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„Ganz bestimmt?“

„Es wird wild zugehen, Jungchen. So. Und nun wird geschlafen. Morgen früh ist die Nacht weg.“ Der Jokus legte den Kopf aufs Kissen.

„Ich glaube, ich bin noch gar nicht müde“, erklärte der Kleine Mann.

„Sehr geehrter Herr Pichelsteiner“, sagte der Professor, „hätten Sie wohl die unendliche Güte, die Kerze auszupusten?“

Mäxchen kicherte und knipste das Licht aus. „Nun bin ich also wieder klein“, murmelte er im Dunkeln. „Doch wenn du in der Nähe bist, ist mir’s recht.“

„Du sollst schlafen!“

„Eigentlich sind wir ja zwei ziemlich tolle Burschen“, meinte Mäxchen. „Oder etwa nicht?“

„Doch, doch“, brummte der Jokus. „Tolle Burschen und dicke Freunde. Und du sollst schlafen.“

„Wieso dick?“ fragte der Kleine Mann. „Du bist nicht einmal dick, wenn du den Zauberfrack anhast.“

„Du sollst schlafen!“ knurrte der Professor und gähnte, daß es sogar die Maiglöckchen auf dem Balkon hörten.

„Und wie ist das mit dir und dem Marzipanmädchen?“ fragte Mäxchen leise.

„Du sollst schla... “

„Ich schlafe ja schon“, sagte der Kleine Mann hastig und schloß den Mund und die Augen. Ob er freilich sofort einschlief, das weiß ich nicht. Denn erstens war es im Zimmer stockfinster. Und zweitens war ich ja gar nicht im Zimmer.

DAS VIERZEHNTE KAPITEL

Ruhm am Vormittag / Telefonanrufe / Der erste Besucher ist Direktor Brausewetter / Geld ist nicht die Hauptsache, aber die wichtigste Nebensache / Das Kaninchen im falschen Zylinder / Schlagzeilen und Gerüchte.

Der nächste Tag wurde ein denkwürdiger Tag. Mäxchen wachte auf und war berühmt.

Der Chefportier des Hotels, der sich in seiner vierzigjährigen Laufbahn nicht nur beträchtliche Plattfüße, sondern auch beträchtliche Erfahrungen erworben hatte, sagte schon morgens um neun Uhr zu den Telefonfräuleins: „Das wird kein Ruhm mit dem Wurm drin, meine Damen. Das Kerlchen wird berühmt wie der Schiefe Turm von Pisa. Denken Sie an meine Worte!“

„Tag und Nacht“, versicherte Fräulein Arabella treuherzig, und die anderen Mädchen kicherten und hielten die Hand vor die Telefonmuschel.

Doch viel Zeit zum Lachen blieb ihnen heute nicht. Die Anrufe in der Zentrale rissen nicht ab. Alle Welt wollte den Kleinen Mann sprechen. Darunter war auch eine aufgeregte Frauensperson. Sie erkundigte sich, ob der Kleine Mann schon verheiratet sei.

„Ich habe ihn gestern abend im Zirkus gesehen“, sagte die Frau, „und bin von ihm völlig fasziniert. Ist er noch zu haben?“

„Leider nein“, antwortete Fräulein Arabella. „Er ist seit sechs Jahren mit der Kronprinzessin von Australien verlobt. Und die wird ihn nicht hergeben.“

„Was will er denn bei den Känguruhs?“ fragte die Frauenstimme ärgerlich. „Ich habe einen Laden für Baby- und Kinderkleidung. Das wäre für ihn viel gescheiter. Verbinden Sie mich bitte mit seinem Zimmer!“

Fräulein Arabella schüttelte den Lockenkopf. „Völlig ausgeschlossen, gnädige Frau! Er darf nicht gestört werden. Reichen Sie doch Ihr Gesuch schriftlich ein! Und vergessen Sie nicht, Ihre werte Fotografie beizufügen. Der junge Herr ist sehr schönheitsdurstig.“

Natürlich waren nicht alle Anrufe so albern wie dieser. Doch auch vernünftigere Telefonate zu Hunderten kosten Zeit und Nerven. Den Fräuleins am Klappenschrank und dem Portier in seiner Loge rauchten die Köpfe.

Indessen saßen der Jokus und Mäxchen auf dem Balkon und frühstückten in aller Gemütsruhe.

„Du sollst den Marmeladenlöffel nicht ablecken“, mahnte der Professor.

„Das gilt ab heute nicht mehr“, behauptete Mäxchen. „Wenn man so berühmt ist wie ich, darf man das.“

„Du hast eine etwas merkwürdige Auffassung vom Berühmtsein“, sagte der Jokus.

