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»Ich bin derjenige, der seine Freunde lebendig einsargt, sie ertränkt und dann doch wieder lebendig aus dem Wasser zieht. Ich kam aus dem Ende eines Beutels, aber über mich kam kein Beutel.«

»Das klingt nicht sehr glaubwürdig«, schnaufte Smaug.

»Ich bin der Freund von Bären und der Gast von Adlern. Ich bin ein Ringfinder und Glücksträger. Und ein Faßreiter bin ich auch«, fuhr Bilbo fort, denn er hatte Spaß an der Rätselei gefunden.

»Das ist schon besser«, sagte Smaug. »Aber laß deine Phantasie nicht mit dir durchgehen!«

Dies ist sicher die richtige Art, mit Drachen zu reden, wenn man seinen eigentlichen Namen nicht verraten will (was sehr klug ist) und durch glattes Verweigern sie nicht schrecklich erzürnen möchte (was sehr unklug wäre). Kein Drache kann dem Zauber einer Rätselsprache widerstehen. Es macht ihm auch nichts aus, wenn er mit den Versuchen, sie zu lösen, Zeit vergeudet. Es gab eine Menge Nüsse für Smaug zu knacken, und Smaug verstand kein Wort (obgleich ihr wahrscheinlich mehr versteht, denn ihr kennt ja die Abenteuer, auf die Bilbo mit diesen Rätseln anspielte). Aber Smaug glaubte, er verstünde genug, und er lachte tief in sein verschlagenes Innere hinein.

Ich dachte es mir schon heute nacht, sagte er höhnisch zu sich selbst. Seemenschen, irgendein Plan dieser elenden, mit Fässern handelnden Seemenschen, oder ich will eine Eidechse sein. Ich bin seit langer, langer Zeit nicht mehr da unten gewesen. Aber das werde ich bald ändern.

»Sehr gut, o Faßreiter«, sagte er laut. »Vielleicht war Faß der Name deines Ponys. Vielleicht auch nicht, obgleich es fett genug war. Du kannst meinetwegen unsichtbar sein – aber gegangen bist du nicht den ganzen Weg. Laß dir erzählen, daß ich heute nacht sechs Ponys gefressen habe. Und die anderen werde ich auch bald fangen und fressen. Als Anerkennung für dieses vorzügliche Frühstück will ich dir zu deinem Besten einen guten Rat geben: Laß dich, soweit du es vermeiden kannst, nicht mit Zwergen ein!«

»Zwerge?« fragte Bilbo und spielte den überraschten.

»Mach mir nichts vor!« antwortete Smaug. »Ich kenne den Geruch (und den Geschmack) von Zwergen. Nichts kenne ich besser als gerade den. Erzähl mir nicht, daß ich ein von Zwergen gerittenes Pony verspeise und es nicht merke! Du wirst ein übles Ende nehmen, wenn du dich mit solchen Freunden abgibst, Dieb Faßreiter. Mir macht es nichts aus, du kannst umkehren und es ihnen gern erzählen.« Aber er sagte Bilbo nicht, daß ihm da ein weiterer Geruch in der Nase stak, den er ganz und gar nicht herausfinden konnte, den Geruch des Hobbits nämlich. Mit dem hatte er keine Erfahrung, und das verwirrte ihn mächtig.

»Vermutlich bekamst du einen anständigen Lohn für den Pokal, letzte Nacht?« fuhr er fort. »Sag’ schon, stimmt es? überhaupt nichts! Das sieht ihnen ähnlich. Und wetten, daß sie draußen herumliegen, während du die gefährliche Arbeit verrichten darfst! Du darfst für sie holen, was du ergattern kannst, wenn ich nicht aufpasse – und das für die da draußen? Und du sollst einen anständigen Anteil erhalten? Glaub es nicht. Wenn du lebend davonkommst, kannst du froh sein.«

Bilbo wurde es allmählich ungemütlich. Jedesmal, wenn Smaugs umherschweifendes Auge, das im Schatten nach ihm suchte, über ihn hinwegblitzte, zitterte er. Ein unerklärliches Verlangen ergriff ihn, herauszukommen, sich zu zeigen und Smaug die Wahrheit zu sagen. Er war in der Tat in ernster Gefahr, dem Drachenzauber zu erliegen. Aber er nahm seinen Mut abermals zusammen und sagte: »Du weißt nicht alles, o Smaug, du Mächtiger! Nicht allein das Gold brachte uns hierher.«

