»Wie Pa-pii dschek?« fragte der Richter zur Rechten.
Die Kugel wurde augenblicklich rot.
»Euer Ehren, ich kann nicht zufällig eingeprägte und mechanisch nachgeplapperte Laute als Sprache bezeichnen. Die Fuzzys haben nur gelernt, diesen Laut mit einem bestimmten Menschen zu identifizieren und benützen ihn als Signal, nicht als Symbol.«
Immer noch leuchtete es rot. Der Oberrichter schlug mit dem Hammer auf den Tisch.
»Dr. Mallin! Von allen Menschen auf diesem Planeten sollten wenigstens Sie sich der Unmöglichkeit bewußt sein, unter dem Lügendetektor zu lügen. Andere Menschen wissen nur, daß das nicht geht — Sie kennen auch die Gründe dafür. Ich werde jetzt Richter Janivers Frage neu stellen und erwarte von Ihnen, daß Sie sie wahrheitsgemäß beantworten. Tun Sie es nicht, werte ich das als eine Beleidigung des Gerichts. Als diese Fuzzys also ›Pa-pii dschek!‹ schrien — glauben Sie oder glauben Sie nicht, daß es sich dabei um einen Ausdruck handelte, der in der Meinung der Fuzzys für Mr. Holloway stand?«
Er konnte das nicht sagen. Diese ganze Intelligenz war ein großer Schwindel — das mußte er glauben. Die Fuzzys waren geistlose Tiere.
Aber natürlich glaubte er das nicht — er wußte es sogar besser. Er schluckte.
»Ja, Euer Ehren. Der Begriff ›Pa-pii dschek‹ ist nach Meinung der Fuzzys ein Symbol für Mr. Jack Holloway.«
Die Kugel verfärbte sich langsam von rot zu violett und blieb dann blau. Mallin atmete innerlich auf. Er war hindurch.
»Dann denken Fuzzys also bewußt, Dr. Mallin?« Jetzt stellte Pendarvis eine Frage.
»Oh ja. Die Tatsache, daß sie Wortsymbole benutzen, bestätigt das, selbst ohne andere Beweise. Die Enzephalogramm-Aufnahmen, die wir machten, halten gut einen Vergleich mit denen eines zehn- oder zwölfjährigen Kindes von der Erde aus. Das gleiche gilt für die Lernkapazität und die Fähigkeit, Rätsel zu lösen. Bei Rätseln überdenken sie das Problem immer zuerst und verrichten dann die rein manuelle Arbeit, und zwar mit der gleichen Anstrengung wie vielleicht für einen Menschen das Händewaschen ist.«
Die Kugel strahlte jetzt in klarem Blau. Mallin hatte es aufgegeben, zu lügen; jetzt drängte alles aus ihm heraus, was er wirklich dachte.
Leonhard Kellogg vergrub sein Gesicht in seinen Armen vor sich auf dem Tisch. Trauer und Angst schlugen wie Wellen über ihm zusammen.
Ich bin ein Mörder, ich habe eine Person getötet. Zwar nur eine kleine, possierliche Person mit einem Pelz, aber sie war eine Persönlichkeit. Ich wußte es, als ich das Grab entdeckt hatte, ich wußte es, als ich sie tötete. Man wird mich auch auf diesen Stuhl setzen, und ich muß es vor allen Leuten hier zugeben. Dann wird man mich hinausbringen und mir auf dem Hof mit einer Pistole eine Kugel durch den Kopf schießen…
Und das alles, weil dieses kleine Ding meine Aufmerksamkeit auf sich lenken wollte!
16.
Kaum daß der Gerichtsdiener verstummt war, trat Max Fane mit ausdruckslosem Gesicht an den Richtertisch.
»Euer Ehren, ich schäme mich, Ihnen melden zu müssen, daß der Beklagte, Leonhard Kellogg, dem Gericht heute morgen nicht vorgeführt werden kann. Er ist tot; er hat in seiner Zelle Selbstmord begangen.«
»Wie konnte das geschehen, Marshal?« fragte Pendarvis.
»Der Gefangene war in eine Einzelzelle eingeliefert worden, in der er von einer Fernsehkamera beobachtet wurde. Um zweiundzwanzig Uhr ging er nach unseren Informationen zu Bett und zog sich die Decke über den Kopf — das tun viele Gefangene wegen des Lichts in der Zelle. Außerdem behielt er sein Hemd an.
Als heute morgen ein Wächter ihn wecken wollte, fand er das Bett unter der Decke mit Blut durchtränkt. Kellogg hatte den Reißverschluß seines Hemdes solange hin und hergezogen, bis er seine Schlagader durchschnitten hatte. Er war tot.«
»Großer Gott, Marshal!« Pendarvis war erschüttert.
»Ich glaube aber nicht, daß man Ihnen einen Vorwurf machen kann, weil Sie nicht mit so etwas gerechnet haben. Darauf wäre niemand gekommen.«
Janiver und Ruiz berieten sich kurz und stimmten dann zu. Marshal Fane verbeugte sich leicht und trat zur Seite.
