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Sie verbrachten eine kalte, einsame Nacht, und ihre Stimmung sank beträchtlich. Am nächsten Tag zogen sie weiter. Balin und Bilbo ritten am Schluß. Jeder von ihnen führte ein schwerbepacktes Handpony neben sich. Die anderen waren ein Stück voraus und suchten einen gangbaren Pfad, denn Wege gab es hier nicht. Sie ritten nach Nordwesten, schräg fort vom Eiligen Wasser, und zogen immer näher und näher auf einen mächtigen Ausläufer des Berges zu, der ihnen nach Süden entgegenkam.

Es war eine mühsame Reise und eine schweigsame und verstohlene dazu. Da klang kein Lied, kein Lachen, kein Harfenspiel, und Stolz und Hoffnung, die sich beim Singen der alten Lieder in ihren Herzen geregt hatten, erstarben langsam. Sie wußten, daß sie nun zum Ende ihrer Reise kamen und daß es ein schreckliches Ende sein konnte. Das Land um sie wurde öde und wüst, obgleich es einmal, wie Thorin ihnen erzählte, grün und freundlich gewesen war. Es gab nur wenig Gras, und es währte nicht lang, da fanden sie weder Baum noch Strauch. Einzig zerborstene und verkohlte Stümpfe berichteten von ihnen. Sie waren in den Verwüstungen des Drachen angelangt, und das Jahr neigte sich dem Ende zu.

Sie erreichten den Rand des Gebirges, ohne irgendwelche Gefahren zu bemerken, ja, sie fanden außer der Wildnis, die Smaug rund um sein Lager angelegt hatte, nicht ein einziges Zeichen von ihm.

Schwarz und schweigsam lag der Berg vor ihnen, immer höher ragte er auf Sie errichteten ihr erstes Lager an der Westseite des großen Südausläufers. Der Kamm endete in einer Anhöhe, die den Namen Rabenberg trug. Dort war vor Zeiten ein Wachtposten unterhalten worden. Aber sie wagten nicht, den von allen Seiten leicht überschaubaren Berg zu erklettern.

Ehe sie damit begannen, die westlichen Ausläufer des Berges nach der Geheimtür abzusuchen (an der all ihre Hoffnungen hingen), sandte Thorin Späher aus. Sie sollten Kunde über das Gebiet südlich der »Vordertür« einholen. Er wählte zu diesem Vorhaben Balin, Fili und Kili aus. Bilbo begleitete sie. Sie gingen dicht unter den grauen, schweigsamen Klippen des Rabenberges her. Hier wandte sich das Eilige Wasser fort vom Gebirge, nachdem es in der weiten Talfläche von Dal eine Schleife beschrieben hatte, und floß rasch und mit lautem Getöse hinab auf den Langen See zu. Sein Ufer war kahl und felsig. Steil überragte es den schmalen Strom. Als sie vom hohen Uferrand über das Eilige Wasser, das schäumend und klatschend zwischen gewaltigen Blöcken toste, in die weite Talfläche blickten, die von den Armen des Berges beschattet war, konnten sie die verwitterten Ruinen von Häusern, Türmen und Mauern erkennen.

»Da liegt, was von Dal übrigblieb«, sagte Balin. »Die Berghänge trugen grüne Wälder, und das ganze geschützte Tal war reich und schön in jenen Tagen, als die Glocken noch in der Stadt klangen.« Er sah traurig und zornig aus, als er dies sagte. Damals, als der Drache einbrach, war Balin einer der Gefährten Thorins gewesen.

Sie wagten nicht, dem Fluß auf das Haupttor zu weiter zu folgen. Sie umgingen also das Südende des Vorberges, bis sie, hinter einem Fels verborgen, hinüberspähen und den düsteren Höhlenrachen in einer großen Klippenwand zwischen den Armen des Berges erblicken konnten. Daraus hervor rauschte das Eilige Wasser – Dampf und dunkler Rauch wölkten über ihm aus der Tiefe. Nichts rührte sich, nur Qualm und Wasser und hin und wieder eine schwarze, verdächtige Krähe, die über die Ödnis hinwegruderte. Das einzige Geräusch war Wassertosen und manchmal ein rauher Vogelschrei. Balin schauderte.

»Laßt uns umkehren«, sagte er. »Wir können hier nichts Gutes ausrichten. Und ich mag diese schwarzen Vögel nicht, die wie Späher des Bösen aussehen.«

»Der Drache lebt, und er haust in den Hallen unter dem Berg jedenfalls schließe ich das aus dem Rauch«, sagte der Hobbit.

»Das beweist noch nichts«, entgegnete Balin, »obgleich auch ich meine, daß Ihr recht habt. Aber Smaug kann auch für eine Weile ausgeflogen sein oder draußen auf dem Berg liegen und Wache halten. Dann würden, glaub ich, noch immer Rauch und Qualm aus dem Tor dringen, denn die Hallen innen müssen bis obenhin von seinem widerlichen Dunst voll sein.«

Mit solch düsteren Gedanken und zu Häupten das rauhe Krähengeschrei, suchten sie ihren mühsamen Weg zurück ins Lager. Es war Juni, als sie in dem freundlichen Haus Elronds zu Gast gewesen waren.

