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Und was in den zwergischen Herzen vorgeht, blieb ihm immer ein Rätsel.

Viele Stunden hatte Thorin bei diesem Schatz verbracht. Tief hatte sich die Begierde in ihm festgefressen. Obgleich er hauptsächlich nach dem Arkenjuwel gefahndet hatte, war er doch von mancher anderen Herrlichkeit, die dort umherlag, gewaltig angezogen worden. Es waren Kleinodien, mit denen sich viele alte Erinnerungen an Sorge und Arbeit verbanden.

»Ihr setzt Eure anfechtbarste Forderung an die letzte und wichtigste Stelle«, antwortete Thorin. »Kein Mensch hat Anspruch auf den Schatz meines Volkes, weil Smaug, der ihn stahl, ihm Haus und Leben raubte. Der Schatz gehört nicht ihm. Also können auch Smaugs Untaten nicht damit bezahlt werden.

Güter und Hilfe, die wir den Menschen vom See verdanken, werden wir anständig bezahlen – in angemessener Frist. Aber nichts geben wir unter Druck und Gewalt her, nicht einen roten Heller.

Solange ein bewaffnetes Heer vor unserer Tür liegt, betrachten wir es als einen hergelaufenen Haufen von Räubern und Strauchdieben. Ich möchte bloß wissen, welches Erbteil Ihr unserer Verwandtschaft zuerkannt hättet, wenn Ihr den Schatz unbewacht und uns erschlagen gefunden hättet.«

»Die Frage ist berechtigt«, antwortete Bard. »Doch Ihr seid nicht tot, und wir sind keine Räuber. Mehr noch, der Reiche soll über alle Rechtsansprüche hinweg mit dem Bedürftigen Mitleid haben, der sich seiner annahm, als er selbst bedürftig war. Außerdem sind meine anderen Ansprüche unbeantwortet geblieben.«

»Wie ich schon sagte: Mit bewaffneten Menschen, die vor meinem Tor liegen, verhandle ich nicht. Und mit dem Volk des Elbenkönigs, den ich in wenig guter Erinnerung habe, schon gar nicht. In dieser Auseinandersetzung ist kein Platz für sie! Packt Euch jetzt, ehe die Pfeile schwirren! Wenn Ihr noch einmal mit mir reden wollt, so schickt zuerst das Elbenheer heim in die Wälder, wohin es gehört! Und dann kehrt zurück und legt Eure Waffen nieder, wenn Ihr der Torschwelle naht!«

»Der Elbenkönig ist mein Freund. Er hat dem Volk am See in seiner Not beigestanden, und das, ohne daß es einen Anspruch hatte, einzig aus freundnachbarlicher Hilfe«, antwortete Bard. »Wir geben Euch Zeit, Eure Worte zu bereuen. Nehmt Euren Verstand zusammen, ehe wir wiederkehren!« Dann gingen sie ins Lager zurück.

Noch ehe einige Stunden verflossen waren, kamen die Bannerträger zurück. Trompeter traten vor und bliesen ein Signal.

»Im Namen von Esgaroth und im Namen des Waldes«, rief einer, »wir sprechen zu Thorin, Thrains Sohn Eichenschild, der sich selbst König unter dem Berg nennt. Wir fordern ihn auf, die vorgetragenen Ansprüche anzuerkennen. Sonst sei er zum Feinde erklärt. Als mindestes soll er ein Zwölftel des Schatzes an Bard, den Drachentöter und rechtmäßigen Erben von Girion, ausliefern. Von seinem Teil wird Bard Hilfe an Esgaroth leisten. Aber wenn Thorin Freundschaft und Ansehen in den Ländern draußen genießen will, wie seine Vorväter es taten, dann mag er auch vom eigenen Teil beitragen zur Hilfe für die Menschen vom See.«

Da ergriff Thorin einen Hornbogen und schoß einen Pfeil auf den Sprecher. Er schlug in den Schild und blieb zitternd stecken.

»Wenn das Eure Antwort ist«, erwiderte der Sprecher, »so erkläre ich den Berg für belagert. Ihr sollt erst abziehen können, wenn Ihr selbst um Frieden und Unterhandlung bittet. Rechnet nicht mit bewaffneten Angriffen – wir liefern Euch Eurem Gold aus. Eßt es auf, wenn es Euch gefällt!«

Damit eilten die Botschafter rasch davon. Die Zwerge blieben zurück und waren sich selbst überlassen. So grimmig war Thorin geworden, daß keiner, selbst wenn er gewollt, es gewagt hätte, ihn zu tadeln. Aber in Wirklichkeit schienen die meisten Thorins Meinung sogar zu teilen ausgenommen vielleicht der alte, dicke Bombur und Fili und Kili. Bilbo mißbilligte natürlich den ganzen Verlauf der Angelegenheit. Er hatte mehr als genug vom Berg. Und drinnen belagert zu werden war ganz und gar nicht nach seinem Geschmack.

