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»Du lieber Himmel!« stöhnte der Hobbit. »Noch mehr klettern und noch mehr laufen und alles ohne Frühstück. Ich möchte bloß wissen, wieviel Frühstücke und andere Mahlzeiten wir in diesem finsteren Fluren – und zeitlosen Loch übergangen haben!«

Genau gesagt, waren zwei Nächte und ein Tag verstrichen, seit der Drache die verwunschene Tür zerschmettert hatte. Aber Bilbo hatte die Zeitrechnung ganz und gar verloren. Ob es nun eine Nacht oder eine ganze Woche Nacht gewesen war – für Bilbo blieb es das gleiche.

»Kommt«, sagte Thorin und lachte. Seine Lebensgeister waren wieder erwacht, und er klimperte vergnügt mit den Juwelen in der Tasche. »Nennt meinen Palast nicht ein finsteres Loch! Wartet bloß, bis er sauber gefegt und neu tapeziert ist!«

»Das wird gewiß nicht vor Smaugs Tod sein«, sagte Bilbo düster. »Inzwischen – wo mag er stecken?

Ich gäbe ein gutes Frühstück dafür, wenn ich es wüßte. Hoffentlich hockt er nicht oben auf dem Gipfel und glotzt auf uns herunter!«

Dieser Gedanke störte die Zwerge sehr, und sie sahen schnell ein, daß Bilbo und Balin recht hatten.

»Wir müssen weg von hier«, sagte Dori. »Mir kommt es vor, als bohrten sich Smaugs Blicke in meinen Rücken.«

»Ein kalter, einsamer Platz«, bemerkte Bombur. »Zu trinken gibt es vielleicht etwas, aber zu essen keine Spur. Eine solche Gegend macht auch einen Drachen hungrig.«

»Kommt, los«, riefen die andern. »Wir wollen Balins Pfad nehmen!«

So stolperten sie zwischen den Blöcken am linken Flußufer weiter – rechter Hand war die Felsmauer pfadlos –, und die Leere und Verwüstung ernüchterten sogar Thorin wieder. Die Brücke, von der Balin gesprochen hatte, fanden sie längst verfallen, und die meisten Brückensteine lagen als glattgeschliffene Blöcke im seichten, brausenden Fluß. Aber ohne große Schwierigkeit konnten sie das Wasser durchwaten. Sie fanden die alten Felsstufen und erkletterten das hohe jenseitige Ufer.

Nachdem sie ein kurzes Stück gegangen waren, stießen sie auf den alten Weg und erreichten bald einen tiefen, von Felsen geschützten Einschnitt. Da rasteten sie und hatten endlich ihr Frühstück – so gut das ging, hauptsächlich Cram und Wasser. (Wenn ihr nicht wißt, was Cram ist, so kann ich nur sagen, daß ich das Rezept zwar ebenfalls nicht kenne, aber es ist etwas Zwiebackähnliches. Es hält sich unendlich lange frisch, schmeckt nach nichts, soll sehr kräftigend sein, ist aber gewiß nichts Aufregendes. Im Gegenteil, es ist eigentlich zu nichts anderem nütze als zur übung der Kauwerkzeuge.

Die Menschen vom See stellten es für lange Reisen her.) Danach ging es weiter. Der Weg wandte sich westwärts, verließ den Fluß, und die breite Schulter des nach Süden weisenden Bergvorsprungs rückte immer näher. Endlich erreichten sie den Bergpfad. Er kletterte steil aufwärts. Einer trabte langsam hinter dem andern, bis sie schließlich am späten Nachmittag den Grat erreichten und die winterliche Sonne im Westen untergehen sahen.

Sie entdeckten eine flache Stelle, offen nach drei Seiten. Aber im Norden wurde sie durch eine Felsmauer geschützt, in der sich eine türähnliche Öffnung befand. Von dieser Tür aus hatte man einen weiten Rundblick nach Osten, Süden und Westen.

»Hier«, sagte Balin, »hielten sich in alten Tagen unsre Wachposten auf. Die Tür dort hinten führt in eine aus dem Felsen gehauene kleine Halle, die als Wachraum diente. Es gab mehrere solche Plätze rund um den Berg. Aber in jenen Tagen des Glücks schien Wachsamkeit verlorene Mühe zu sein. Die Posten wurden bequem. Sonst wären wir vielleicht früher vor dem Drachen gewarnt worden, und alles wäre anders gelaufen. Immerhin, hier sind wir für eine Weile in guter Deckung; wir sehen viel und werden selbst nicht gesehen.«

»Das nutzt nichts, wenn man beobachtet hat, wie wir hergekommen sind«, bemerkte Dori, der immer hinauf zum Berggipfel schielte, als ob er Smaug dort oben wie einen Hahn auf der Kirchturmspitze vermutete.

»Wir müssen unser Glück versuchen«, entgegnete Thorin.

»Heute können wir sowieso nicht weiter.«

»Hört! Hört!« schrie Bilbo und warf sich auf den Boden. In der Wachhalle gab es Platz für hundert.

