»Was denn? Du hast mit ihr über Rosa und mich und das alles gesprochen?«
»Ich wollte gar nicht. Aber sie hat es herausgekriegt.«
»Was soll das heißen? Herausgekriegt?«
»Nun ja, das kam so . Wir aßen bei uns zu Mittag. Es gab Sternsuppenschnupfen, nein, Sternschnuppensuppe mit Grüßklößchen. Dann legte ich mich für Nureinviertelstündchen aufs Sofa und schlief ein. Mielchen saß daneben. Sie häkelte an einem Topflappen aus Topflappland. Das gibt es natürlich gar nicht.«
»Und?«, fragte der Jokus ungeduldig. »Weiter?«
»Mielchen häkelte und hörte mir zu.«
»Wieso hörte sie dir zu? Ich denke, du schliefst?«
»Lieber Jokus, sei nicht böse«, sagte Mäxchen ängstlich, »und auslachen darfst du mich auch nicht. Aber .«
»Was aber?«
». mir geht es ganz genau wie dir. Und ich habe es genauso wenig gewusst. Bis es Mielchen gemerkt hat. Ich ... ich spreche auch im Schlaf!«
Da begann der Jokus zu lachen, dass die Fensterscheiben klirrten. Es klang, als könne er nie wieder aufhören. Mäxchen fing auch an. Und so lachten sie zweistimmig, bis jemand die Tür aufriss und das Licht einschaltete.
Es war Rosa Marzipan. Sie trug einen hellblauen Pyjama, hatte bereits geschlafen und fragte entgeistert: »Was soll denn dieses Höllengelächter? Noch dazu im Dunkeln? Seid ihr übergeschnappt?«
»Nein, das nicht«, fing der Jokus an. Doch dann packte ihn die Lachlust von neuem, und auch Mäxchen stimmte wieder ein und zog sich vor Wonne an den Haaren.
Das Marzipanfräulein setzte sich auf die Bettkante, nahm die Hand des Professors, fühlte ihm den Puls und sagte, sanft wie eine Krankenschwester: »Lasst euch bitte nicht stören. Ich habe Zeit.«
Alles hat einmal ein Ende. Auch ein Gelächter, das nicht enden will. So erfuhr Rosa nach und nach, worüber die beiden im Dunkeln gesprochen hatten.
»Na schön«, meinte sie fröhlich, »da werde ich also meine Marzipanjahre einmotten und Frau Hokuspokus werden.«
»Aber vorher musst du bei mir um seine Hand anhalten«, erklärte Mäxchen. »Am besten ist, du tust es gleich. Dann haben wir’s hinter uns.«
»Jetzt?«, fragte sie. »Im Pyjama? Schickt sich das?«
»Jetzt!«, befahl Mäxchen.
Und der Jokus sagte: »Sonst bleibst du Fräulein.«
Da stand sie rasch auf, machte vor der Streichholzschachtel auf dem Nachttisch einen tiefen Hofknicks und deklamierte: »Allerwertester Herr von Pichelsteiner, ich bitte Sie trotz der vorgerückten Stunde um die berühmte Hand des berühmten Taschendiebes Jokus von Pokus.«
Mäxchen war aus seiner Schachtel herausgeklettert, verbeugte sich vor Rosa Marzipan und sagte: »Es sei. Ich händige Ihnen hiermit seine Hand aus.«
»Ich möchte nicht unbescheiden sein«, fuhr sie fort, »aber daran erinnern, dass er zwei Hände hat.«
»Da hast du’s, mein Kleiner«, seufzte der Jokus. »Erst bat sie nur um eine Hand. Nun will sie beide. In spätestens einer Minute will sie auch noch die Füße.«
»Selbstverständlich halte ich auch um seine Füße an«, sagte Rosa und machte einen zweiten Knicks. »Ferner um seine Kniekehlen, Schlüsselbeine und Bandscheiben .«
»Sie will mich an die Anatomie verkaufen«, rief der Professor.
Rosa Marzipan knickste in einem fort und zählte dabei weiter auf. »Auch bitte ich um seinen Schnurrbart, seine Augenbrauen, Ohrläppchen und Sorgenfalten. Ich werde ihm eine gute Frau sein, und wenn seine Schädeldecke eines Tages zu dünn werden sollte, häkle ich ihm eine neue.« Damit versank sie in einem abgrundtiefen Knicks und erhob sich erst, als Mäxchen es gnädig erlaubte.
»Sie haben«, erklärte er salbungsvoll, »um seine Hand und alles Übrige angehalten. Das genügt, und jetzt ist alles in Butter. Miss Emily Simpson aus Alaska schließt sich meinem Jawort von Ja bis Z an.«
»Besten Dank, Exzellenz«, flüsterte Rosa.
