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Das war kein angenehmer Gedanke. Sie krochen ein bißchen tiefer in den Gang hinein. Da lagen sie nun und klapperten mit den Zähnen, obgleich es warm und stickig war, bis die Dämmerung durch den Türspalt schimmerte. Dann und wann in der Nacht konnten sie das Gebrüll des fliegenden Drachen hören, der immer noch um die Bergflanken jagte. Manchmal wuchs es an, dann erstarb es wieder.

Die Ponys und die Lagerspuren, die er entdeckt hatte, brachten ihn darauf, daß Menschen stromauf vom See gekommen waren und den Berg von jenem Tal aus erstiegen hatten, wo er die Ponys angepflockt fand. Aber die Tür entzog sich seinen spähenden Augen, und der kleine, hochwandige Kessel hielt die schlimmsten Flammen ab. Lange hatte er vergebens gejagt, bis der Tau seinen Zorn kühlte und er zu seinem goldenen Lager zurückkehrte, um zu schlafen und neue Kräfte zu sammeln. Den Diebstahl aber würde er nie vergessen, nie vergeben, selbst wenn ein Jahrtausend ihn in einen still schwelenden Fels verwandeln sollte. Smaug konnte warten. Still und schweigsam kroch er in seine Höhle und schloß die Augen nur halb.

Als der Morgen kam, löste sich der Schrecken der Zwerge ein wenig. Sie sahen ein, daß Gefahren dieser Art schlechterdings unvermeidlich waren, wenn man es mit einem solchen Wächter zu tun hatte, und daß es nicht gut wäre, gerade jetzt die Unternehmung abzublasen. Auch konnten sie gar nicht aus der Falle heraus, wie Thorin schon angedeutet hatte. Ihre Ponys waren davongelaufen oder getötet, und sie hätten schon eine ganze Weile warten müssen, bis Smaugs Wachsamkeit wieder so weit eingeschläfert war, daß sie den langen Weg zu Fuß wagen durften. Glücklicherweise hatten sie von den Vorräten so viel gerettet, daß es für eine Weile reichte.

Sie stritten lange darüber, was jetzt getan werden sollte. Jedoch es fiel ihnen nichts, aber auch gar nichts ein, wie sie Smaug loswerden konnten. Nun, das war ja schon immer der weiche Punkt in ihren Plänen gewesen. Bilbo fühlte sich veranlaßt, dies zu bemerken. Aber wie es in der Natur von Leuten liegt, die ganz und gar verwirrt sind, so fingen sie jetzt an, gegen den Hobbit zu murren. Ja, sie beschimpften ihn für das, was ihnen erst so sehr gefallen hatte. Bilbo, der den Pokal gestohlen hatte, war jetzt schuld, daß Smaugs Zorn so früh entflammt war.

»Was soll ein Meisterdieb denn anderes tun?« fragte Bilbo ärgerlich. »Ich wurde nicht angestellt, um Drachen zu töten das ist Kriegshandwerk. Schätze sollte ich stehlen. Ich machte den besten Anfang, den ich machen konnte. Oder habt ihr erwartet, daß ich den ganzen Hort von Thror auf einmal auf dem Rücken herschleppe? Wenn hier jemand zu murren hat, so bin ich es. Ihr hättet fünfhundert Meisterdiebe mitbringen sollen und nicht bloß einen. Es wirft bestimmt ein gutes Licht auf euren Großvater, aber ihr könnt nicht behaupten, daß ihr mir jemals das Riesenausmaß seines Reichtums klargemacht habt. Ich müßte Hunderte von Jahren schleppen, um alles heraufzuholen – falls ich fünfzigmal so groß und Smaug so zahm wie ein Kaninchen wäre.«

Hierauf baten die Zwerge natürlich um Verzeihung. »Was aber schlagt Ihr vor, Mister Beutlin?« fragte Thorin höflich.

»Ich habe im Augenblick keine Idee – falls es Euch um den Abtransport des Schatzes zu tun ist. Das hängt offensichtlich ganz davon ab, ob das Glück sich noch einmal wendet und wir Smaug loswerden können. Mit Drachen fertig zu werden liegt ganz und gar nicht in meiner Linie. Aber ich will mein Bestes tun und darüber nachdenken. Persönlich, das muß ich sagen, habe ich keine Hoffnung, und ich wünschte bloß, ich wäre glücklich wieder zu Hause.«

»Das spielt im Augenblick keine Rolle. Was soll jetzt geschehen, heute?«

»Schön, wenn Ihr wirklich meinen Rat haben wollt, so meine ich, daß wir nichts anderes tun können, als da zu bleiben, wo wir sind. Am Tage können wir bestimmt ohne große Gefahr hinauskriechen und Luft schöpfen. Vielleicht brauchen wir nicht allzulang zu warten und können einen oder zwei zurück zum Lager am Fluß schicken, damit unsere Vorräte ergänzt werden. Aber in der Zwischenzeit sollte nachts jeder schön brav im Tunnel sein.

