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Der Duft des gerösteten Fleisches war so wunderbar, daß keiner die Meinung der anderen abwartete.

Alle standen gleichzeitig auf und stolperten auf den Kreis zu mit dem einzigen Gedanken, etwas Eßbares zu erbetteln. Doch kaum hatte der erste die Lichtung betreten, als mit einem Schlag, wie durch Zauberei, die Lichter verlöschten. Jemand trat hastig das Feuer aus, und es schoß wie Raketen in glühenden Funken auf und verzischte. Vollständige Dunkelheit umgab sie. Keiner konnte den anderen finden – jedenfalls dauerte es geraume Zeit. Wie irre tappten sie in der Finsternis umher, fielen über Stämme, stießen mit Getöse gegen Bäume, schrien und machten einen Spektakel, daß auf Meilen alles im Wald wach geworden sein mußte. Am Ende hatten sie es aber geschafft. Sie fanden wieder zu einem Haufen zusammen und zählten sich mühsam, indem sie einander abtasteten.

Inzwischen hatten sie natürlich ganz und gar vergessen, in welcher Richtung ihr Pfad lag, und so waren sie hoffnungslos verloren zumindest bis zum Morgen.

Es blieb nichts anderes übrig, sie mußten sich, wo sie gerade waren, für die Nacht einrichten. Sie wagten es nicht einmal, auf dem Boden nach Krümeln zu suchen, aus Furcht, wieder einander zu verlieren. Aber sie hatten sich noch nicht lange hingelegt – Bilbo wurde gerade erst schläfrig –, als Dori, der die erste Wache hatte, aufgeregt flüsterte: »Die Lichter kommen wieder heraus! Da! Mehr als vorhin!«

Da sprangen sie alle zugleich auf die Füße. Ja, ganz sicher, nicht weit weg waren Massen funkelnder Lichter zu sehen. Sie hörten ganz klar Stimmen und Lachen. Langsam krochen sie einer hinter dem andern darauf zu, jeder hielt sich am Rockschoß des Vordermannes fest. Als sie näher kamen, sprach Thorin: »Diesmal kein Drauflosstürzen! Keiner darf aus dem Versteck, ehe ich es sage. Ich werde Mister Beutlin allein vorschicken, damit er mit ihnen reden kann. Vor ihm werden sie sich nicht fürchten.«

(Aber ich mich vielleicht vor ihnen? dachte Bilbo.) »Jedenfalls hoffe ich, daß sie ihm nichts antun.«

Als sie an den Rand des Lichtkreises kamen, stießen sie hinterrücks den armen Bilbo nach vorn. Noch ehe er Zeit fand, seinen Ring anzuziehen, stolperte er mitten in den Schein der Feuer und Fackeln.

Das war schlecht. Die Lichter verlöschten wie beim erstenmal, und völlige Finsternis stürzte herab.

Wenn sie vordem unter Schwierigkeit einander wiederfinden konnten, so war es diesmal viel schlimmer. Und den Hobbit konnten sie überhaupt nicht finden. Jedesmal, wenn sie abzählten, kamen sie bloß auf dreizehn. Sie schrien und riefen: »Bilbo Beutlin! Hobbit! Zum Henker mit ihm! He, Hobbit, verflucht, wo steckt Ihr bloß?« Aber es kam keine Antwort.

Sie wollten gerade alle Hoffnung aufgeben, als Dori aus purem Glück über Bilbo stolperte. In der Dunkelheit schlug er längelang hin über etwas, das er für einen Baumstamm hielt.

Aber dann fand er, daß es der Hobbit war, zusammengerollt wie ein Kater und in tiefem Schlaf. Es war nicht einfach, ihn wach zu bekommen, und als er wach war, war er gar nicht entzückt davon.

»Ich hatte solch einen hübschen Traum«, brummte er, »und darin kam die allerprächtigste Mahlzeit vor.«

»Guter Himmel Es geht ihm wie Bombur«, sagten sie. »Erzählt uns nichts von Träumen, Traumessen taugen nichts, und für uns fällt sowieso nichts ab dabei.«

»Sie sind das Beste, was ich an diesem grausligen Platz bekommen kann«, murmelte Bilbo, als er sich neben den Zwergen niederlegte und seinen Schlaf und seinen Traum wiederzufinden suchte.

Aber es waren nicht die letzten Lichter im Wald. Später, als es schon sehr tief in der Nacht, vielleicht schon gegen Morgen sein mochte, kam Kili, der die Wache hatte, weckte alle und flüsterte: »Eine richtige Lichterglut ist dort vorn, gar nicht weit weg – Hunderte von Fackeln und viele Feuer. Als ob sie durch Zauberei angezündet worden wären. Hört bloß das Singen und die Harfen!«

Nachdem sie eine Weile gelegen und gelauscht hatten, merkten sie, daß sie einfach nicht widerstehen konnten. Sie mußten näher herangehen und versuchen, Hilfe zu erlangen. Sie standen auf. Und diesmal war das Ergebnis vernichtend. Das Fest, das sie belauschten, war größer und prächtiger als die vorhergehenden. Zu Häupten einer langen Reihe von Festgästen saß ein Waldlandkönig mit einer Blattkrone im goldenen Haar – genau, wie Bombur die Gestalt aus seinem Traum beschrieben hatte.