Und obgleich jetzt erst der Herbst sich dem Winter zuwandte, schien es ihnen, als wenn jene schöne Zeit Jahre zurück liege. Sie waren allein in der gefährlichen Ödnis und konnten auf keine weitere Hilfe hoffen. Sie waren zwar am Ziel ihrer Reise angekommen, aber anscheinend weiter denn je zuvor vom guten Ende entfernt. Keiner besaß mehr einen Funken Unternehmungsgeist.

Das heißt, so merkwürdig es klingen mag, Mister Beutlin hatte immer noch ein bißchen mehr davon als die andern. Oft lieh er Thorins Karte, starrte sie lange an und grübelte über die Runen und die Botschaft der Mondschrift, die Elrond gelesen hatte. Er war es auch, der die Zwerge dazu bewegte, endlich die gefährliche Suche nach der geheimen Tür in den Westhängen zu beginnen. Sie verlegten daraufhin ihr Lager in ein langes Tal, das enger war als der breite Grund von Dal. Niedrige Bergflanken, die von der Hauptmasse des Berges mit langen, steilen Graten nach Westen in die Ebene griffen, flankierten ihn. Hier waren die Verwüstungen des Drachen nicht so schrecklich, ja, es wuchs sogar ein bißchen Gras für die Ponys. Von diesem Lager im Westen, das den ganzen Tag, bis die Sonne über dem Nachtwald zu sinken begann, im Schatten der Steilhänge lag, plackten sie sich in kleinen Gruppen ab, um Pfade hinauf in den Berg zu finden. Wenn die Karte richtig war, mußte irgendwo hoch über den Klippen am Kopf des Tals die verborgene Tür sein. Aber Tag um Tag kamen sie, ohne eine Spur gefunden zu haben, in das Lager zurück.

Ganz unerwartet fanden sie, was sie suchten. Eines Tages kehrten Fili, Kili und der Hobbit heim, wobei sie zwischen den verstreuten Felsblöcken der Südseite umherkletterten. Es war um die Mittagszeit, und Bilbo kroch hinter einen großen Stein, der allein stand wie eine einsame Säule. Da stieß er auf etwas, das wie roh gehauene Stufen aussah. Die Stufen führten bergan. Aufgeregt folgten die Zwerge und fanden Anzeichen eines schmalen Steiges, der sich oft verlor, aber immer wieder zum Vorschein kam. Der Steig führte weiter bis auf den Kamm des südlichen Grates und brachte sie schließlich zu einem noch schmaleren Felsensims, der nordwärts die Wand des Berges kreuzte. Beim Hinabschauen sahen sie, daß sie genau über den Klippen am Kopf des Tales standen und daß unter ihnen das Lager sich befand. Schweigsam und dicht an die Felswand gedrückt, folgten sie einer hinter dem andern dem Sims, bis die Wand sich öffnete und sie in einen kleinen Steilkessel einbogen, dessen Boden mit Gras bewachsen war, ein kleiner, runder, stiller Raum. Der Eingang zu diesem Kessel konnte wegen der überhängenden Klippe von unten nicht bemerkt werden. Aber auch aus größerer Entfernung sah man ihn nicht, denn er war so schmal, daß er lediglich wie ein dunkler Spalt wirkte. Es war keine Höhle: Von oben schaute der Himmel herein. Aber am hinteren Ende erhob sich eine Wand, die in ihrem unteren, dicht an den Grund anschließenden Teil so glatt und lotrecht wie Mauerwerk war jedoch konnte man weder Fuge noch Spalt entdecken. Auch deutete nichts auf Pfosten, Sims und Schwelle. Und Riegel, Schließhaken oder Schlüsselloch waren erst recht nicht zu sehen. Aber sie zweifelten nicht daran, daß sie endlich die Geheimtür gefunden hatten.

Sie klopften die Wand ab, sie stießen davor, warfen sich dagegen und beschworen sie, daß sie sich doch bewegen möge. Sie sprachen Bruchstücke halbvergessener Zauberformeln aber nichts rührte sich. Schließlich setzten sie sich müde zu Füßen der Wand ins Gras, und am Abend begannen sie ihren langen Abstieg.

In dieser Nacht herrschte große Aufregung im Lager. Am Morgen wollten sie aufbrechen. Nur Bofur und Bombur sollten als Wache für die Ponys zurückbleiben und sich um die Lebensmittelvorräte kümmern. Die anderen gingen das Tal hinab, stiegen den gestern gefundenen Pfad hinauf und erreichten den schmalen Sims. Hier konnte man keine Bündel und Lasten tragen, so eng und atemlos steil war er. Ein Abfall von 15o Fuß Höhe stürzte neben ihnen fast lotrecht auf scharfe Felszacken hinab. Aber jeder von ihnen trug eine Rolle Tauwerk fest um die Hüfte gewickelt, und so erreichten sie endlich ohne Zwischenfälle den kleinen, grasigen Kessel.