»Jubeln Sie nicht zu früh«, warnte Mäxchen. »Unser Jawort hängt von zweierlei ab.«
»Ich habe geahnt, dass etwas dahinter steckt«, seufzte der Jokus. »Also? Heraus mit der Sprache.«
»Ihr müsst einen richtigen Polterabend machen. Mit Blindekuh und Knallbonbons und anderem Unsinn. Ja?«
»Genehmigt. Und zweitens?«
»Der Polterabend soll am Faschingsdienstag stattfinden. Mielchen hat beides noch nie erlebt. Und wenn man beides am gleichen Tage feiert, wird es billiger. Mielchen will für sich und mich rote Pappnasen machen. Das kann sehr lustig werden.«
»Davon bin ich überzeugt«, meinte der Jokus. »Nur an eines habt ihr nicht gedacht. Ihr seid zwar ein geriebenes Pärchen, aber ihr habt vergessen, welcher Tag auf den Faschingsdienstag folgt.«
»Wieso? Der nächste Tag ist der Aschermittwoch. Und?«
»Und an einem so traurigen Tage sollen wir heiraten?«, fragte Rosa.
»Das ist ein sehr praktischer Tag«, erklärte Mäxchen. »Da ist das Standesamt nicht so überfüllt.«
Der Polterabend am Faschingsdienstag wurde ein großer Erfolg. Dazu trugen nicht nur Mäxchen und Mielchen mit ihren karminroten Pappnasen bei, sondern auch die Brautleute und, nicht zuletzt, die Trauzeugen, die pünktlich eingetroffen waren: Mister John F. Drinkwater und Zirkusdirektor Brausewetter. Auch den Kriminalkommissar Steinbeiß hatte man eingeladen, aber er musste in Berlin einen Banküberfall aufklären. Das ging vor.
Weil Fasching war, hatten sich alle verkleidet. Mrs. Simpson zum Beispiel erschien als Eskimomädchen, Mister Drinkwater als algerischer Seeräuber, Rosa Marzipan als dressierter weißer Pudel - aber den ersten Preis erhielt dann doch, noch dazu einstimmig, Direktor Brausewetter. »Mich wird keiner erkennen«, hatte er schon am Nachmittag verkündet, und er behielt Recht. Denn er kam abends völlig ohne Handschuhe!
Da riefen alle: »Das kann unmöglich unser lieber Brausewetter sein«, und damit hatte er gewonnen. Als Preis wurde ihm vom Jo-kus ein Paar eiserner Handschuhe aus der Ritterzeit überreicht, und er war selig. Eiserne Handschuhe besaß er noch nicht.
Weil nicht nur Faschingsdienstag, sondern gleichzeitig Polterabend war, wurde selbstverständlich auch mächtig gepoltert. Vor allem beim Topf schlagen.
Es ist gar nicht so einfach, mit einem Stock einen Topf zu treffen, wenn man die Augen verbunden hat, und es wurde viel danebengehauen. Mister Drinkwater schlug versehentlich so sehr daneben, dass er, statt des Topfes, Direktor Brausewetters Zylinder traf!
Na, der arme Brausewetter sah ziemlich merkwürdig aus, mit dem Zylinder bis über die Nase! Und es dauerte fünf Minuten, bis man ihn befreit hatte.
Mäxchen rief: »Sie sahen aus wie der Schwarze Prinz!«
»Hauptsache, dass es dir gefallen hat«, sagte Direktor Brausewetter und massierte sich die Ohren.
Anschließend gab es heiße Würstchen aus Breganzona. König Bileam hatte zwanzig Dosen geschickt. In jeder Dose steckten
sechs Paar. Und so blieben schließlich, trotz heißem Bemühen, elf Dosen übrig.
»Für unsere silberne Hochzeit«, sagte Rosa zum Jokus.
Am Aschermittwoch fuhren alle miteinander nach Lugano hinunter. Zum Standesamt. Mäxchen hatte Recht gehabt: Das Rathaus war so leer, dass sich der Beamte geradezu freute, als er Besuch bekam.
Er prüfte die Papiere. Das Brautpaar und die Zeugen schrieben ihre Namen. Mäxchen und Mielchen durften neben dem Tintenfass sitzen. Der Beamte hielt eine schwungvolle italienische Ansprache und schüttelte allen die Hand, dann war es überstanden. Fräulein Marzipan hieß nun Frau von Pokus. Aber sonst hatte sie sich glücklicherweise überhaupt nicht verändert.
Das Festessen fand im Ristorante Bianchi statt. Der Tisch war wunderschön gedeckt. Er war mit so vielen Blumen dekoriert, dass Brausewetter, beim Filet Cafe de Paris, drei Blümchen mitaß, weil er dachte, es sei die Gemüsebeilage. Den kleinen Irrtum bemerkte nur der Oberkellner, und er ließ sofort frische Blumen bringen.