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Dann befahl er, jeden Zwerg in eine Einzelzelle zu sperren und jedem Essen und Trinken zu geben.

Aber keiner solle die Erlaubnis haben, die Schwelle seines kleinen Gefängnisses zu überschreiten, bis einer von ihnen willens sei, ihm zu berichten, was er zu hören wünschte. Aber er erzählte ihnen nicht, daß er Thorin gefangenhielt. Es war Bilbo, der es herausfand.

Der arme Mister Beutlin! Es war eine lange, mühselige Zeit, die er hier ganz allein verbrachte, immer verborgen. Niemals wagte er den Ring abzunehmen, kaum, daß er ein Auge Schlaf riskierte, und auch dann mußte er sich die dunkelsten und abgelegensten Winkel suchen, die überhaupt zu finden waren.

Um sich zu beschäftigen, begann er, durch den ganzen Königspalast zu wandern. Zauber verschloß die Tore, aber zuweilen, wenn er flink genug war, konnte er hinauswischen. Von Zeit zu Zeit nämlich ritten Gruppen von Waldelben zur Jagd aus (manchmal mit ihrem König an der Spitze), oder sie gingen anderen Geschäften in den Wäldern oder in den Feldern nach. Wenn Bilbo dann sehr behend war, konnte er dicht hinter ihnen hinausschlüpfen, obgleich das gefährlich war. Mehr als einmal wäre er beinahe von den Torflügeln erwischt worden, wenn sie hinter den letzten Elben zusammenkrachten. Aber wegen seines Schattens wagte er es nicht, sich unter sie zu mischen (obgleich sein Schatten im Fackelschein nur blaß und undeutlich war). Auch hatte er Furcht, daß jemand ihn anrempelte und er auf diese Weise entdeckt wurde. Und wenn er wirklich hinausging, was nicht sehr oft geschah, so war auch dies eine mißliche Sache. Die Zwerge wollte er nicht verlassen, und im übrigen hätte er sowieso nicht gewußt, wohin er ohne sie gehen sollte. Bei den jagenden Elben konnte er nicht die ganze Zeit mithalten, und so entdeckte er niemals die Wege hinaus aus dem Wald. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als verlassen durch den Wald zu streunen. Immer mußte er fürchten, daß er sich verirrte, bis ihm ein Glücksfall die Rückkehr erlaubte. Außerdem litt er draußen Hunger, denn er war kein Jäger. Aber im Innern der Höhle konnte er immerhin sein Leben dadurch fristen, daß er etwas Eßbares aus der Vorratskammer oder vom Tisch stahl, wenn gerade niemand anwesend war.

Ich komme mir wie ein Einbrecher vor, der nicht mehr ausbrechen kann, dachte er. Ich muß elend weiter einbrechen, immer im selben Haus, Tag für Tag. Das ist das dümmste und ödeste Kapitel bei diesem ganzen verrückten, mühsamen, unerfreulichen Abenteuer! Ich wünschte, ich wäre daheim in meiner Hobbithöhle unter der brennenden Lampe vor dem warmen Kamin! Oft wünschte er auch, daß er dem Zauberer hätte eine Botschaft senden können. Aber das war natürlich ganz unmöglich. Und bald wurde es ihm klar, daß, wenn überhaupt etwas getan werden konnte, es ganz allein, und ohne Hilfe, von Mister Beutlin getan werden mußte.

Schließlich gelang es Bilbo, nachdem er sich ein oder zwei Wochen im Verborgenen herumgedrückt, die Wachen beobachtet, ihnen nachgespürt und jeden sich bietenden Glücksfall wahrgenommen hatte, herauszufinden, wo jeder Zwerg gefangensaß. An den unterschiedlichsten Stellen des Palastes entdeckte er die zwölf Zellen, und nach einer Weile kannte er auch die Wege dorthin sehr gut. Wie groß aber war seine überraschung, als er eines Tages einige Wachen belauschte und heraushörte, daß da noch ein anderer Zwerg im Gefängnis saß, und zwar an einem besonders tiefen Platz. Er erriet natürlich sofort, daß es sich um Thorin handeln müsse, und nach einer Weile fand er, daß seine Vermutung richtig war. Schließlich konnte er nach großen Schwierigkeiten, als niemand in der Nähe war, sich an ihn heranmachen und ein Wort mit dem Führer der Zwerge wechseln.

Thorin war zu elend, um länger mit seinem Mißgeschick zu hadern, ja, er hatte es sich schon überlegt und wollte dem König alles über den Drachen und die Suche nach dem Schatz erzählen (und das zeigt, wie kleinmütig er geworden war). Da hörte er Bilbos leise Stimme am Schlüsselloch. Zuerst traute er seinen Ohren nicht. Aber dann kam er zu der überzeugung, daß er sich doch nicht getäuscht haben konnte. Er ging zur Tür – und hatte eine lange gewisperte Unterredung mit dem Hobbit auf der anderen Seite.