Dahinter lag noch eine andere, kleinere Kammer (weiter fort von der kalten Außenseite). Sie war völlig verlassen. Selbst wilde Tiere hatten sie, seit Smaug gekommen war, nicht mehr benutzt. Hier setzten sie ihr Gepäck ab. Einige warfen sich hin und schliefen sogleich ein, aber die andern kauerten sich in der Nähe der Außentür nieder und berieten ihre Pläne. In all ihren Gesprächen kamen sie jedoch immer wieder auf die eine Frage zurück: Wo war Smaug? Sie schauten nach Westen, und dort war kein Zeichen von ihm zu entdecken; im Osten keines, im Süden keines – aber im Süden sammelte sich eine große Schar Vögel.

Die Zwerge starrten auf sie hin und wunderten sich. Aber als die ersten kalten Sterne heraufzogen, hatten sie den Grund für diese Versammlung noch immer nicht verstanden.

14

Feuer und Wasser

Wenn ihr, wie die Zwerge, etwas über Smaug erfahren wollt, so müssen wir zu jenem Abend zurückkehren, als er die Tür zerschmetterte und in rasender Wut davonflog.

Die meisten Menschen der Seestadt Esgaroth waren in ihren Häusern, denn der Wind wehte kalt aus Osten, und sie froren. Aber einige wenige gingen über die Kais und beobachteten, wie sie es gern taten, auf den glatten Flächen des Sees das Licht der Sterne, wenn sie am Himmel aufleuchteten. Von der Stadt aus verdeckte die Silhouette jener niedrigen Vorberge am anderen Ende des Sees, durch die das Eilige Wasser sich von Norden her einen Weg bahnte, nahezu den ganzen Einsamen Berg. Nur den hohen Gipfel konnte man bei klarem Wetter erkennen. Selten nur schauten die Menschen dorthin, denn dieser Gipfel war selbst im Morgenlicht ein unheimlicher Anblick. Nun aber war er in der Finsternis der Nacht gänzlich verschwunden.

Plötzlich leuchtete der Gipfel dennoch auf Ein flüchtiges Glühen überzog ihn und erlosch wieder.

»Schaut«, sagte einer. »Schaut die Lichter dort wieder. Vergangene Nacht, behaupteten die Wächter, waren sie ebenfalls von Mitternacht bis zur Frühdämmerung zu sehen. Irgend etwas geht dort vor.«

»Vielleicht schmiedet der König unter dem Berg sein Gold«, bemerkte ein anderer. »Lang her, daß er nach Norden zog. Es wird Zeit, daß die alten Lieder wahr werden.«

»Von welchem König redet ihr?« fragte ein dritter mit grimmiger Stimme. »Viel wahrscheinlicher ist, daß das verheerende Feuer vom Drachen stammt, vom einzigen König unterm Berg, den wir je gekannt haben.«

»Geht, Ihr prophezeit immer nur schwarzes Unglück«, erwiderten die anderen. »Alles mögliche, von Überschwemmungen angefangen bis zu vergifteten Fischen. Denkt Euch einmal etwas Hübscheres aus.«

Da leuchtete plötzlich in den Vorbergen ein helles Licht auf, und das Nordende des Sees begann wie schieres Gold zu glühen. »Der König unter dem Berg!« schrien sie. »Sein Kronschatz schimmert sonnengleich, sein Gold trägt jeder Fluß ins Reich. Das Eilige Wasser, seht nur, trägt lauteres Gold aus dem Berg!« riefen sie. überall öffneten sich Fenster. Eilige Füße rannten über Treppen und durch Gänge.

Ein gewaltiger Begeisterungssturm erhob sich. Aber der Mann mit der grimmigen Stimme rannte zum Meister. »Der Drache kommt«, schrie er, »oder ich will ein Narr sein. Reißt die Brücke ab! Zu den Waffen, zu den Waffen!«

Plötzlich erklangen warnende Trompeten. Lang hallte das Echo von den Felsküsten zurück. Die Hochrufe brachen ab, die Freude verwandelte sich in Schrecken. Und so geschah es, daß der Drache die Menschen nicht ganz unvorbereitet traf.

Seine Fluggeschwindigkeit war nicht gering, und es dauerte nicht lange, bis sie ihn wie einen Feuerfunken herankommen sahen. Immer gewaltiger, blendend heller wurde der Drache, und die klugen Leute sahen nun ein, daß die Prophezeiungen sich leider ins Gegenteil verkehrten. Noch blieb ihnen ein wenig Zeit. Jedes Gefäß in der Stadt wurde mit Wasser gefüllt. Jeder Krieger war in Waffen, jeder Bolzen und jeder Pfeil lag griffbereit. Die Brücke zum Ufer wurde abgerissen und zerstört, ehe das schreckliche Getöse des nahenden Drachen lauter wurde und der See sich unter dem schaurigen Flügelschlag feuerrot kräuselte.