Und jetzt will ich Euch ein Angebot machen. Ich nehme meinen Ring und schleiche heute mittag hinunter. Denn wenn überhaupt, dann macht Smaug heute mittag ein Nickerchen. Und dann werde ich ja sehen, was mit ihm los ist. Vielleicht kommt etwas dabei heraus. Jeder Wurm hat seine weiche Stelle, pflegte mein Vater zu sagen, obgleich ich glaube, daß sich dieser Spruch nicht auf persönliche Erfahrung gründete.« Natürlich nahmen die Zwerge das Angebot sehr gern an.

Lange schon war der kleine Bilbo in ihrer Hochachtung gestiegen, ja, jetzt war er der wahre Führer ihrer Unternehmung. Er hatte eigene Pläne und eigene Gedanken.

Als es Mittag wurde, war Bilbo bereit zu einer neuen Expedition hinab in den Berg. Gewiß, gern tat er es nicht, aber da er mehr oder weniger wußte, was auf ihn wartete, war es nicht mehr ganz so schlimm. Hätte er mehr von Drachen und ihrer Verschlagenheit gewußt, so wäre er furchtsamer gewesen und hätte kaum gehofft, daß er Smaug beim Mittagsschlaf antreffen könnte.

Die Sonne schien, als er losging, aber im Gang herrschte finstere Nacht. Das Licht der fast geschlossenen Tür verblaßte rasch, als Bilbo hinunterstieg. So lautlos waren seine Bewegungen, daß ein sanfter Windhauch kaum weniger Geräusch verursachen konnte. Und deshalb war er ganz schön stolz auf sich, als er sich der unteren Tür näherte. Nur das allerschwächste Glimmen war zu sehen.

Der alte Smaug ist abgekämpft und eingeschlafen, dachte er. Er kann mich nicht sehen, und gehört dürfte er mich auch nicht haben. Nur Mut, Bilbo! Aber entweder hatte er vergessen, oder er hatte nie davon gehört, daß Drachen eine vorzügliche Witterung besitzen. Auch ist es seltsam, aber sie können im Schlaf ein halbes Auge zur Wache offenhalten, falls sie Verdacht hegen.

Smaug sah jedenfalls fest eingeschlafen aus, nahezu tot und dunkel. Kaum einen Schnaufer, der mehr war als ein Hauch unsichtbaren Dampfes, gab er von sich, als Bilbo abermals durch. den Eingang spähte. Der Hobbit wollte gerade in die Halle treten, als er plötzlich einen dünnen, durchdringend roten Strahl unter dem hängenden Lid von Smaugs linkem Auge gewahrte. Smaug tat nur so, als ob er schliefe! Er bewachte den Tunneleingang! Hastig flüchtete Bilbo zurück und pries seinen Ring.

Dann sprach Smaug: »Dieb! Ich rieche dich, ich spüre deinen Luftzug. Ich höre deinen Atem. Komm!

Bediene dich, hier ist genug!«

Aber so unerfahren war Bilbo nicht in der Drachenkunde, daß er diese Einladung für bare Münze hielt.

Und wenn Smaug hoffte, ihn auf diese Weise zum Näherkommen zu bewegen, so wurde er enttäuscht. »Nein, vielen Dank, o Smaug, du Fürchterlicher!« erwiderte er. »Ich wollte keine Geschenke von dir haben. Ich wollte dich nur anschauen und sehen, ob du wirklich so groß bist, wie die Geschichten erzählen. Ich glaubte nämlich nicht daran.«

»Glaubst du es jetzt?« fragte der Drache und war ein wenig geschmeichelt, obgleich er kein einziges Wort Bilbos für wahr hielt.

»In der Tat, Lieder und Sagen kommen überhaupt nicht an die Wirklichkeit heran, o Smaug, du größtes und schrecklichstes aller Unglücke«, erwiderte Bilbo.

»Für einen Dieb und Lügner hast du hübsche Umgangsformen«, sagte der Drache. »Mein Name scheint dir wohlvertraut zu sein. Aber ich kann mich nicht erinnern, daß ich dich zuvor schon einmal gerochen hätte. Wer bist du, und woher kommst du, wenn ich fragen darf?«

»Du darfst gern fragen! Ich komme unten vom Berg und unter den Bergen her. Und über die Berge ging es auch. Und durch die Luft. Ich bin derjenige, der unsichtbar kommt.«

»Das glaube ich gern«, sagte Smaug. »Aber das ist gewiß nicht dein gewöhnlicher Name.«

»Ich bin der Spurfinder, der Netzschlitzer, die stechende Fliege. Ich wurde wegen der Glückszahl genommen.«

»Wunderschöne Titel«, hohnlächelte der Drache. »Aber Glückszahlen treffen nicht immer.«