So konnte Bilbo Thorins Botschaft heimlich jedem einzelnen der gefangenen Zwerge übermitteln. Er erzählte ihnen, daß Thorin, ihr Führer, nicht weit weg ebenfalls in einem Kerker saß und daß keiner Auftrag und Zweck der Unternehmung an den König verraten dürfe – jedenfalls nicht, ehe Thorin Weisung gab. Thorins Herz schlug wieder höher, als er erfuhr, wie der Hobbit seine Gefährten aus den Fängen der Spinnen errettet hatte. Aufs neue war er entschlossen, sich nicht beim Elbenkönig loszukaufen, indem er ihm einen Anteil am Schatz versprach, ehe nicht jede Hoffnung auf Flucht zunichte war. Genaugenommen hieß das: Ehe der bemerkenswerte Mister Unsichtbar Beutlin (von dem er allmählich eine sehr hohe Meinung bekam) nicht aufgab, weil ihm nichts Gescheites mehr einfiel.

Alle Zwerge stimmten zu, als sie die Botschaft erhielten. Jeder glaubte, der eigene Schatzanteil (den man schon als Eigentum ansah, trotz der Klemme, in der sie saßen, und trotz des unbesiegbaren Drachen) würde bedenklich leiden, wenn die Waldelben etwas davon forderten. Und so vertrauten sie Bilbo, und das war genau das, was Gandalf vorausgesagt hatte. Vielleicht war dies auch einer der Gründe gewesen, weshalb er fortgegangen und sie verlassen hatte.

Bilbo indessen war in keiner Weise so hoffnungsvoll wie die Zwerge. Er hatte es gar nicht gern, wenn jemand sich auf ihn verließ, und er wünschte herzlich, der Zauberer stünde ihm zur Seite. Aber da war nichts zu machen. Wahrscheinlich lag der ganze unheimliche Nachtwald zwischen ihnen. Er saß und dachte und dachte, und sein Kopf zerplatzte fast dabei. Aber es kam kein erleuchtender Gedanke. Ein Ring, der unsichtbar macht, ist eine feine Sache. Aber unter vierzehn war er nicht viel wert. Und doch konnte Bilbo, wie ihr natürlich schon erraten habt, am Ende doch noch seine Freunde retten. Und das geschah folgendermaßen: Als Bilbo eines Tages herumschnüffelte, machte er eine spannende Entdeckung: Die großen Tore waren nicht der einzige Eingang zu den Höhlen – ein Wasserlauf strömte unter den tiefsten Bezirken des Palastes dahin und vereinigte sich mit dem Nachtwaldfluß, und zwar ein wenig weiter ostwärts, jenseits des Steilhanges, in den der Haupteingang führte. Wo der unterirdische Fluß den Berg verließ, kam das Felsdach bis dicht auf den Wasserspiegel herab. An dieser Stelle konnte ein Fallgatter hinab in das Flußbett gelassen werden, so daß niemand auf diesem Weg herein- oder hinausgelangen konnte. Dieses Fallgatter jedoch stand nicht selten offen, denn es wurde in beiden Richtungen viel benutzt; wer von draußen hier hereinkam, befand sich in einem finsteren, roh geschlagenen Tunnel, der mitten ins Herz des Berges führte. Aber an einer Stelle, wo dieser Tunnel unter den Höhlen entlangführte, hatte man das Felsdach gesprengt und mit großen, eichenen Falltüren versehen. Sie führten in die königlichen Keller. Da standen Fässer, Fässer und abermals Fässer, denn die Waldelben, und besonders ihr König, waren ganz.versessen auf Wein – obgleich in diesen Gegenden keine einzige Rebe wuchs. Der Wein wurde, wie viele andere Güter, weither von ihren Verwandten im Süden gebracht oder auch aus fernen Ländern aus den Weinbergen der Menschen.

Als Bilbo sich hinter den Fässern verbarg, entdeckte er die Falltüren und ihren Verwendungszweck, und als er dort lauerte, belauschte er die königlichen Diener und erfuhr, wie Wein und andere Güter die Flüsse herauf oder auch über Land bis zum Langen See kamen. Dort schien es noch eine Stadt der Menschen zu geben. Sie war auf Pfahlwerk draußen im Wasser erbaut, eine Schutzmaßnahme gegen Feinde aller Art und besonders gegen den Drachen im Berg. Von dieser Seestadt aus wurden die Fässer den Nachtwaldfluß heraufgebracht. Oft waren sie zu mächtigen Flößen zusammengebunden, die den Strom hinauf gerudert oder gestakt wurden. Manchmal wurden sie auch auf flache Boote verladen.