Leslie Coombes, der sich sichtlich anstrengen mußte, ein gebührend schockiertes und betrübtes Gesicht zu machen, erhob sich.
»Euer Ehren, ich stelle fest, daß ich keinen Mandanten mehr habe«, sagte er. »Genau genommen, habe ich hier überhaupt nichts mehr zu tun; die Anklage gegen Mr. Holloway ist natürlich automatisch hinfällig. Er hat einen Mann erschossen, der versucht hat, ihn umzubringen, das ist alles. Ich bitte Euer Ehren daher, die Anklage gegen ihn fallenzulassen und ihn aus der Untersuchungshaft zu entlassen.«
Captain Greibenfeld erhob sich.
»Euer Ehren, mir ist klar, daß der Beklagte sich unserer Rechtssprechung entzogen hat, aber ich möchte darauf hinweisen, daß wir hier sind, um die Klassifikation dieses Planeten neu zu bestimmen und eine entsprechende Definition von Vernunft zu erhalten. Ich bitte Euer Ehren daher, diese Fragen zu beantworten.«
Jack Holloway sprang ebenfalls auf.
»Ich bin außerdem noch nicht tot, Euer Ehren, und ich stehe hier auch vor Gericht. Der Grund, warum ich nicht tot bin, hat mich vor dieses Gericht gebracht. Meine Verteidigung läuft darauf hinaus, daß Kurt Borch in die Tötung eines Fuzzys verwickelt war. Ich möchte von diesem Gericht feststellen lassen, daß es Mord ist, wenn ein Fuzzy umgebracht wird.«
Der Richter nickte langsam. »Ich werde die Klage gegen Mr. Holloway nicht fallenlassen«, sagte er. »Mr. Holloway ist unter der Anklage des Mordes verhaftet worden. Wenn er unschuldig ist, steht ihm zumindest die Genugtuung eines Freispruchs zu. Ich fürchte, Mr. Coombes, daß Sie die Anklage weiterhin werden vertreten müssen.«
Der Hammer klopfte langsam auf den Tisch. Little Fuzzy kletterte auf Jack Holloways Schoß. Nach fünf Tagen vor Gericht hatten sie alle gelernt, was dieses Geräusch für Fuzzys und andere Leute zu bedeuten hatte.
Der Saal sah wieder wie ein Gerichtssaal aus. Die Tische standen in einer Reihe vor dem Richtertisch, und der Zeugenstuhl und die Geschworenenbank befanden sich wieder an ihrer angestammten Stelle. Die Aschenbecher und Kaffeemaschinen waren verschwunden — es erschien den Fuzzys wohl, als sei die große Party zu Ende. Baby, das sich noch nicht an die Gerichtsordnung gewöhnt hatte, huschte unter dem Tisch hervor, wurde aber von seiner Mama unverzüglich zurückgeholt.
Eines aber war neu und ungewöhnlich. Am Richtertisch saß jetzt ein vierter Mann, ein Mann in der schwarzen Uniform der Raumflotte. Er saß ein wenig abseits von den Richtern und versuchte so zu erscheinen, als sei er gar nicht vorhanden: Flotten-Kommodore Alex Napier.
Richter Pendarvis legte seinen Hammer auf den Tisch. »Meine Damen und Herren, sind Sie jetzt bereit, über das Ergebnis Ihrer Diskussion zu berichten?« fragte er.
Lieutenant Ybarra, der Flotten-Psychologe, erhob sich. Vor ihm befand sich ein Lesegerät, das er jetzt einschaltete.
»Euer Ehren«, begann er, »es bestehen immer noch erhebliche Meinungsverschiedenheiten in Detailfragen, aber wir sind uns in allen Hauptpunkten einig. Der Bericht ist sehr umfangreich und bereits zu Protokoll gegeben worden. Habe ich die Erlaubnis des Gerichts, nur eine Zusammenfassung zu geben?«
Die Richter gestatteten es ihm. Ybarra sah auf den Leseschirm und fuhr fort:
»Wir sind der Ansicht«, sagte er, »daß man Vernunft im Gegensatz zu ihrem Fehlen so definieren kann, daß sie durch das bewußte Denken charakterisiert wird, durch die Fähigkeit, in logischer Folge und in Begriffen zu denken. Wir — ich meine damit jeden Angehörigen einer vernunftbegabten Rasse — denken bewußt und wissen, daß wir denken. Dies bedeutet aber nicht, daß all unsere geistigen Aktivitäten bewußt ablaufen. Die Psychologie hat herausgefunden, daß nur ein kleiner Teil dieser Vorgänge im bewußten Bereich abläuft. Seit Jahrzehnten haben wir den Verstand als einen Eisberg bezeichnet — ein Zehntel ist sichtbar, der Rest nicht. Auf diesem Gebiet findet im übrigen seit Jahrhunderten eine Forschung statt, die noch nicht abgeschlossen ist.