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Bilbo verschlug es einfach den Atem, das ist das mindeste, was man sagen konnte. Nachdem die Menschen ihre Sprache verändert hatten, die sie in jenen Tagen voller Wunder von den Elben gelernt, gibt es keine Worte mehr, die seine Verblüffung beschreiben könnten. Bilbo hatte schon früher von Drachenhorten erzählen und singen hören, aber der Glanz, die Wonne, der Bann eines solchen Schatzes hatten ihn bisher nie sehr beschäftigt. Sein Herz war wie verzaubert und von zwergischem Verlangen erfüllt. Reglos starrte er, den furchtbaren Wärter fast vergessend, auf das Gold, das sich weder zählen noch schätzen ließ.

Er starrte, und es war, als ob Jahre vergangen wären, bis er sich von diesem Anblick losriß. Aus dem Schatten der Tür stahl Bilbo sich über den Fußboden zum Rand des nächstliegenden Schatzhügels.

Über ihm lag der Drache, eine schauerliche Gefahr selbst noch im Schlaf Bilbo ergriff einen großen zweihenkligen Pokal, der so schwer war, daß er ihn gerade noch tragen konnte, und schielte ängstlich hinauf zum Drachen. Smaug zuckte mit einer Schwinge, öffnete eine Klaue, sein dröhnendes Schnarchen änderte den Ton.

Da floh Bilbo. Aber der Drache erwachte nicht – nicht jetzt. Er wechselte bloß in eine andere Art Träume hinüber, Träume von Gier und Gewalt, während er in seiner Raubhalle lag und der kleine Hobbit sich den ganzen langen Tunnel zurück abmühte. Sein Herz schlug wild, und seine Beine zitterten noch fieberhafter als beim Herweg. Aber doch hielt er seinen Pokal fest, und in seinem Kopf herrschte nur der eine Gedanke: Ich habe es geschafft. Da werden sie Augen machen! Ein Krämer, aber kein Meisterdieb – sagten sie nicht so? In der Tat! Jetzt werde ich solche Sprüche nicht mehr hören!

Und er hörte sie auch nicht mehr. Balin war überglücklich, den Hobbit wiederzusehen. Er war ebenso erfreut wie überrascht. Er hob Bilbo hoch und trug ihn an die frische Luft. Es war Mitternacht, Wolken hatten die Sterne verdeckt, aber Bilbo lag da mit geschlossenen Augen, schwer atmend und glücklich, daß er die frische Luft wieder in seinen Lungen spüren konnte. Die Ausgelassenheit der Zwerge bemerkte er kaum, hörte nicht, wie sie ihn lobten, spürte nicht, wie sie ihm auf den Rücken klopften und sich und alle ihre Angehörigen auf Generationen hinaus in seinen Dienst stellten.

Noch immer reichten die Zwerge den Pokal einander zu und sprachen mit Begeisterung von ihrem wiedergewonnenen Schatz, als plötzlich ein schreckliches Gerumpel tief im Berg begann. Es war, als ob ein alter Vulkan sich besonnen hätte und einen neuen Ausbruch vorbereitete. Beinahe wäre das Tor hinter ihnen zugeschlagen; ein Stein auf der Schwelle verhinderte es. Aber den langen Tunnel herauf kam aus den fernsten Tiefen der fürchterliche Widerhall von Gebrüll und Getrampel, das den Boden unter ihnen erzittem ließ.

Da vergaßen die Zwerge augenblicks ihre Freude und ihre selbstzufriedene Prahlerei. Voll Angst hockten sie sich hin. Mit Smaug mußten sie eben doch noch rechnen. Es ist nicht gut, wenn man einen lebenden Drachen übersieht, noch dazu, wenn man gleich neben ihm lebt. Drachen können zwar keinen sinnvollen Gebrauch von ihrem Reichtum machen, aber in der Regel kennen sie ihren Besitz bis aufs Gramm, besonders, wenn sie sehr lang darauf gelegen haben. Und Smaug war keine Ausnahme. Aus einem ungemütlichen Traum (in dem ein kleiner, unbedeutender Krieger, der jedoch ein bitteres Schwert und ungewöhnlichen Mut zeigte, eine unerfreuliche Rolle spielte) war er in Halbschlaf hinübergewechselt und aus dem Halbschlaf nun erwacht. Es roch nach etwas Fremdem in der Halle. Ob es ein Luftzug war von dem kleinen Loch dort oben her? Er war nie ganz glücklich damit gewesen, obgleich es so unbedeutend aussah. Voll Mißtrauen schielte er hinauf und ärgerte sich, daß er es nie zugestopft hatte. Kürzlich war es ihm beinahe vorgekommen, als hätte er den schwachen Widerhall eines Klopfens vernommen, das von weit oben bis zu seinem Lager herabgedrungen war.

