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Von weit her kamen Menschen auf Beorns Einladung zum Festschmaus. Die Zahl der Orks in den Nebelbergen war klein geworden. Noch saß ihnen der Schreck in den Gliedern, und sie hielten sich in den tiefsten Löchern verborgen. Die Warge aber waren aus den Wäldern verschwunden, so daß die Menschen ohne Furcht reisen konnten. Beorn wurde später ein großer Häuptling in diesen Gegenden und dem Wald. Es wird erzählt, daß viele Generationen lang die Menschen aus seinem Geschlecht Macht hatten, sich in Bären zu verwandeln. Einige waren grimmig und böse, aber die meisten waren in ihrem Herzen so wie Beorn, wenn auch weniger groß und stark. In ihren Tagen wurden die letzten Orks aus den Nebelbergen verjagt, und ein neuer Friede kam für die Einödgrenze.

Es wurde Frühling, ein heller, milder Frühling mit strahlenden Sonnentagen, ehe Bilbo und Gandalf schließlich von Beorn Abschied nahmen. Und obgleich Bilbo Heimweh hatte, ging er mit Bedauern, denn die Blumen in Beorns Garten waren im Frühling nicht weniger wunderbar als im hohen Sommer.

Kurz, sie machten sich auf den langen Weg und erreichten den Paß, wo die Orks sie gefangen hatten.

Aber sie kamen früh am Morgen dort oben an, und als sie zurückblickten, sahen sie strahlend hell die Sonne über den ausgedehnten Landschaften leuchten. Dort hinten lag der Nachtwald, blau in der großen Entfernung. Und selbst im Frühling sah sein näher gelegener Saum noch düster grün aus. Am Rande des Horizonts aber war der Einsame Berg zu erkennen. Auf seinem höchsten Gipfel schimmerte immer noch Schnee.

»So folgt Schnee auf Feuer, und selbst Drachen finden ihr Ende«, sagte Bilbo, und damit wandte er dem großen Abenteuer den Rücken. Die Tukseite in ihm wurde sehr müde, und die Beutlinseite nahm von Tag zu Tag an Stärke zu. »Ich habe jetzt nur noch den einzigen Wunsch, möglichst bald in meinem gemütlichen Armsessel zu sitzen!« sagte er.

19

Das letzte Kapitel

Gerade am 1. Mai kamen sie zurück an den Rand des Tales von Rivendell, wo das Haus an der Einödgrenze stand. Wieder war es Abend. Ihre Ponys waren müde, besonders das eine, das ihr Gepäck trug. Und jeder fühlte den Wunsch nach Rast und Ruhe. Als sie den steilen Pfad hinunterritten, hörte Bilbo die Elben wieder in den Bäumen singen, als ob sie seit ihrem Abschied nie aufgehört hätten. Und als die Reiter in die unteren Waldlichtungen kamen, begannen sie ein Lied, das ganz ähnlich ihrem Lied von damals war.

Dann kamen die Elben des Tales herbei, begrüßten sie und führten sie durch das Wasser zu Elronds Haus. Ein herzliches Willkommen wurde ihnen bereitet, und an diesem Abend hörten viele Ohren gespannt dem Bericht ihrer Abenteuer zu. Gandalf erzählte, denn Bilbo war still und schläfrig geworden. Das meiste kannte er ja, denn er war schließlich dabeigewesen. Aber ab und zu machte er ein Auge auf und hörte zu, wenn eine Geschichte an der Reihe war, die er noch nicht kannte.

Auf diese Weise erfuhr er, wo Gandalf gewesen war, denn er belauschte ein Gespräch zwischen dem Zauberer und Elrond. Daraus entnahm er, daß Gandalf einem großen Rat aller weisen Zauberer beigewohnt hatte, den Meistern der überlieferung und der guten Zauberkunst, und daß sie endlich den Geisterbeschwörer aus seiner finsteren Zwingburg südlich des Nachtwaldes vertrieben hatten.

»Nicht mehr lange«, bemerkte Gandalf, »und der Nachtwald wird bestimmt eine glücklichere Gegend werden. Der Norden ist von diesem Schrecken für lange Zeit befreit. Aber ich wünschte, er wäre aus der ganzen Welt verbannt.«

»Das wäre wirklich gut«, antwortete Elrond. »Doch ich fürchte, das wird nicht zu unserer Zeit geschehen, vielleicht auch für viele Jahre danach nicht.«

Als die Geschichten ihrer Reise erzählt waren, kamen andere Geschichten an die Reihe und abermals andere, Geschichten aus lang zurückliegender Zeit und auch neue Geschichten, ja sogar Geschichten aus überhaupt keiner Zeit, bis Bilbos Kopf auf die Brust sank und er bequem in einer Ecke zu schnarchen begann. Als er aufwachte, fand er sich in einem weißen Bett wieder.

