aber erheblich kleiner. Zwischen die beiden auf dem Rücksitz des Wagens des Marshals eingeklemmt, betrachtete Jack Holloway die Rücken der beiden uniformierten Beamten auf dem Vordersitz, während sich in seinem Innern Zufriedenheit und freudige Erwartung ausbreiteten. Gleich würde er seine Fuzzys zurückbekommen. Little Fuzzy und Ko-Ko, Mike und Mama Fuzzy, Mitzi und Cinderella; immer wieder sagte er sich diese Namen in Gedanken auf und stellte sich vor, wie sie sich um ihn drängten und glücklich waren, wieder bei Pappi Jack sein zu dürfen.
Der Gleiter senkte sich auf die Landeplattform des Wissenschaftszentrums der Gesellschaft, und im gleichen Augenblick kam ein Polizist der Gesellschaft herübergelaufen. Gus öffnete die Tür, und Jack kletterte nach ihm hinaus.
»He, hier können Sie nicht landen!« schrie der Beamte. »Das ist hier nur für die Direktoren der Gesellschaft!«
Max Fane stieg hinter ihnen aus dem Gleiter, die beiden Beamten kletterten vom Vordersitz aus heraus.
»Was Sie nicht sagen«, meinte Fane. »Mit einem Gerichtsbeschluß lande ich überall. Nehmt ihn gleich mit, Leute, damit er nicht irgendwo über ein Visifon stolpert.«
Der Mann wollte protestieren, ließ sich dann aber widerstandslos mitnehmen. Vielleicht wurde ihm langsam klar, daß die Gerichte der Föderation doch etwas mächtiger als die Gesellschaft waren. Vielleicht glaubte er aber auch, daß eine Revolution ausgebrochen sei.
Leonhard Kelloggs — im Augenblick Ernst Mallins — Büro befand sich im ersten Stock des Penthouses, von der Landeplattform nach unten gezählt. Als sie den Fahrstuhl verließen, wimmelte es in der Halle von Leuten, die aufgeregt in Gruppen diskutierten. Alle verstummten, als sie sahen, wer und was da kam. Fane scheuchte wenige Sekunden später die vier Sekretärinnen aus dem Vorzimmer. Dann nahm er seine Dienstmarke in die Hand und stieß die Tür auf. Kelloggs — im Augenblick Mallins — Sekretärin schien ihnen einige Sekunden zuvorgekommen zu sein, denn sie stand aufgeregt gestikulierend vor Kelloggs — Mallins — Schreibtisch. Mallin erhob sich, erstarrte in der Bewegung. Juan Jimenez stand an der Seite des Raumes und schien nach einem Ausweg Ausschau zu halten. Fane schob auch diese Sekretärin beiseite und hielt Mallin seine Plakette unter die Nase. Dann überreichte er ihm die Dokumente. Mallin starrte ihn erschrocken an.