Wie alle Dinge ein Ende haben, so auch diese Geschichte. Es kam der Tag, an dem sie jenes Land wiedersahen, in dem Bilbo geboren und erzogen worden war und wo die Landschaft und die Bäume ihm ebenso bekannt waren wie seine Hände und seine Zehen. Als sie eine Anhöhe erreichten, sah Bilbo seinen Berg in einiger Entfernung liegen, und er hielt an und sagte plötzlich:
Gandalf schaute ihn an. »Mein lieber Bilbo, irgend etwas ist mit Euch los. Ihr seid nicht mehr der alte Hobbit.«
So überquerten sie die Brücke, gingen vorbei an der Mühle am Fluß und kamen endlich zu Bilbos Haustür.
»Kreuzschwerenot!« rief Bilbo. »Was geht hier vor?« Ein geschäftiges Kommen und Gehen herrschte vor seiner Tür. Leute aller Art, achtbare und weniger achtbare, drängten sich auf seiner Schwelle. Sie gingen hinein, kamen heraus, nicht einmal ihre Füße wischten sie auf der Matte ab, wie Bilbo mit höchstem Mißfallen feststellen mußte.
Wenn er schon überrascht war, so waren es die Leute noch mehr. Bilbo war mitten in eine Auktion geraten. Ein großer Anschlag in Rot und Schwarz hing an der Tür und kündigte an, daß am 22. Juni die Herren Wühler, Wühler & Graber, den nachgelassenen Besitz des seligen Bilbo Beutlin, Hochwohlgeboren, von Beutelsend, unter dem Berg, Hobbingen, versteigern würden. Beginn der Versteigerung pünktlich zehn Uhr. Jetzt war es fast Mittagszeit, und das meiste hatte schon seine Käufer zu den unterschiedlichsten Preisen gefunden, spottbillig oft, wie es bei Auktionen nun einmal zuzugehen pflegt. Bilbos Vettern, die Sackheim Beutlins, waren sogar schon eifrig dabei, die Zimmer auszumessen, ob wohl ihre eigenen Möbel hineinpaßten. Kurz, Bilbo war für tot erklärt worden, und nicht jeder war glücklich darüber, daß diese Annahme sich als falsch erwies, selbst wenn er so tat.
Seine Rückkehr verursachte sowohl unter als auch über dem Berg und jenseits des Wassers eine ganz schöne Aufregung. Es war schlimmer als ein achtes Weltwunder. Die gesetzlichen Schwierigkeiten konnten jahrelang nicht aus der Welt geschafft werden, und die Erlaubnis, wieder als durchaus lebendig zu gelten, ließ lange auf sich warten. Auch dauerte es geraume Weile, bis jene Leute davon überzeugt waren, die bei der Versteigerung die besten Geschäfte gemacht hatten. Zum Schluß mußte Bilbo, nur um Zeit zu sparen, eine ganze Menge seiner eigenen Möbel zurückkaufen.
Viele seiner Silberlöffel blieben jedoch auf mysteriöse Art verschwunden. Bilbo verdächtigte die Sackheim Beutlins, die ihrerseits nie die Echtheit des zurückgekehrten Bilbo Beutlin anerkannten und nie wieder ein Wort mit ihm wechselten.
Und in der Tat, Bilbo fand, daß er mehr als seine Löffel verloren hatte – er hatte seinen guten Ruf verloren. Er blieb zwar zeit seines Lebens ein Elbenfreund und hatte die Ehre, Zwerge, Zauberer und noch andere merkwürdige Leute, die hier vorüberkamen, seine Gäste nennen zu können. Aber er galt als nicht mehr ganz respektabel. Ja, er wurde von allen Hobbits seiner Nachbarschaft für verschroben gehalten – ausgenommen von seinen Neffen und Nichten von der Tukseite. Doch selbst deren Freundschaft wurde von den Eltern nicht gern gesehen.