»Ha! Ho! Du gibst das ›uns‹ zu!« lachte Smaug. »Warum sagst du nicht gleich ›uns vierzehn‹ und gibst zu, was ich sage, Mister Glückszahl? Ich freue mich zu hören, daß ihr außer dem Gold noch andere Geschäfte hier zu erledigen habt. In diesem Fall wäre es vielleicht nützlich, hier nicht allzuviel Zeit zu verschwenden! Ich weiß nicht, ob es dir klar geworden ist? Selbst wenn du das Gold Stück um Stück stehlen könntest, was vielleicht hundert Jahre dauern würde –, dann kannst du es gewiß nicht weit schleppen. Was willst du im Gebirge damit? Was willst du im Wald damit? Donner und Blitz! Hast du niemals an die Beute gedacht? Den vierzehnten Teil, vermute ich – so oder so ähnlich, das war doch die Abmachung, nicht wahr? Aber wie steht es mit der Ablieferung, wie mit dem Transport? Wie mit bewaffneten Wachen und Zoll?« Laut lachte Smaug. Er hatte ein hinterhältiges, verschlagenes Herz. Auch wußte er, daß seine Vermutungen nicht weit von der Wirklichkeit entfernt waren. Aber er glaubte, daß die Menschen vom See mit im Spiel waren und daß der größte Teil des Raubes in jener Stadt am Ufer bleiben sollte, die in seinen jungen Tagen einmal Esgaroth geheißen hatte.

Ihr werdet es vielleicht nicht glauben wollen, aber der arme Bilbo war überrumpelt. Bisher hatte er all seine Gedanken und Kräfte darauf gerichtet, zum Berg zu kommen und den Eingang zu finden. Nie hatte er sich den Kopf darüber zerbrochen, wie man den Schatz fortbringen könnte, und gewiß nicht, wie sein eigener Anteil bis nach Beutelsend unterm Berg geschafft werden sollte.

Ein scheußlicher Verdacht wuchs in ihm auf Hatten auch die Zwerge diesen wichtigen Punkt vergessen, oder lachten sie sich schon die ganze Zeit über ins Fäustchen? Das ist die Wirkung, die Drachenzauber auf den Unerfahrenen hat. Bilbo hätte auf der Hut sein sollen – aber Smaug war eine überwältigende Persönlichkeit.

»Ich will dir etwas verraten«, sagte Bilbo und mußte sich anstrengen, seinen Freunden treu zu bleiben und den Mut zu behalten. »Das Gold war bloß ein Hintergedanke. Wir kamen über den Berg hinweg und unter dem Berg hindurch, auf Wellen und mit dem Wind – aus Rache. Sicher, o Smaug, du unendlich Reicher, du mußt begreifen, daß dein Erfolg dir erbitterte Feinde gemacht hat!«

Jetzt mußte Smaug schrecklich lachen – ein verheerendes Lachen, das Bilbo einfach auf den Boden warf, während hoch droben im Gang die Zwerge zusammenkrochen und sich nichts anderes vorstellen konnten, als daß es mit dem Hobbit ein plötzliches und scheußliches Ende genommen hätte.

»Rache!« schnaufte er, und das Aufglühen seiner Augen erhellte die Halle vom Boden bis zur Decke mit Scharlachblitzen.

»Rache! Der König unter dem Berg ist tot, und wo sind seine Nachkommen, die ihn zu rächen wagen?

Girion, Fürst auf Dal, ist tot. Und wie ein Wolf unter den Schafen habe ich sein Volk gefressen. Wo sind seine Enkelsöhne, die es wagen, mir zu nahen? Ich töte, wen und wo und wann ich will, und keiner kann mir widerstehen. Ich brachte die alten Krieger um, und solche Krieger gibt es heute in der Welt nicht mehr. Und damals war ich noch jung und zart. Jetzt aber bin ich alt und stark, stark, stark, Dieb dort im Schatten!« Er glotzte zu Bilbo hinüber. »Meine Rüstung ist ein zehnfacher Schild, meine Zähne sind Schwerter, meine Klauen Speere, das Aufschlagen meines Schwanzes ist ein Donnerkeil, meine Schwingen sind Wirbelstürme, und mein Atem bringt den Tod!«

»Ich habe immer geglaubt«, sagte Bilbo mit furchtsamem Räuspern, »daß Drachen unterwärts etwas empfindlicher sind, besonders in der Gegend der, hm, Brust, sagen wir mal. Aber zweifellos, ein so gerüsteter gewaltiger Drache hat daran gedacht.«

Smaug hielt kurz in seiner Prahlerei inne. »Eure Kenntnisse sind veraltet«, schnappte er. »Unten wie oben bin ich mit Eisenschuppen und steinharten Gemmen ausgerüstet. Keine Klinge dringt jemals hindurch.«

»Ich hätte es mir denken können«, sagte Bilbo. »Wirklich, nirgendwo ist einer, der dir das Wasser reichen könnte, o Fürst Smaug, du Undurchdringlicher. Welch eine Herrlichkeit, eine Weste aus feinsten Diamanten zu besitzen!«

»Ja, in der Tat, das ist selten und wundervoll«, erwiderte Smaug, der sich ungewöhnlich geschmeichelt fühlte. Er wußte nicht, daß der Hobbit bei seinem ersten Besuch schon einen Blick auf seine eigentümliche Unterbekleidung geworfen hatte und daß es ihn aus ganz besonderen Gründen gelüstete, noch einmal genauer nachzuschauen. Der Drache rollte sich herum. »Schau«, sagte er.