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Plötzlich hörten sie eilige und tapsige Schritte!

Mäxchen stieg auf die Fensterleiste. „Das ist der kahle Otto“, flüsterte er.

Otto kam drüben ein bißchen im Zickzackschwips die Straße entlang und hielt eine große, dicke Flasche umklammert.

„Sind das lauter Baldriantropfen?“ fragte Jakob verblüfft.

Mäxchen kicherte. „Das ist Schnaps! Seine Flasche war leer. Deshalb lief er ja so schnell zur Apotheke.“

„Na, da wollen wir mal“, sagte Herr Steinbeiß zu Herrn Müller Zwo.

„Moment!“ flüsterte Mäxchen. Dann sprang er auf den Ärmel des Kriminalkommissars und hockte, ehe man bis drei zählen konnte, in dessen Brusttasche.

Otto wollte, als sie ihm den Weg verstellten, eben ins Gartentor von Nummer 12 einbiegen. „Was is ’n los?“ fragte er giftig und blickte die beiden Männer schief an.

„Kriminalpolizei“, sagte der Kommissar. „Sie sind verhaftet.“

„Ach nee, was Sie nich sagen!“ spöttelte Otto, machte kehrt und wollte auf und davon.

Doch Herr Müller Zwo war fixer. Er packte kräftig zu. „Aua!“ erklärte Otto und ließ die große Flasche fallen. Sie zerbrach. Herr Steinbeiß pfiff auf einer Trillerpfeife. Drei Autos kamen aus der Dreisterngasse und bremsten. Sechs Beamte in Zivil sprangen aufs Pflaster.

„Streifenwagen 1 bringt den Verhafteten sofort ins Präsidium“, befahl der Kriminalkommissar. „Der Inspektor durchsucht mit der Mannschaft von Wagen 2 das Haus und die Wohnung.“

„Erster Stock links“, sagte Mäxchen. „Otto hat die Schlüssel in der rechten Hosentasche.“ Und schon holte ein Beamter die Schlüssel ans Licht.

Der kahle Otto blickte wie vom Donner gerührt auf die Brusttasche des Kommissars. Dann brüllte er: „Du kleiner Mistfliegenpilz! Wie kommst denn du . “ Doch ehe er den Satz zu Ende brüllen konnte, saß er schon, gut bewacht, im Wagen 1, und fort ging’s!

Ein Beamter vom Wagen 2 meldete: „Herr Kommissar! Der Polizeifunk hat uns vor zwei Minuten durchgegeben, daß das Haus Kickelhahnstraße 12 einer südamerikanischen Handelsfirma gehört.“

„Das wundert mich gar nicht“, bemerkte Mäxchen. „Es hängt eben alles mit dem Senor Lopez zusammen.“

Inspektor Müller Zwo fragte verblüfft: „Was weißt denn du von Lopez?“

„Viel nicht“, sagte der Kleine, „aber für jetzt wär’s zuviel.“ Herr Steinbeiß nickte energisch. „Recht hat er. Wir haben’s eilig. Wagen 2 übernimmt das Haus. Wagen 3 fährt mit mir und Mäxchen zum Professor ins Hotel.“

„Nein“, sagte Mäxchen. „Wir müssen erst in den ,Krum-men Würfel‘ und Bernhard beim Mittagessen verhaften. Der ist zehnmal schlimmer als der kahle Otto. Er war auch der falsche Kellner mit der weißen Jacke!“

Der Kommissar mußte lachen. „Mäxchen macht alles, Mäxchen weiß alles! Also los, Wagen 3! In den ,Krummen Würfel‘!“ Er schob sich neben den Fahrer und tastete nach seinem Revolver.

„Moment!“ rief Mäxchen hastig und beugte sich weit aus der Brusttasche. „Wagen 2 soll doch bitte meine Streichholzschachtel mitbringen! Sonst muß ich heute abend im Himmelbett schlafen.“

„Das wäre ja entsetzlich“, sagte Inspektor Müller Zwo und stürmte mit seinen Leuten ins Haus.

„Worauf warten Sie noch?“ fragte der Kommissar den Fahrer vom Wagen 3. „Marsch marsch!“

„Marsch marsch geht nicht“, teilte der Fahrer mit. „Es steht ein Junge auf dem Trittbrett!“

Jakob guckte durchs Wagenfenster. „Bin ich nun zu Ananastörtchen eingeladen worden oder nicht?“

Mäxchen tat einen Seufzer, als sei es sein letzter oder mindestens der vorletzte. „Es ist eine Affenschande“, stammelte er. „Kaum bin ich aus dem Gröbsten heraus, und schon vergesse ich meine besten Freunde!“

Jakob Hurtig stieg flink ein. „Quatsch nicht, Krause!“

Der Wagen 1 war mit dem kahlen Otto auf dem Weg zum Polizeipräsidium. Der Wagen 3 jagte zum ,Krummen Würfel6. Der Wagen 2 stand vorm Hause Nummer 12. Die Kickel-hahnstraße und der grüne Kinderball lagen wieder genau so still wie vor einer halben Stunde.

