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Hier war auch das Verlies für die Gefangenen. Deshalb schleppten sie Thorin dorthin – nicht sehr rücksichtsvoll, denn Zwerge mochten sie nicht leiden, und überdies hielten sie Thorin für einen Feind.

In alten Tagen hatten sie sogar Krieg mit einigen Zwergengeschlechtern geführt, die sie bezichtigten, ihren Schatz gestohlen zu haben. Anstandshalber muß aber gesagt werden, daß die Zwerge die Sache anders darstellten. Sie behaupteten nämlich, sie hätten nur genommen, was ihnen zustand. Der Elbenkönig habe mit ihnen ausgehandelt, sie sollten sein Rohgold und sein Silber schmieden und bearbeiten – und hinterher habe er die Bezahlung verweigert. Und in der Tat, wenn der Elbenkönig eine Schwäche hatte, so waren es Schätze – besonders aber Silber und geschnittene weiße Edelsteine.

Obgleich sein Hort reich war, war er doch auf immer mehr bedacht, denn noch war sein Schatz nicht so groß wie der Schatz anderer Elbenfürsten aus vergangenen Zeiten. Seine Leute schürften weder Metalle und Edelgestein, noch bearbeiteten sie es. Sie gaben sich nicht mit Handelsgeschäften ab und bestellten auch nicht den Boden. All das war jedem Zwerg wohlbekannt (obgleich Thorins Familie nichts mit dem alten Streit zu tun hatte, von dem ich eben sprach). Infolgedessen war Thorin rechtschaffen wütend, als sie ihren Bann von ihm nahmen und er zur Besinnung kam. Und er nahm sich vor, daß man kein einziges Wort über Gold und Juwelen von ihm hören sollte.

Streng blickte der König Thorin an, als man ihn vor ihn brachte, und stellte viele Fragen. Aber Thorin antwortete bloß, daß er vor Hunger bald umkäme.

»Warum habt Ihr dreimal mein Volk mitten beim Fest angegriffen?« fragte der König.

»Wir haben Euer Volk nicht angegriffen«, antwortete Thorin.

»Wir kamen als Bettler, weil wir elenden Hunger hatten.«

»Wo sind Eure Freunde jetzt, und was machen sie?«

»Ich weiß es nicht. Aber ich denke, sie sterben vor Hunger im Wald.«

»Was hattet Ihr im Wald zu schaffen?«

»Essen und Trinken suchen, denn wir hatten Hunger.«

»Aber was führte Euch in den Wald hinein?« fragte der König wütend.

Da schloß Thorin den Mund und wollte kein Wort mehr sagen.

»Wie Ihr wollt!« sagte der König. »Führt ihn fort und setzt ihn hinter Schloß und Riegel, bis er bereit ist, die Wahrheit zu sprechen, und selbst wenn er hundert Jahre dazu braucht.«

Dann fesselten ihn die Elben und sperrten ihn in einen der untersten Kerker, die mit starken Bohlentüren verschlossen waren. Sie gaben ihm viel zu essen und viel zu trinken (allerdings war es nichts sehr Feines). Wie dem auch sei, Waldelben sind keine Orks. Wenn sie Gefangene gemacht haben, benehmen sie sich selbst ihren schlimmsten Feinden gegenüber noch ziemlich gesittet. Die Riesenspinnen waren die einzigen Lebewesen, denen sie keinen Pardon gaben.

So lag der arme Thorin im Verlies des Königs. Und nachdem er dankbar Brot, Fleisch und Wasser zugesprochen hatte, begann er darüber nachzudenken, was aus seinen unglücklichen Freunden geworden sein mochte. Es sollte nicht lang dauern, bis er dahinterkam – aber das gehört zum nächsten Kapitel und ist der Anfang eines anderen Abenteuers, in dem der Hobbit abermals seine Nützlichkeit bewies.

9

Fässer unverzollt

Am Tag nach der Schlacht mit den Spinnen machten Bilbo und die Zwerge eine letzte verzweifelte Anstrengung, einen Weg hinaus zu finden, ehe sie vor Hunger und Durst umkamen. Sie standen auf und taumelten in die Richtung, die acht von dreizehn für diejenige hielten, in der ihr Pfad lag. Aber sie fanden nie heraus, ob sie recht hatten. Nochmals wurde einer der blassen Waldestage von tiefschwarzer Nacht abgelöst, da sprang plötzlich ringsum ein Lichtschein von vielen Fackeln wie Hunderte von roten Sternen auf. Waldelben mit Bogen und Pfeil rannten auf sie zu und geboten den Zwergen Halt.