Das Elbenvolk reichte Humpen von Hand zu Hand und über die Feuer hinweg. Einige spielten Harfe, und viele sangen. In ihr schimmerndes Haarwaren Blumen gewunden. Grüne und weiße Edelsteine blitzten hell an ihren Kragen und Gürteln, Gesichter und Lieder strahlten Frohsinn aus. Laut und klar klangen ihre Lieder in die Nacht. Da trat Thorin in ihre Mitte.

Plötzlich wurde es totenstill. Alle Lichter verlöschten. Die Feuer gingen in schwarze Rauchschwaden auf. Asche und Ruß wehten den Zwergen in die Augen, und aufs neue schallte der Wald von ihrem Klagen und Geschrei wider.

Bilbo rannte immerzu im Kreis herum (vielmehr dachte er das) und rief unaufhörlich: »Dori, Nori, Ori, Oin, Gloin, Fili, Kili, Bombur, Bifur, Bofur, Dwalin, Balin, Thorin Eichenschild!« Während andere, die er weder sehen noch fühlen konnte, genau das gleiche rings um ihn taten (mit einem gelegentlichen »Bilbo« dazwischen). Aber das Geschrei der anderen trieb immer weiter davon, wurde schwächer, und nach einer Weile, so schien es Bilbo, wurden gellende Hilfeschreie daraus. Das geschah jedoch schon aus großer Entfernung. Der Lärm erstarb schließlich ganz. Bilbo blieb allein in der regungslosen Dunkelheit zurück.

Nach einer Weile sagte sich Bilbo, daß es unsinnig sei, irgend etwas zu unternehmen, ehe der Tag kam und mit ihm ein bißchen Helligkeit, und daß es ganz falsch wäre, jetzt umherzutappen, sich müde zu machen, und das obendrein ohne Hoffnung auf ein gutes Frühstück. So setzte er sich mit dem Rücken an einen Baum, und nicht zum letztenmal wanderten seine Gedanken zu der weit entfernten Hobbithöhle mit ihren wunderbaren Speisekammem zurück. Er war tief in Gedanken an Speck und Eier, geröstetes Brot und Butter versunken, als er etwas seine Haut berühren fühlte. Es war wie ein starker, klebrig zäher Strick, der sich quer über die linke Hand zog; und als er sich bewegen wollte, fand er, daß seine Beine schon von demselben Zeug eingeschnürt waren. So war er noch nicht ganz aufgesprungen und lag schon auf der Nase.

In diesem Augenblick kam die Riesenspinne, die, während er vor sich hin duselte, ihn geschäftig eingewoben hatte, von hinten heran und warf sich auf ihn. Bilbo konnte nur ihre Augen sehen, aber er fühlte ihre haarigen Beine, die sich damit abrackerten, die entsetzlichen Fäden um ihn herumzuwickeln. Welch ein Glück, daß er noch rechtzeitig zu Verstand gekommen war! Bald hätte er sich überhaupt nicht mehr rühren können. Er mußte, wie die Dinge standen, verzweifelt kämpfen, bevor er frei wurde. Er schlug das Tier zuerst einmal mit den Fäusten ab, denn es versuchte, ihn zu vergiften, damit er stillhielt (wie es die kleinen Spinnen mit Fliegen machen). Aber dann erinnerte Bilbo sich an sein Schwert, und er riß es aus der Scheide. Die Spinne sprang zurück, und er fand Zeit, seine Beine zu befreien. Danach war die Reihe an ihm, anzugreifen. Die Spinne war augenscheinlich nicht mit Wesen vertraut, die solch einen Stachel an der Seite trugen, sonst würde sie rascher zurückgesprungen sein. Bilbo kam ihr zuvor, ehe sie ausweichen konnte, und er traf sie mit seinem Schwert mitten zwischen die Augen. Da wurde sie irre und sprang und tanzte und warf ihre Beine in schrecklichen Zuckungen, bis Bilbo sie mit einem zweiten Streich tötete. Doch dann stürzte Bilbo selbst vornüber und erinnerte sich für eine lange Weile an nichts mehr.

Als er wieder zu sich kam, herrschte um ihn das gewöhnliche düstergraue Licht des Waldtages. Die Spinne lag tot neben ihm, und seine Schwertklinge war schwarz gefleckt. Aber irgendwie hatte der Tod der Riesenspinne, die er in der Finsternis ganz allein ohne die Hilfe des Zauberers oder der Zwerge besiegt hatte, aus Mister Beutlin einen anderen Hobbit gemacht. Er spürte, daß er ein anderer geworden war, wilder und kühner, trotz eines leeren Magens. Sein Schwert wischte er am Gras ab und steckte es zurück in die Scheide. »Ich will dir einen Namen geben«, sagte Bilbo zu seinem Schwert. »Du sollst Stachel heißen.«