Smaug rührte sich und streckte seinen Hals vor, um zu schnuppern. Da vermißte er den Pokal! Diebe!

Feuer! Mord!

Seit er in den Berg gekommen war, hatte Smaug so etwas noch nicht erlebt. Seine Wut überschritt jede Beschreibung. Einer solchen Wut begegnet man nur, wenn reiche Leute, die mehr besitzen, als sie brauchen, etwas verlieren, das ihnen schon lange gehört hat, das sie aber niemals benutzt oder sich überhaupt nur gewünscht haben. Er spie Feuer, die Halle rauchte, er rüttelte an den Festen des Berges. Vergebens warf er seinen Schädel gegen das kleine Loch. Dann rollte er seine ganze Länge zusammen, brüllte wie unterirdischer Donner und raste von seinem tiefen Lager durch das große Tor hinaus in die gewaltigen Gänge des Bergpalastes und hinauf zum Hauptausgang.

Den ganzen Berg abzujagen, bis er den Dieb gefaßt, zertreten und zertrampelt hatte, war sein einziger Gedanke. Er stürzte aus dem Tor. Das Wasser stieg als wütender, pfeifender Dampf auf. Und dann rauschte der glühende Smaug hoch in die Luft und ließ sich in einem Feuerball von grünen und scharlachroten Flammen auf dem Berggipfel nieder. Die Zwerge hörten das schreckliche Rauschen seiner Schwingen. Sie preßten sich gegen die Wände ihrer kleinen Grasterrasse und krochen unter Steine. So hofften sie den furchtbaren Augen des jagenden Drachen zu entgehen.

Hier wären sie alle umgekommen, wenn sie ihren Bilbo nicht gehabt hätten. »Rasch, rasch«, schnaufte er. »Die Tür Der Tunnel! Hier dürfen wir auf keinen Fall bleiben!«

Durch diese Worte zur Besinnung gebracht, waren sie kaum dabei, in den Gang zu entwischen, als Bifur einen Schrei ausstieß: »Meine Vettern! Bombur und Bofur – wir haben sie vergessen, sie sind noch unten im Tal!«

»Sie werden erschlagen werden und unsere Ponys auch, und all unsere Vorräte sind verloren!« stöhnten die anderen. »Und wir können nichts daran ändern!«

»Unsinn!« sagte Thorin, der seine Würde wieder gewann.

»Wir können sie nicht im Stich lassen. Geht hinein, Mister Beutlin und Balin, Ihr auch, und ihr beiden, Fili und Kili – der Drache soll uns nicht alle haben. Jetzt, ihr anderen, wo sind die Taue? Rasch!«

Dies waren wahrscheinlich die schlimmsten Augenblicke, die sie bis jetzt durchzustehen hatten. Das schreckliche Fauchen des zornigen Smaug hallte droben von den Felswänden wider. In jedem Augenblick konnte er wie ein glühender Strom herunterschießen oder durch die Luft wirbeln und entdecken, wie sie am gefährlichen Steilabfall wie die Irren an den Tauen zogen.

Bofur kam glücklich herauf, und es blieb alles ruhig. Dann kam Bombur schnaufend und japsend hinterher. Die Taue krachten. Aber noch immer blieb alles ruhig. Hierauf folgten Handwerkszeug und Verpflegungsbündel. Und dann brach die Gefahr über sie herein.

Ein schwirrendes Geräusch kam aus der Luft. Rote Lichter tanzten auf den Spitzen der Felsgrate. Der Drache brauste heran.

Kaum hatten sie Zeit, in den Gang zu flüchten und ihre Bündel hineinzuschleppen, als Smaug aus dem Norden heranschoß. Seine Flammen fegten über die Berghänge. Seine mächtigen Schwingen brausten wie brüllender Sturm. Sein heißer Atem verbrannte das Gras vor dem Tor, drang durch den Spalt, den sie offengelassen hatten, und versengte die im Verborgenen Liegenden. Draußen flackerte Feuer, und schwarze Felsschatten tanzten einen wirren Tanz. Dann brach wieder Finsternis herein, als der Drache sich davonmachte. Die Ponys schrien vor Entsetzen, zerrissen die Seile und galoppierten davon. Da schoß der Drache hinab, verfolgte sie und war verschwunden.

»Das ist das Ende unserer armen Tiere«, sagte Thorin.

»Nichts, was Smaug einmal gesehen hat, entkommt ihm. Hier sind wir, und hier werden wir bleiben müssen; es sei denn, jemand kommt auf den Gedanken und wandert unter Smaugs Augen die langen Meilen offenen Landes zum Fluß zurück.«