Der Mond schien durch das offene Fenster, unter dem Elben laut und klar an den Ufern des Flusses sangen.

»Singt, Freunde, singt alle, fallt ein in die Weise, der Heidewind spielt um die Baumwipfel leise. Der Mond und die lauschenden Sterne verweilen über dem Ufer, den Eschen und Erlenzeilen.
Tanzt, Freunde, tanzt alle und schließet den Reigen, das Gras weht wie Samt, wie Wind in den Zweigen, der silberne Fluß trägt die Schatten der Weiden als feinstes Gespinst aus schimmernden Seiden.
Kein Leid mehr, kein Kummer, die Ängste vergangen, zu End das Lied, das wir Elben ihm sangen, Steig hinter die Hügel, schweigsamer Mond – schlaf, Ufergesträuch, schlaf, wer in Rivendell wohnt.«

»Gut, ihr fröhliches Volk«, sagte Bilbo und lehnte sich aus dem Fenster. »Welche Stunde zeigt der Mond eigentlich an? Euer Wiegenlied würde einen betrunkenen Ork aufwecken! Aber ich danke euch!«

»Und Euer Schnarchen einen versteinerten Drachen – aber wir danken Euch«, antworteten sie ihm mit Gelächter. »Es geht jetzt auf den Frühtau zu, und Ihr habt fest geschlafen seit Anbruch der Nacht.

Morgen vielleicht seid Ihr von Eurer Müdigkeit geheilt.«

»Ein kleiner Schlaf in Elronds Haus ist ein großartiges Heilmittel«, sagte Bilbo. »Aber ich will noch besser geheilt werden. Also auf ein zweites ›gute Nacht‹, liebe Freunde!« Und damit kroch er ins Bett zurück und schlief weit in den Morgen hinein.

Bald fiel in Elronds Haus alle Müdigkeit von ihm, und es gab früh und spät viel Spaß und Tanz mit den Elben des Tales. Aber selbst ein solches Haus konnte Bilbo nicht lange aufhalten, denn er dachte immerzu an sein eigenes Zuhause. Nach einer Woche sagte er Elrond Lebewohl, beschenkte ihn und ritt mit Gandalf davon.

Als sie das Tal verließen, verdunkelte sich der Himmel, Wind kam auf, und Regen schlug ihnen ins Gesicht.

»Der Mai ist eine lustige Zeit«, sagte Bilbo. »Aber mir scheint, wir haben ihn hinter uns und kommen nach Hause. Dies ist der erste Vorgeschmack.«

»Es ist noch ein langer Weg«, entgegnete Gandalf.

»Aber es ist der letzte«, sagte Bilbo.

Sie kamen an den Fluß, der die eigentliche Grenze der wilden Einöde bildete, und zu der Furt unter dem Steilufer, an die ihr euch vielleicht erinnert. Der Fluß führte Hochwasser, das kam von der Schneeschmelze und vom tagelangen Regen. Aber sie überquerten ihn, wenn auch mit einiger Schwierigkeit, und dann eilten sie weiter, obgleich es Abend wurde. Sie wollten den letzten Abschnitt ihrer Reise hinter sich bringen.

Und dieser letzte Teil verlief ebenso wie der erste, ausgenommen, daß sie nur zu zweit und schweigsamer waren und diesmal keinen Trollen begegneten. Jeder Punkt des Weges rief Bilbo die Ereignisse und Gespräche wieder ins Gedächtnis, die nun ein ganzes Jahr zurücklagen – ihm schien es, als seien mehr als zehn vergangen –, so daß er natürlich rasch den Platz wiedererkannte, an dem das Pony in den Fluß gefallen war und wo sie das böse Abenteuer mit Tom, Bert und Bill zu bestehen hatten.

Nicht weit ab vom Weg fanden sie das Gold der Trolle, das sie vergraben hatten, noch unberührt verborgen. »Ich habe genug auf Lebenszeit«, sagte Bilbo, als sie es ausgegraben hatten. »Nehmt es, Gandalf, ich wette, Ihr könnt mehr damit anfangen als ich.«

»Tatsächlich, das kann ich«, erwiderte der Zauberer. »Aber teile, und teile gerecht! Ihr werdet es vielleicht nötiger haben, als Ihr annehmt.«

So taten sie das Gold in Säcke und hängten sie ihren Ponys, die darüber gar nicht erfreut waren, an den Sattel. Danach kamen sie nur noch langsam voran, denn meistens mußten sie neben ihren Ponys hergehen. Aber das Land war grün, und der Hobbit trottete zufrieden durch das hohe Gras. Er wischte sich den Schweiß mit einem roten Seidentaschentuch aus dem Gesicht – nein, nicht ein einziges seiner eigenen hatte die Reise überlebt, er hatte dieses Tuch von Elrond borgen müssen –, denn der Juni hatte den Sommer gebracht, und das Wetter war wieder klar und heiß.