An einen Kampf war nicht zu denken, selbst wenn die Zwerge nicht in einem solch elenden Zustand gewesen wären. Sie waren sogar froh, daß sie gefangengenommen wurden. Gegen Elbenpfeile, die das Auge eines Vogels im Dunkeln treffen, war Widerstand sinnlos. So hielten sie auf der Stelle an, setzten sich und warteten – alle, außer Bilbo, der seinen Ring ansteckte und sich rasch seitwärts in die Büsche schlug. Auf diese Weise zählten die Elben nie den Hobbit mit, als sie die Zwerge zu einer langen Reihe zusammenbanden und abzählten.

Auch hörten sie nicht, wie er hinter ihrem Fackelschein hertrottete, als sie ihre Gefangenen in den Wald abführten. Jedem Zwerg waren die Augen verbunden – aber das machte keinen großen Unterschied, denn selbst Bilbo, dem die Augen nicht verbunden waren, konnte nicht herausfinden, wohin sie gingen. Und weder er noch die anderen wußten, von wo sie aufgebrochen waren. Bilbo hatte genug damit zu tun, die Fackeln nicht aus den Augen zu verlieren, denn die Elben ließen die kranken, müden Zwerge, so schnell es nur eben ging, vor sich hertraben. Der König hatte Eile geboten. Plötzlich hielten die Fackeln an. Der Hobbit hatte gerade noch Zeit, sie einzuholen, dann überquerten sie eine Brücke. Es war die Brücke, die über den Fluß hin zum Tor des Königspalastes führte. Das Wasser floß dunkel und schnell und mit mächtigem Rauschen unter ihnen dahin, und auf der anderen Seite waren die Türflügel einer gewaltigen Höhle zu sehen, die in einen steilen, baumbestandenen Hang führte. Große Buchen kamen bis zum Ufer herab und tauchten ihre Wurzeln in den Strom.

Über diese Brücke stießen die Elben ihre Gefangenen. Aber Bilbo zögerte. Er schätzte den Anblick von Höhleneingängen nicht. Und so mußte er seinen ganzen Mut zusammennehmen, um seine Freunde nicht im Stich zu lassen. Gerade noch rechtzeitig preschte er hinter den letzten Elben her, ehe die großen Torflügel schallend hinter ihm ins Schloß fielen.

Die Gänge im Innern waren von rotem Fackellicht erhellt, und die Elbenwache sang beim Marsch durch die sich windenden, einander kreuzenden und hallenden Wege. Sie waren anders beschaffen als die Stollen in der Orkstadt: Sie waren schmaler, lagen weniger tief unter der Erde, und es wehte ein reiner Luftstrom darin. In einer großen Halle, deren Pfeiler aus Fels gehauen waren, saß der Elbenkönig auf einem reichgeschnitzten Stuhl. Auf seinem Haupt trug er eine Krone aus Beeren und rotem Laub, denn der Herbst war gekommen. Im Frühling trug er eine Waldblumenkrone. In seiner Hand ruhte ein geschnitztes Eichenzepter.

Die Gefangenen wurden vor ihn geführt, und obgleich er sie grimmig anblickte, befahl er seinen Leuten, die Fesseln zu lösen, denn die Zwerge sahen zerlumpt und elend aus. »Außerdem brauchen sie hier drinnen keine Fesseln«, fügte er hinzu.

»Durch die verwunschenen Tore kann keiner entkommen, der einmal hier hereingebracht worden ist.«

Lange und eingehend verhörte er die Zwerge über ihre Absichten, was sie planten und woher sie kamen. Aber er erfuhr nicht mehr von ihnen als von Thorin. Sie waren mürrisch und wütend und beabsichtigten gar nicht erst, höflich zu sein.

»Was haben wir denn verbrochen, o König?« fragte Balin«, der jetzt der Älteste unter ihnen war. »Ist es ein Verbrechen, wenn man sich im Wald verirrt, hungrig und durstig ist und von den Spinnen überfallen wird? Sind die Spinnen Eure Haustiere oder Schoßhündchen, daß Ihr wütend werdet, wenn ein paar von ihnen umgekommen sind?«

Eine solche Frage machte den König natürlich nur noch wütender, und er antwortete: »Es ist ein Verbrechen, ohne meine Erlaubnis in meinem Reich umherzustromern. Habt ihr vergessen, wo ihr wart? Habt ihr nicht den Weg benutzt, den mein Volk geschlagen hat? Habt ihr meine Leute nicht dreimal im Wald verfolgt und belästigt, habt ihr nicht die Spinnen mit eurem Geschrei und Getobe aufgebracht? Nach all diesen Friedensbrüchen habe ich wohl ein Recht, zu wissen, was euch hierherführt. Und wenn ihr es mir jetzt nicht sagen wollt, halte ich euch gefangen, bis ihr Sitte und Anstand gelernt habt!«