»Der ganze Ort stinkt noch immer nach dem Drachen«, brummte er, »das macht mich krank. Und dieses Cramzeug bleibt mir einfach im Halse stecken.«

16

Ein Dieb in der Nacht

Elend langsam gingen die Tage vorüber. Die meisten Zwerge brachten ihre Zeit damit zu, den Schatz zu ordnen und aufzustapeln. Und jetzt sprach auch Thorin vom Arkenjuwel Thrains und bat sie eindringlich, in jeder Ecke nach ihm zu suchen.

»Denn der Arkenjuwel meines Vaters«, sagte er, »ist mehr wert als ein ganzer Fluß aus Gold, und für mich ist er überhaupt jenseits aller Werte. Diesen Stein erkläre ich als mein ausschließliches Eigentum, und ich werde mich an jedem rächen, der ihn findet und verbirgt.«

Bilbo hörte das und bekam es mit der Angst zu tun. Er überlegte, was wohl geschehen würde, wenn man den Arkenjuwel bei ihm fände – eingewickelt in ein Bündel alter Fetzen, die er als Kopfkissen benutzte. Trotzdem erwähnte er kein Wort, denn als das Elend dieser Tage immer größer wurde, begann ein Plan in ihm zu reifen.

Es änderte sich nichts. Die Zeit verging. Aber eines Tages brachten Raben die Nachricht, daß Dain mit mehr als fünf hundert Zwergen von den Eisenbergen herbeieilte und nur noch zwei Tagemärsche von Dal entfernt war. Sie rückten von Nordosten an.

»Unbemerkt werden sie den Berg nicht erreichen«, sage Roäc, »und ich fürchte, es wird im Tal zur Schlacht kommen. Eine Schlacht aber heiße ich nicht gut. Denn obgleich Dains Zwerge ein kampfgewohntes Volk sind, werden sie kaum in der Lage sein, das Heer, das Euch belagert, zu besiegen. Und selbst wenn es ihnen gelingt – was werdet Ihr dabei gewinnen? Winter und Schnee folgen Dain auf den Fersen. Wie wollt Ihr Lebensmittel ohne die Freundschaft und das Wohlwollen der Länder ringsum erhalten? Der Schatz wird dann wahrscheinlich Euer Tod sein, obgleich es keinen Drachen mehr gibt!«

Aber Thorin lenkte nicht ein. »Winter und Schnee werden auch den Menschen und Elben den Spaß verleiden«, sagte er.

»Und das Kampieren im verwüsteten Feld wird ihnen schwer zu schaffen machen. Mit meinen Freunden hinter ihnen und dem Winter über ihnen wird es sich leichter verhandeln lassen.«

In dieser Nacht raffte Bilbo sich auf. Der Himmel war schwarz und mondlos. Als es vollständig dunkel geworden war, begab er sich in eine Ecke der Halle gleich am Tor und zog aus seinem Bündel ein Seil hervor. Den Arkenjuwel wickelte er in einen Lappen. Dann kletterte er auf die Quadermauer. Nur Bombur stand oben, denn an ihm war die Reihe, zu wachen. Die Zwerge stellten immer nur einen Posten auf.

»Es ist mächtig kalt«, sagte Bombur. »Ich wünschte, wir hätten ein Feuer hier oben, wie sie es drunten im Lager haben.«

»Drinnen ist es warm genug«, erwiderte Bilbo.

»Das mag sein. Aber ich habe bis Mitternacht hier draußen auszuhalten, brummte der dicke Zwerg.

Kein schönes Geschäft. Nicht, daß ich so vermessen wäre, eine andere Meinung als Thorin zu haben möge sein Bart immer länger wachsen –, aber er hatte schon seit jeher einen verflucht steifen Nacken.«

»Nicht so steif wie meine Beine«, sagte Bilbo. »Ich bin hundemüde von diesen Treppen und Steingängen. Ich würde viel darum geben, wenn ich ein bißchen Gras an meinen Zehen spüren könnte.«

»Und ich würde viel darum geben, wenn ich einen kräftigen Schluck in meiner Kehle spüren und nach einem guten Abendbrot in einem weichen Bett liegen könnte.«

»Bedaure, ich kann es Euch nicht verschaffen, denn die Belagerung ist leider noch nicht aufgehoben.

Aber ich habe schon lange keine Wache mehr gehabt, und wenn Ihr wollt, übernehme ich Eure. Heut nacht kann ich sowieso keinen Schlaf finden.«

»Ihr seid ein guter Kerl, Mister Beutlin. Ich nehme Euer Angebot gerne an. Ist irgend etwas los, so weckt mich zuerst, denkt daran! Ich liege in der inneren Halle gleich links. Es ist nicht weit.«

»Geht nur«, sagte Bilbo. »Ich wecke Euch um Mitternacht,. und dann könnt Ihr den nächsten Posten wachrütteln.«