Auf dem Pflaster glänzten die Scherben einer Schnapsflasche. Sonst hatte sich, wie es schien, nichts verändert.

DAS EINUNDZWANZIGSTE KAPITEL

Aufregung im ,Krummen Würfel ‘ / Jakob wäre ein Kalbshaxenhotel lieber / Tränen und Training / Marzipan mit Gänsehaut / Scharfer Senf / Wer kriegt die Belohnung? / Mäxchen mimt den kahlen Otto / Wie heißt die kleinste fünfstellige Zahl?

Der ,Krumme Würfel‘ war kein feines Lokal, aber man aß gut. Dagegen ist nichts einzuwenden. Wenn die Suppe aus echter Fleischbrühe besteht, muß der Teller nicht aus echtem Porzellan sein. Meist ist es umgekehrt.

Die Gäste saßen und aßen an sauber gescheuerten Tischen, und es schmeckte ihnen. Nur Bernhard zog auch heute ein Gesicht. Die stramme Wirtin, die ihm den Nachtisch hinstellte, wunderte sich nicht weiter. „Es schmeckt wohl wieder nicht?“ fragte sie grimmig.

„Höchste Zeit, daß ich in Länder komme, wo man kochen kann“, antwortete er.

„Höchste Zeit, daß Sie nicht mehr in mein Lokal kommen!“ sagte sie und nahm ihm den Nachtisch vor der Nase weg. (Es war übrigens Karamelpudding mit Himbeersaft.)

„Stellen Sie sofort die blöde Zittersülze wieder hin!“ befahl er kalt. Ihr kennt ja seine Kühlschrankstimme!

„Machen Sie sofort, daß Sie rauskommen!“ erwiderte sie ruhig. „Die zwei Portionen Eisbein für Ihren Kahlkopf sind reserviert. Dabei bleibt’s. Aber Sie selber? Hinaus! Geld will ich nicht! Betrachten Sie sich als von mir eingeladen und hinausgefeuert! Hauen Sie ab, Sie widerlicher Galgenvogel!“

Bernhard griff wütend nach dem Teller.

Die Wirtin trat einen Schritt zurück und warf ihm den Teller mitten ins Gesicht.

Ob man Karamelpudding mit Himbeersaft mag, ist Geschmackssache. Ich selber, beispielsweise, mag ihn nicht. Aber mitten im Gesicht? Auf diese direkte Art schmeckt er keinem. Trotzdem streckte Bernhard die Zunge weit heraus und leckte eifrig den Himbeersaft auf, der ihm übers Gesicht rann. Er hatte Angst um sein weißes Hemd und den hellgrauen Anzug und die schicke Krawatte.

Der Pudding selber, ein wirklich vorzüglicher Pudding, klebte ihm im Haar und verkleisterte ihm die eisblauen Augen. Er fuhrwerkte mit allen zehn Fingern in der Luft und im Gesicht herum, tastete nach der Serviette, suchte in der Hose nach dem Taschentuch, und das alles machte die Sache natürlich nicht besser.

Die Gäste lachten. Die Wirtin lachte. Und als ein kleines Mädchen am Nebentisch rief: „Mutti, der Herr sieht aus wie ein Schwein!“, da kannte der allgemeine Jubel keine Grenzen mehr.

Doch mit einem Male wurden sie alle mucksmäuschenstill. Was war denn plötzlich geschehen?

Bernhard schielte durch die verklebten Karamelwimpern, erschrak und hatte allen Grund dazu. Denn drei Männer standen um ihn versammelt und schienen ihn ganz und gar nicht komisch zu finden.

Das schlimmste war, daß sich aus der Brusttasche des einen Mannes ein kleiner Bekannter beugte, mit der Hand auf Bernhard zeigte und laut und vernehmlich erklärte: „Herr Kommissar, das ist er!“

Nachdem sie den bekleckerten Bernhard im Polizeipräsidium abgegeben hatten, sollte Mäxchen ins Hotel gefahren werden. Jakob Hurtig blieb am Wagen stehen und behauptete: „Ich möchte nicht länger stören.“

„Du kommst mit!“ sagte Mäxchen. „Wegen des Ananastörtchens und überhaupt.“

„Natürlich kommst du mit!“ sagte der Kommissar. „Ich muß mir doch deine Personalien aufschreiben und überhaupt.“

„Geht in Ordnung“, sagte Jakob. „Meine Eltern sind ja sowieso noch bei Tante Anna und dem Storch und überhaupt!“