Die zwei Tauben saßen im Blumenkasten. Das Kaninchen steckte den Kopf zum Balkongitter hinaus. Für die drei Tiere war der ruhmreiche Tag ein Tag wie jeder andere.

Der Kleine Mann zwinkerte vergnügt. „Minna, Emma und Alba“, zählte er auf. „Nun fehlt nur noch Rosa.“

Dann klopfte es dreimal, und der erste Besucher erschien.

Es war aber nicht Rosa Marzipan, sondern der Herr Direktor Brausewetter. Mit der einen Hand schwenkte er den Zylinder, und mit der anderen Hand überreichte er die Morgenzeitungen. „Der Erfolg ist sensationell“, ächzte er und sank in einen Stuhl. „Die Presse ist, ohne dabeigewesen zu sein, außer Rand und Band. Vor dem Hotel türmen sich die Neugierigen. Der Liftboy ist um Jahre gealtert. Und der Portier hat den Kopf verloren und kann ihn nicht wiederfinden.“

Mäxchen lachte, und der Jokus überflog die Zeitungen mit den ersten kurzen Nachrichten über seinen und Mäxchens Riesenerfolg. „Die Lawine rollt“, sagte er befriedigt.

„Noch dazu aufwärts, Herr Professor“, meinte Brausewetter. „Schade, daß wir uns trennen müssen.“ Er blickte traurig zu Boden.

„Waaas?“ fragte der Kleine Mann. „Das verstehe ich nicht.“ Brausewetter fuhr mit dem Handschuh rund um den Zylinder. „Der Herr Professor dürfte mich schon verstehen.“ „Jawohl“, brummte der Jokus und nickte.

„Ich habe heute nacht kein Auge zugetan“, sagte Brausewetter und stellte den Zylinder unter den Stuhl. „Ich habe ge-

rechnet und gerechnet. Es geht nicht. Der Zirkus Stilke ist wahrhaftig kein Flohzirkus, sondern genießt in der Zunft und beim Publikum erfreuliches Ansehen. Aber Sie beide sind seit gestern abend eine Weltnummer, und das kann ich nicht bezahlen.“

Der Jokus entgegnete: „Sie kennen unsren Preis ja noch gar nicht.“

„Nein. Aber ich bin kein heuriger Hase. Ich weiß, welche Summen man Ihnen von andrer Seite bieten wird. Damit kann ich nicht konkurrieren. Denn ich bin ein solider Unternehmer. Ein anderer Direktor würde vielleicht denken: Mit dieser Weltnummer bin ich jeden Abend ausverkauft, auch wenn ich die Familie Bambus auf die Straße setze .“

„Nein!“ rief Mäxchen.

„Oder wenn ich die Elefanten an einen Zoo verkaufe .“ „Nein!“ rief Mäxchen.

„Oder wenn ich den Feuerschluckern und den drei Schwestern Marzipan kündige .“

„Nein!“ schrie Mäxchen aufgebracht. „Das dürfen Sie nicht tun!“

„Ich tu’s ja auch nicht“, erklärte Direktor Brausewetter würdig, „und deswegen müssen wir uns eben trennen.“

Der Jokus sagte: „Legen Sie die Karten auf den Tisch! Wieviel können Sie uns zahlen?“

„Das Vierfache Ihrer jetzigen Gage. Doch die anderen werden Ihnen das Zehnfache bieten.“

„Nein“, meinte der Jokus. „Das Zwanzigfache. Ich habe nämlich heute nacht auch ein bißchen gerechnet. Und Sie, verehrter Herr Direktor, können uns mehr als das Vierfache bezahlen, ohne Ihren Zylinder oder zwei Elefanten ins Leihhaus zu tragen.“

„Wieviel?“

„Das Fünffache.“

Direktor Brausewetter lächelte gequält. „Aber nur, wenn ich mir das Zigarrenrauchen abgewöhne.“

„Das glaubt Ihnen nicht einmal Ihr Zigarrenhändler“, meinte der Jokus.

„Der zuallerletzt“, sagte Brausewetter und lachte müde.

„Hast du alles verstanden, Mäxchen?“ fragte der Jokus. „Aber leg den Marmeladenlöffel fort, bevor du antwortest!“

Mäxchen legte den Löffel beiseite. Dann sagte er: „Ich habe alles verstanden. Wir könnten anderswo fünfmal soviel verdienen wie bei Direktor Brausepulver, nein, Brausewetter. Und auch nur dann, wenn er sich das Rauchen abgewöhnt.“

„Ein aufgewecktes Kind“, bemerkte der Direktor.

„Aber“, fuhr der Kleine Mann fort, „wie wäre es, wenn der Zirkus Stilke, weil wir jetzt berühmt sind, die Eintrittspreise erhöht? Nur ein kleines bißchen! Und wenn er uns das bißchen extra auszahlte?“