Zu meinem Leidwesen muß ich sagen, daß ihn das nicht kümmerte. Ja, er war sehr zufrieden. Niemals bisher war ihm das Summen des Teekessels so lieblich erschienen, selbst in jenen ruhigen Zeiten nicht, als die unerwartete Gesellschaft sich bei ihm versammelt hatte. Sein Schwert hing er über den Kamin. Sein Kettenhemd wurde schön auf einem Ständer in der Eingangshalle aufgebaut (bis er es einem Museum auslieh). Seine Schätze an Gold und Silber hatte er weitgehend in teils nützlichen, teils verschwenderischen Geschenken angelegt, und das macht, bis zu einem gewissen Grade, die besondere Zuneigung seiner Neffen und Nichten verständlich. Den Zauberring aber hielt er sorgsam geheim. Er benutzte ihn hauptsächlich, wenn unerwünschte Besucher kamen.
Bilbo begann, Gedichte zu schreiben, und besuchte oft die Elben. Und obgleich mancher den Kopf schüttelte, sich an die Stirn tippte und »armer alter Beutlin« sagte und obgleich nur wenige seine Erzählungen glaubten, lebte er sehr glücklich bis ans Ende seiner Tage. Und es muß gesagt werden, daß es noch außerordentlich lang war bis dorthin.
An einem Herbstabend, einige Jahre später, saß Bilbo in seinem Studierzimmer. Er schrieb an seinen Erinnerungen dachte daran, sie »Dorthin und wieder zurück, Ferienreise eines Hobbits« zu nennen –, als die Türglocke läutete. Es war Gandalf, den ein Zwerg begleitete. Und dieser Zwerg war Balin.
»Kommt herein, kommt herein!« sagte Bilbo, und bald saßen sie gemütlich am Kaminfeuer. Während Balin feststellte, daß Mister Beutlins Weste ein bißchen praller geworden war (echte Goldknöpfe saßen darauf), stellte Bilbo seinerseits fest, daß Balins Bart um einige Zoll gewachsen und sein mit Edelsteinen gezierter Gürtel von großer Schönheit war.
Natürlich sprachen sie über die gemeinsam verlebten Zeiten, und Bilbo fragte, wie es in den Ländern um den Einsamen Berg aussah. Gut ging es anscheinend dort allen. Bard hatte die Stadt Dal wieder erbaut. Menschen waren von der Seestadt und weiter aus dem Süden und Westen zu ihm gekommen.
Das ganze Tal war wieder reich bestellt. Im Frühling erfüllten Vogelruf und blühende Blumen das verwüstete Land und im Herbst Früchte und fröhliche Feste. Auch die Seestadt war wieder aufgebaut worden und wohlhabender denn je. Reiche Frachten fuhren das Eilige Wasser stromauf und stromab.
Freundschaft herrschte hier zwischen Elben, Zwergen und Menschen.
Der alte Meister jedoch hatte ein schlechtes Ende genommen. Bard hatte ihm viel Gold für sein Seevolk gegeben. Aber da er zu denen gehörte, die leicht solchen Süchten verfallen, hatte die Drachenkrankheit ihn angesteckt. Er nahm den größten Teil des Goldes und floh – und verhungerte in der Einöde, verlassen von seinen Spießgesellen.
»Der neue Meister ist weiser als der alte«, sagte Balin, »und sehr beliebt, denn ihm schreiben sie den jetzigen Wohlstand zu. Sie dichten Lieder, in denen es heißt, daß in seinen Tagen die Flüsse schieres Gold führten.«
»Dann sind die alten Prophezeiungen in gewisser Hinsicht ja eingetroffen«, bemerkte Bilbo.
»Natürlich!« entgegnete Gandalf »Und warum sollten sie nicht eingetroffen sein? Zweifelt Ihr etwa nur deshalb an den Prophezeiungen, weil Ihr selbst tatkräftig mitgewirkt habt, daß sie in Erfüllung gingen?
Ihr glaubt doch nicht etwa, es sei reiner Zufall gewesen, daß Ihr all die Abenteuer bestanden habt und all den Gefahren entkommen seid und daß all das einzig zu Eurem eigenen Nutzen geschehen ist? Ihr seid ein prächtiger Kerl, Mister Beutlin, und ich bin sehr stolz auf Euch. Aber schließlich seid Ihr doch nur ein kleines Pünktchen in einer sehr großen Welt.«
»Gott sei Dank«, sagte Bilbo lachend und reichte ihm die Tabakdose.